NYLON-Freundebuch: Hi, Baby Queen!
Ein weiteres Juwel aus den 90ern? Das Freundebuch. Bewaffnet mit Stickern, Füller und Tintenkiller gehörte es einfach zum guten Pre-Millenial-Ton, sich mit süßem Foto persönlich zu verewigen. Ein „süßes“ Foto auch Baby Queen für ihren Eintrag bereit – warum ihre Message aber alles andere als nur klebrig-sweet ist, verrät sie im Interview.
Bella Latham ist die klassisch-klischeehafte Abschlussballqueen, zumindest auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinschauen aber ist sie wohl eher diejenige, die die Deko beim Abiball von der Wand reißen und sich schnell vom Acker machen würde. „Meine größte Schwäche ist ein absoluter Mangel an Selbstkontrolle”, heißt es schließlich in den ersten Lines von „Buzzkill”, einem von Bellas ersten Songs. Und auch ihre neue Single „Want Me” beschreibt sie als „musikalischen Wutanfall”. Veröffentlicht hat sie beide auf ihrer ersten EP „Medicine”, die am Freitag erschienen ist – allerdings nicht unter Bellas echtem namen, sondern unter ihrem Pseudonym „Baby Queen”.
Rebellion im „Baby Kingdom”: Baby Queen im Freundebuch-Interview
Zusammen mit ihrer Prom-Queen-Ästhetik unterstreicht der zuckersüß-klebrige Name Baby Queens Botschaft: Nach außen hin übertriebenes Pop-Klischee, hinter den Kulissen Rebellion gegen genau jene Klischees. Baby Queen setzt auf Sounds zwischen Pop-Rock der frühen 2000er, bewusste Theatralik und Lyrics mit großzügigem Mix aus scharfzüngiger Ironie und Ehrlichkeit. Das hat ihr schon wilde Vergleiche mit Acts wie Charli XCX oder Nirvana eingebracht, aber ebenso Lily Allen – auch die mischte bekanntlich ja mal das Abiball-Kleid mit Sneakers und Fuck-You-Attitude. Mit ihr und den anderen Acts hat Bella bei aller Ironie und Augenzwinkern aber dennoch etwas anderes gemein: Die Offenheit für sensible Themen. Und die teilt sie nun auch mit uns, hier im NYLON Freundebuch.
Dein Look erinnert an ein Bild, das in der Popkultur oft benutzt wird – eine Art Crossover aus der unabhängigen Anti-Heldin und der Abschlussball-Queen. Warum hast du dich für diesen Style entschieden?
Das war ehrlich gesagt alles ganz schön weird! Wenn man sich dafür bereit macht, Musik rauszubringen, kann man einen Sound oder eine Ästhetik so sehr planen, wie man will, wenn die Musik dann aber raus ist, entwickelt sie eine Art eigenes Leben und läuft „mit sich selbst davon”. Im Fall von Baby Queen gab die Musik den Namen vor, der dann wiederum die Bilder und Videos beeinflusst hat. Die Musik fühlt sich für mich sehr messy und nach Anti-Heldentum an, aber gleichzeitig auch hübsch und unschuldig.
Wie würdest du deine Spotify-Playlist „The Kingdom Lullabies” mit drei Sounds beschreiben?
OMG! Ich hab‘ sie gerade heute erst wieder aktualisiert. Der Sound verändert sich dabei jedes Mal, aber mir ist wichtig, dass sie zusammenhängend ist. Im Moment stehen wir irgendwo zwischen Indie und Chill-Wave. Ich sage mal: Sie klingt sehnsüchtig, nach innen gerichtet, verträumt.
Du nennst dein Fandom „Baby Kingdom”. Von ihrer Liebe für dich als ihre Anführerin mal abgesehen – was vereint die Bewohner*innen dieses „Königreichs”?
Das Baby Kingdom besteht aus den unglaublichsten Menschen, auf die ich in meinem Leben je gestoßen bin. Sie sind alle so lieb und unterstützen einander. Außerdem sind sie mutig und gehen offen mit den Struggles um, die sie durchgemacht haben. Ich bewundere diese Ehrlichkeit sehr. Wir sind alle ein bisschen weird, aber auf die beste Art und Weise. Es herrscht große Akzeptanz und ich habe ein riesiges Glück, meine Fans zu haben.
Du hast einmal gesagt, dass wir jetzt in einer Zeit leben, in der Popmusik wieder etwas bedeuten kann. Welcher Song bedeutet dir am meisten?
