Search:

Auf emotionaler Achterbahnfahrt mit Popstar Ava Max: „Es war wie Himmel und Hölle”

Als Ohrwurm hatten wir Ava Max’ „Sweet but Psycho“ alle schon einmal – ja, auch ihr. An den Erfolgs­-Hits des Shootingstars kommt eben keiner vorbei. Mit ihrem ersten Album „Heaven & Hell“ erzählt Ava jetzt von persönlichen Erfahrungen zwischen Panikattacken und Karrieretraum.

Ava Max’ Weg zum Durchbruch war eine Ach­terbahnfahrt mit Höhen und Tiefen – „Heaven & Hell“ betitelt die 26­-jährige Musikerin dazu passend ihr erstes eigenes Album. „Wir alle müssen uns entscheiden, ob wir im Leben we­nig oder viel beschrittene Wege wählen. Ich habe mich mit einer Karriere als Musikerin für einen eher wenig beschrittenen entschieden und das war nicht immer leicht. Heute kann ich sagen, es war wie Himmel und Hölle“, er­zählt Ava im Videointerview. Sie sitzt in ihrem vorläufigen Aufnahmestudio, hinter ihr hängt ein abstraktes Gemälde eines Künstlers aus L.A., das sie vor Kurzem gekauft hat. Es ist ver­wischt und wirkt unruhig, die stimmige Farb­palette schafft dafür Harmonie. Kunst voller Gegensatz – so wie die von Ava Max.

Behind the Scenes im NYLON Germany Zoom-Talk mit Ava Max

„Ich weiß nicht, wie sie das alles schaffen konnten. Sie haben gefühlt nicht einmal mehr geschlafen.“ – Ava Max über ihre Eltern

Avas Eltern kommen ursprünglich aus Alba­nien. Sie zogen in die USA und waren wie viele in der Hoffnung, sich und ihren Kindern dort ein besseres Leben zu ermöglichen. Dafür ar­beiteten sie fortan in drei Jobs, Ava sahen sie die ersten zehn Jahre ihres Lebens oft nur eine Stunde pro Tag, manchmal gar nicht. „Ich weiß nicht, wie sie das alles schaffen konnten. Sie haben gefühlt nicht einmal mehr geschlafen. Sie waren es aber auch, die mich ermutigt ha­ben, meine Träume immer weiter zu verfolgen, egal wie schwer es ist“, betont Ava heute. Neben diesem Support gab es noch eine wei­tere wichtige Person im Leben der Sängerin: Aufgewachsen ist sie bei ihrer Oma, zu der Ava bis zu deren Tod im September 2011 ein beson­ders inniges Verhältnis hatte: „Granny war so süß! Sie hat mich immer ermahnt, wenn ich an der Tür nicht die Schuhe ausgezogen habe, denn sie hat total an kosmische Energie ge­glaubt und wollte nicht, dass etwas ,Schmutzi­ges‘ von draußen ins Haus kommt.“ Ava lacht.

„Ich habe stark gezittert. Es fühlte sich an wie ein Herzinfarkt. Mir wurde im Kranken­haus gesagt, ich müsse das irgendwie verar­beiten, sonst landete ich in einer psychiatri­schen Klinik.“

Im Gespräch ist sie trotz der frühen Calltime energiegeladen und positiv. Für sie sei das me­taphorische Glas schon immer eher halb voll als halb leer gewesen, erzählt sie. Selbstverständlich ist das nicht, denn die posi­tive Außenwirkung birgt innere Kämpfe. Nach dem Tod ihrer Oma gibt Ava nicht zu, wie sehr sie der Verlust wirklich mitnimmt. Sie spielt die Starke, spricht mit niemandem darüber. Die Folge: Eines Morgens im Dezember 2011 wacht sie auf und hat eine Panikattacke. Als damals 18­Jährige weiß sie nicht, was das be­ deutet: „Ich habe stark gezittert. Es fühlte sich an wie ein Herzinfarkt. Mir wurde im Kranken­haus gesagt, ich müsse das irgendwie verar­beiten, sonst landete ich in einer psychiatri­schen Klinik. Meine Mom ist dann extra zu mir nach Virginia geflogen, weil ich wirklich nicht wusste, wie ich es allein zurück nach Kaliforni­en schaffen sollte. Ich habe damals nur noch 43 Kilo gewogen – ich konnte einfach nichts essen.“ Es sollte nicht das einzige Mal bleiben, dass Ava unter Angstzuständen leidet.

