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Musikerin mxmtoon erzählt im Interview, wie sie Herzschmerz, Coming-Out & Mental Issues überstanden hat

Von „Dawn” zu „Dusk”: Bedroom-Popsängerin und TikTok-Sensation mxmtoon veröffentlicht heute ihre neue EP. Im Interview teilt sie ihre Erfahrungen in Sachen Liebe und Mental Health.

„Your internet musician mom” – so beschreibt sich Singer-Songwriterin Maia auf ihrem Instagram-Account. Na, dann ist sie aber definitiv eine der Cool-Moms! Unter dem Namen mxmtoon veröffentlicht Maia seit 2018 Musik. Angefangen hat sie mit ihrem self-released Album „Plum Blossom”, aufgenommen mit ihrem Laptop im Gästezimmer ihrer Eltern. Dabei ist Maias Ukulele immer an ihrer Seite. Zu Beginn ihrer Karriere machte sie sich keine große Hoffnungen, wirklich Musikerin zu werden. Stattdessen wollte sie unbedingt YouTuberin werden. Wie es im Internet aber eben so ist, kommt alles anders als gedacht: mxmtoons Album wird über 100 Millionen Mal gestreamed. Es folgt der Plattenvertrag und das nächste Album „The Masquerade”. Ihre Vlogger-Karriere ist ebenfalls in Erfüllung gegangen, wenn auch auf einer anderen Plattform: Auf TikTok hat mxmtoon mittlerweile über 2,2 Millionen Abonnenten. Wir möchten im Interview herausfinden, was die Online-Sensation offline bewegt und sprechen mit ihr im Video-Call unter anderem über Liebe, Mental Health und ihr Coming-Out.

mxmtoons neue EP „Dusk”  ist ab sofort erhältlich und beleuchtet die Schattenseiten des Lebens

mxmtoons neue EP „Dusk” ist das Gegenstück zu ihrer vorherigen EP „Dawn”: In früheren Songs wollte sie vor allem Optimismus und positive Vibes versprühen. In ihren neuen Songs wird es um einiges deeper: „Dusk” beleuchtet die Schattenseiten des Lebens – Schmerz, Kummer und Trauer. Maia will vermitteln, dass es ok ist, sich Zeit zu nehmen, um solche Erfahrungen zu reflektieren und in Ruhe zu verarbeiten. Sie hat für sich gelernt: Erst die Akzeptanz von beidem – Glück und Trauer – führt zu wahrer Happiness. Wir müssen nicht einfach weiter funktionieren und es muss nicht alles schnell weitergehen. Auch während des Songwriting-Prozesses war die Musikerin gezwungen, einen Gang zurückzuschalten: Einige Songs von „Dusk” schrieb sie in Quarantäne, ganz alleine in ihrem Schlafzimmer – eben so, wie sie damals mit ihrer Musik angefangen hat. Andere Lieder sind als Collabs entstanden, unter anderem mit Hitsängerin Carly Rae Jepsen – und zwar komplett via FaceTime.

Liebe & Coming-Out: mxmtoon spricht über ihre Erfahrungen

Im Song „My Ted Talk” singst du davon, dass du all‘ diese Liebeslieder schreibst und selbst noch nie verliebt warst. Ist das immer noch der Fall?
Ich hatte seitdem eine ernsthafte Beziehung (Anm.d.Red.: Ihr Freund war Grafikdesigner Hunter). Dank ihr habe ich zum ersten Mal wirklich verstanden, was Liebe bedeutet. Dadurch, dass meine EPs so schnell aufeinander folgen, kann man in meiner Musik genau verfolgen, wie die Beziehung zunächst total aufgeblühte und dann aber eben auch geendet hat. Es ist so verrückt, wie dieser Prozess meine Art zu schreiben und Musik zu machen verändert hat. Ich bin gespannt wie die Leute reagieren werden und, ob sie sich jetzt noch mehr mit den Songs connected fühlen, weil ich selbst die Emotionen diesmal viel besser verstehen konnte.

„Liebe ist so viel mehr als nur die Honeymoon-Phase, in der alles rosarot ist. Man muss gemeinsam an einer Beziehung arbeiten.”

Ist Verliebtsein so, wie du es dir immer vorgestellt hast?
Es ist anders und so viel komplizierter. Jemanden anzugucken und dieses besondere Gefühl zu haben… Es geht alles so viel tiefer, als ich es mir vorgestellt hatte. Liebe ist viel mehr als nur die Honeymoon-Phase, in der alles rosarot ist. Manche Menschen sind es Wert, mit ihnen Höhen und eben auch Tiefen durchzumachen. Man muss gemeinsam an einer Beziehung arbeiten und das hat sehr viel mit Vertrauen zu tun. Es ist für mich echt spannend, meine älteren Love-Songs zu hören, weil ich mir daran denke, dass die Dinge so einfach sein könnten wie ich sie aufgeschrieben habe. Mit „Dusk” konzentriere ich mich jetzt viel mehr auf die Dinge, die Liebe so kompliziert machen und warum es manchmal eben nicht funktioniert.