Es gibt einen Song namens „Loving Someone” von The 1975 , der für mich schon immer der Gipfel großartiger Lyrik war. Wenn du dich einmal mit solchen Lyrics beschäftigt hast, ist es schwierig, belanglose Musik zu hören. Ernsthaft, googlet mal den Text von „Loving Someone” und ihr werdet wissen, was ich meine.
Du hast deine Generation auch schon als eine beschrieben, in der das Bubblegum-Girl nicht mehr gefragt ist. Stattdessen werden wir mehr durch Künstler*innen wie Clairo, Billie Eilish oder Melanie Martinez definiert. Wo siehst du dich selbst in dieser Reihe, wie stichst du raus?
Das weiß ich nicht so richtig. Es ist ziemlich schwierig, dich selbst aus realistischer Perspektive in einer Reihe anderer Künstler*innen zu sehen, weil du deine eigene Musik nie mit „frischen” Ohren hören kannst. Wäre ich nicht ich selbst, wüsste ich darauf eine Antwort! Ich glaube, dass ich in meinen Songtexten ehrlicher bin als jede von ihnen. Das ist ein mutiges Statement. Ich möchte die Pop-Künstlerin mit den tiefgreifendsten Lyrics der Welt werden. Für mich geht’s nur um die Songtexte.
Du sprichst auch offen über deine Psychotherapie. Was ist ein Klischee-Rat, der bei dir tatsächlich funktioniert hat?
Kehr es nicht unter den Teppich. Mit „es” meine ich Traumata. Nur dadurch, dass man negative Gefühle zulässt, kann man wachsen und lernen, ein wirkliches Leben zu leben. Man muss sich die Teile, die man an sich selbst nicht mag, wirklich anschauen, bis auch sie sich erkannt fühlen und keinen Ärger mehr machen.
Bitte erklär‘ uns mal deine Besessenheit mit der Schauspielerin Jodie Comer! Von wem oder was bist du noch besessen?
Haha! Meine Family (und meine Ex) sagten mir immer wieder, dass ich mir die Serie „Killing Eve” anschauen sollte. Sie meinten: „Du wirst von der Hauptfigur besessen sein!“ Und sie hatten absolut Recht. Ich habe mich definitiv verliebt. Ich bin schnell von etwas besessen, was sich vielleicht komisch anhört, aber die einzige Art und Weise ist, wie ich Dinge erledigt bekomme. Bei meiner Karriere geht das schon so weit, dass ich kein Leben mehr außerhalb davon habe. Aber ich denke, die Karriere ist eines der besseren Themen, von denen man besessen sein kann!
Welche Art von Sprachnachrichten verschickst du bei WhatsApp?
Um euch die Frage zu beantworten, musste ich tatsächlich mal meine Chats durchgehen – und bin gerade total peinlich berührt. Da sind einige Songs, die ich mir für meine Freund*innen ausdenke und ihnen vorsinge, so etwas wie „Guten Morgen”-Songs, zum Beispiel. Außerdem gibt’s viel zu viele unerwünschte Nachrichten, in denen ich Akzente nachmache.
Welchen Live-Auftritt siehst du dir immer wieder auf YouTube an?
Ich schaue kein bestimmtes Video. Am meisten ziehe ich mir aber wohl St. Vincent rein, wenn sie bei Festivals die Gitarre zerfetzt. Das fühlt sich ziemlich spirituell an, ich liebe sie.
Wie verlief deine Zeit in der Quarantäne? War sie voll von neuen Skills und Selbsterkenntnis oder eher voll von Netflix?
Ehrlich gesagt hab ich meinen Plattenvertrag in dieser Zeit über Zoom unterschrieben. Deshalb gab’s leider wenig Zeit für Netflix and Chill! Ich hab mich aber auch viel mit der Therapie beschäftigt, also gab es in dieser Zeit einiges an Selbsterkenntnis. Ich fühle mich fünf Jahre älter als letztes Jahr!
Zum Schluss gibt’s noch ein paar „Entweder…oder...”-Fragen!
Welches Taylor Swift Album – „reputation” oder „folklore”?
Folklore.
Taylor Swift oder Fleetwood Mac?
Taylor Swift.
Welches Wort wird in Popsongs eher zu viel benutzt – „Baby” oder „Queen”?
Baby.
Würdest du lieber nie mehr Emojis nutzen können oder nur noch durch Emojis kommunizieren?
Lieber niemals wieder Emojis nutzen.
Wenn du nur eine Art von Wettbewerb eliminieren könntest, was würdest du abschaffen: Musik-Castingshows oder Schönheitswettbewerbe?
Schönheitswettbewerbe! Igitt.
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Nice to meet you, Griff!