Foto: Charlotte Rutherford

„Ich bin selbst erst in diese schreckli­che Lage gekommen, weil ich diesem Rat nicht gefolgt bin.“

Es sollte aber eines der letzten Male sein, in denen Ava den Umgang mit ihrem Trauma als aussichtslos empfand. Heute würde der Pop­star allen Betroffenen raten, Gefühle nicht in sich hineinzufressen, sondern über die dun­kelsten Gedanken mit einer Vertrauensperson zu reden. „Ich bin selbst erst in diese schreckli­che Lage gekommen, weil ich diesem Rat nicht gefolgt bin.“ Reden half – aber auch ein ganz bestimmter Song: „Ich weiß, es hört sich verrückt an, aber ich habe zu der Zeit ,SOS‘ von Rihanna in Dauerschleife gehört und mit­ gesungen: ,SOS, please someone help me …‘ Musik kann wirklich Medizin sein.“ Musik ist nicht nur Avas mentaler Treibstoff, sondern hat die 26­-Jährige mittlerweile auch in den Chart­-Himmel befördert. Von ihrem bürgerlichen Namen Amanda hatte sie sich bereits im Alter von 13 Jahren offiziell verab­schiedet – und spätestens jetzt war es an der Zeit, ihr vergangenes, angsterfülltes Ich end­gültig hinter sich zu lassen und als Ava durch­ zu starten. „Amanda und Ava würden sich nicht besonders mögen. Amanda würde Ava immer alles ausreden wollen und Ava ist ein­fach wild!“

„Ich habe mich früher selbst immer über meine Chipmunk­-Cheeks lustig gemacht.“

Ein bisschen Amanda scheint aber für immer in ihr zu stecken, denn manchmal könnte Ava deren Chill-­Pill-­Mentalität gut vertragen. Und eine kleine Unsicherheit bleibt, wenn auch eher äußerlich: Ava lacht und zeigt auf ihre Wangen: „Ich habe mich früher selbst immer über meine Chipmunk­-Cheeks lustig gemacht.“ Zu Avas optischem Markenzeichen ist ohnehin etwas ganz anderes geworden: Sie trägt die Haare auf einer Seite schulterlang und auf der anderen bis zum Po. Ob sie diese jemals am liebsten verstecken würde, um nicht aufzufal­len, fragen wir. „Ich trage sie manchmal als Pferdeschwanz und mit Cap, um inkognito zu bleiben.“

Inkognito zu bleiben, dürfte mit mehreren Chart­-Platzierungen, 26 goldenen, 45 Platin­ und drei Diamant­Schallplatten ganz schön schwierig werden. Ava wurde 2019 mit dem MTV Europe Music Award for Best Push Artist und als Bravo Newcomer ausgezeichnet und steht dafür, dass Traumata der Vergangenheit die Zukunft erst recht befördern können. Sie steht für die Ambivalenz im Leben eines Pop­stars – von der mentalen Gesundheit bis zur Frisur, für Gegensätze wie „Sweet but Psycho“. Ava Max steht für die Höhen und Tiefen, ohne die es keine Zukunft gibt: Auch deshalb heißt ihr Debütalbum „Heaven & Hell“.

Interview: Kristin Roloff; Headerbild: Charlotte Rutherford

Dieses Feature ist ursprünglich in der NYLON Germany #10 Printausgabe erschienen.

Hier geht’s zu weiteren Video-Call Interviews mit spannenden Artists:
Im Videointerview mit LANYs Paul Klein: Warum er am Ende einfach „Mama’s Boy“ ist
Musikerin mxmtoon erzählt im Interview, wie sie Herzschmerz, Coming-Out & Mental Issues überstanden hat

Kristin Roloff
No Comments

Sorry, the comment form is closed at this time.

NYLON-Freundebuch: Hi, Baby Queen! Previous Post
Tunes X-Mas-Edition: 4 Weihnachtssongs, die Popstars neu interpretiert haben Next Post

Follow us

Username field is empty.