„Wir priorisieren unsere eigene Verliebtheit, weil wir unbedingt mit jemandem zusammen bleiben wollen, obwohl diese Person uns gar nicht mehr gut tut.”

Was erwartest du von deinem Parter oder deiner Partnerin in einer Beziehung?
Ich brauche jemanden an meiner Seite, der gut kommunizieren kann. Das ist mir auch in Freundschaften besonders wichtig: Es sollten Menschen sein, die über ihre Gefühle reden können und nachfragen, was in mir gerade so vorgeht. Die Person sollte für mich transparent sein und mich wirklich an sich heranlassen. Natürlich ist es mir in einer Partnerschaft auch super wichtig, dass er oder sie mich zum Lachen bringt. Das ist einer der besten Nachhaltigkeits-Indikatoren: Wenn man wirklich fröhlich ist, wenn jemand in der Nähe ist. Was man für eine Person fühlt ist wichtig, aber viel wichtiger ist es, dass die Person einen auch gut behandelt. Das vergessen wir manchmal: Wir priorisieren unsere eigene Verliebtheit, weil wir unbedingt mit jemandem zusammen bleiben wollen, obwohl diese Person uns gar nicht mehr gut tut.

Was ist das Romantischste, das jemand für dich gemacht hat?
Am letzten Valentinstag hat mir mein Ex-Freund eine Zeichnung von uns beiden als „Animal Crossing”-Charaktere geschenkt – das haben wir immer zusammen gespielt. Es war echt mega süß und sowas hat vorher noch nie jemand für mich gemacht.

„Ich will meinen Beitrag dazu leisten, Romantik realistischer darzustellen.”

Ich habe das Gefühl, dass viele beliebte Filme und Serien uns eine ziemlich giftige Vorstellung von Liebe vermitteln können. Ich denke da zum Beispiel an „50 Shades of Grey”, „Twilight”, „After Passion”, „Vampire Diaries”… Immer verändert das gute Mädchen den bösen Jungen zum Positiven. Ertappst du dich manchmal dabei, dass du problematische Vorstellungen davon hast, wie Liebe oder eine Beziehung sein sollten?
Total! Ich war schon immer ein absoluter Fan von romantischen TV-Shows und Filmen und bin deshalb mit solchen Idealen aufgewachsen. Das hat mir so viele falsche Vorstellungen davon vermittelt, was Liebe bedeutet und wie eine Beziehung sein sollte. In meinem Hinterkopf wusste ich aber, dass es einfach nicht echt sein kann und habe versucht, mir das immer wieder vor Augen zu führen. Da ich aber weiß, dass eben so viele toxische Idealvorstellungen der Liebe verbreitet werden, versuche ich mit meiner Musik Realität zu vermitteln: Vielleicht musst du gar nicht mit dieser Person zusammen sein oder vielleicht bist du zwar mit dieser Person zusammen, aber es gibt auch Schwachstellen innerhalb eurer Beziehung. Ich will meinen Beitrag dazu leisten, Romantik realistischer darzustellen.

„Menschen, die sich so fühlen, als hätten sie ihre andere Hälfte verloren sage ich, dass sie auch alleine ein Ganzes sind.”

Was rätst du Freunden oder Freundinnen bei Liebeskummer? Wie kamst du selbst darüber hinweg?
Menschen, die sich so fühlen, als hätten sie ihre andere Hälfte verloren sage ich, dass sie auch alleine ein Ganzes sind. Jemand, der dazukommt erhöht den eignen Wert nur und ist nicht der fehlende Teil, um vollständig zu sein. Wir denken ja auch immer schnell: ,Ich werde nie wieder jemanden finden‘. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir jemanden finden ist aber viel höher, als das wir niemanden finden, denn es gibt einfach so viele Menschen mit verschiedenen Seelen, Erfahrungen und Meinungen da draußen. Wir lernen im Laufe des Lebens unzählige Personen kennen, da ist es unmöglich, dass wirklich niemand mit uns zusammen sein möchte.

„Ich war so nervös als ich mich bei meiner Familie als bisexuell geoutet habe.”

Wie war dein Coming-Out? Wann hast du dich dafür entschieden und wie haben die Leute in dem Umfeld reagiert?
Meinen Freunden habe ich es gar nicht erzählt, bis wir alle random angefangen haben darüber zu reden. Wir haben einander gefragt: ‚Warte, du bist bisexuell? Ich auch!‘ (lacht). Meinen Eltern habe ich es im Oktober 2017 gesagt. Ich war so nervös, obwohl ich wusste, dass sie mir nichts schlimmes antun würden, nur weil ich mich als bisexuell oute. Das Verhältnis zu meiner Familie ist sehr eng, deswegen wusste meine Mutter sofort, dass mir etwas auf dem Herzen liegt. Ich erinnere mich daran, wie ich in meinem Zimmer saß und für einen Einstellungstest fürs College gelernt habe, als sie plötzlich in mein Zimmer kam. Sie wollte wissen, was los ist, aber ich habe ihr einfach gesagt, ich bin gestresst vom Lernen. Sie hat mir nicht geglaubt und immer weiter nachgehakt. Dann habe ich losgeheult und ihr gesagt, dass ich bisexuell bin. Ihre Antwort war: ,Aha, und wegen sowas bist du traurig?‘ (lacht). Meine Eltern waren also sehr verständnisvoll. Mein Bruder hat sich vorher ebenfalls als bisexuell geoutet. Ich habe echt Glück, dass ich in einem Umfeld aufwachse, das mich so akzeptiert wie ich bin.

Saisonale Depressionen: So bewahrt sich mxmtoon ihren Optimismus

„Ich leide an SAD, was mich traurigerweise irgendwie auf die Coronazeit vorbereitet hat.”

Unter deinem Musikvideo zu „Seasonal Depression“ hat jemand kommentiert: „Das Lied passt perfekt in Zeiten von Quarantäne und globaler Pandemie“. Du hast dieses Lied vor all diesen Geschehnissen geschrieben. Wie würdest deinen mentalen Zustand damals beschreiben?
Ich habe SAD (Anm.d.Red.: saisonal abhängige Depressionen) und habe damals sehr darunter gelitten, was mich traurigerweise irgendwie auf die Coronazeit vorbereitet hat. Das Gefühl, nicht rausgehen zu können und sich einfach Zuhause zu vergraben ist für mich nicht fremd. Jetzt haben alle einen Einblick erhalten, wie sich das ungefähr anfühlt und das sollte wirklich niemand durchmachen müssen.

„Um nicht in Traurigkeit zu verfallen, konzentriere ich mich auf das Positive und probiere immer wieder neue Sachen aus.”

In einem anderen Interview hast du gesagt: „Ich freue mich auf das Jahr 2020, weil ich ein besseres Gespür dafür habe, wer ich bin, und ich bin bereit, es einfach anzugehen“. Du hattest viele Pläne für dieses Jahr. Wie haben sich deine Ziele in dieser Zeit verändert und welche hast du vielleicht trotzdem erreicht?
Seit diesem Statement hat sich alles geändert und die ganze Welt steht Kopf. Ich versuche aber, mich von meinen gescheiterten Plänen nicht runterziehen zu lassen, sondern mich bewusst darauf einzulassen, die Dinge mal anders anzugehen. Um nicht in Traurigkeit zu verfallen, konzentriere ich mich auf das Positive und probiere immer wieder neue Sachen aus: Ich habe beispielsweise Streams gestartet und viel mehr mit meiner Online-Community kommuniziert. Ich habe mir Gedanken über neue Kreativprojekte gemacht, da ich natürlich nicht auf Tour gehen kann. Alles ist anders, aber ich habe Glück sagen zu können, dass nicht alles schlecht für mich läuft.

Verrat uns bitte zum Schluss einige deiner Quarantäne-Faves!
YouTube: Binging with Babish – Ein Kochkanal. Ich schaue mir die Videos an, koche sie aber nie selbst nach. (lacht)
TikToke: Tabitha Brown – Sie ist vegane Köchin. Wie du siehst, stehe ich auf Food-Videos!
Serie: New Girl” und „The Umbrella Academy
Essen: Ich koche mit meinem Bruder zusammen gerne ein Lachs-Bohnen-Gericht – na ja, ehrlich gesagt schaue ich ihm eher beim Kochen zu. (lacht) Wenn ich tatsächlich selbst koche, dann am liebsten Ravioli.
Outfit: Neben Jogginghosen am liebsten XXL-T-Shirts, z.B. mit einem Gürtel.
Podcast: Reply All” und „How Did This Get Made
Guilty Pleasure: Pflanzen kaufen. Ich habe mir die Außenwelt in mein Zimmer geholt.

Behind the Scenes im Zoom-Interview

Interview: Kristin Roloff, Fotos: Blythe Thomas

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Kristin Roloff
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