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„Ich trinke Kaffee und schreibe Bullshit” – Rapper bbno$ im Interview

Die Songs von bbno$ spiegeln den Vibe der TikTok-Generation wider und erzielen innerhalb weniger Wochen Millionen von Plays auf Spotify. Im Interview spricht er über Viralität, seine Community in Litauen und wie er mit simplen Videos seine Fans für sich gewinnen konnte.

„Man kann echte Fans sofort von falschen unterscheiden, wenn sie mich ,Bobnos‘ oder ,BB No Dollarsign‘ nennen”, erklärt bbno$ im Zoom-Call, als ich ihn danach frage, ob sein Name oft zu Verwirrung führt. „Das Schlimmste, was ich je gehört habe, war Babinos. Ist mein Name denn so schwer? Eigentlich ist die Aussprache seines Künstlernamens ganz einfach: bbno$Baby no Money. Mittlerweile liest sich das Pseudonym des Rappers, der bürgerlich Alexander Gumuchian heißt, fast ironisch. Schließlich ist er mit über 11 Millionen monatlichen Hörer*innen auf Spotify, Tourneen und einer Vielzahl von viralen Songs bestimmt nicht mehr ein Baby ohne Money. Außerdem singt er in seinem Song „mathematics”, dass er eine Millionen an Steuern gezahlt habe. Mit Wortwitz und einem prägnanten Look – rosa Beanie, weißes Tanktop und Brille – mischt bbno$ die Rap-Szene auf. Doch während des Interviews wird deutlich, dass ich heute nicht mit dem Artist bbno$ spreche, der Lines wie „Balls hangin‘ low while I pop a bottle off a yacht” rappt, sondern Alex, der nicht ganz versteht, warum er überhaupt eine Plattform hat.

Foto: Henry Hwu

Es ist der zweite Termin für unser Interview an einem Morgen im August, als sich ein User namens „Big Baby” in den Call schaltet. Den ersten Anlauf musste ich absagen. An dem besagten Tag bekam ich eine iMessage von bbno$, in der er sich rückversichert, dass unser Call verschoben wurde. Ich bin verwirrt. Normalerweise läuft die Kommunikation bei Artists dieser Größe über Musiklabels, Agenturen oder Managements und nicht die Künstler*innen selbst. Auf meine Entschuldigung bekomme ich die Antwort: „Cool all g. No sweat.” Auch bei unserem neuen Interview-Termin scheint wirklich alles cool, denn der Rapper tritt mir im Zoom-Call oben ohne und mit nassen Haaren entgegen. Ich biete an, dass er sich gerne erst noch fertig machen könne und wir den Call um einige Minuten verschieben. Alex aber macht das alles nichts aus und er schaltet zu Anfang einfach die Kamera aus, während er erzählt, dass er gerade in Europa unterwegs ist. Litauen, um genau zu sein. „Ich habe keine Ahnung, warum ich hier Fans habe. Es macht irgendwie Sinn, wegen Social Media, aber irgendwie auch nicht.” Alex kann es selber kaum fassen als er erzählt, dass bei seiner Show gestern etwa sechs Prozent der Einwohner*innen von Vilnius waren. „Und das waren Die-Hard-Fans”, erklärt er weiter. „Wenn ich auf der Bühne stehe, habe ich Ear Plugs im Ohr, also ist es schwierig für mich, die Leute zu hören. Aber angeblich haben alle immer mitgesungen.”

„Also, warum nicht einfach alberne Inhalte machen? Sieht nach wenig Aufwand aus und ist es auch. Wenn du deine Brand auf extrem unaufwendigen Inhalten aufbauen kannst, besonders auf TikTok, gewinnst du.”

Virale TikToks statt Olympia-Gold

Bis zu ausverkauften Konzerten und viralen Hits wie „mememe” oder „Edamame” war es für Alex allerdings ein verworrener Weg. Sein Lebenslauf liest sich wie ein Fanfiction auf Wattpad: Er wuchs in Vancouver (Kanada) auf, wurde zu Hause unterrichtet, bis er 14 war und galt bis zu einer Rückenverletzung als aufstrebendes Schwimm-Talent. Außerdem studierte er Kinesiologie (alternativmedizinisches Diagnose- und Therapieverfahren der Muskeln), bis er 2016 über Nacht in China berühmt wurde. Drei Jahre später folgte dank einem TikTok-Sound auch der internationale Durchbruch mit dem Track „Lalala”, den bbno$ gemeinsam mit dem Produzenten Y2K herausbrachte. Als wir über die Viralität seiner Songs sprechen, merke ich, dass Alex seine Zahlen kennt. Bei mittlerweile sieben Alben, die er innerhalb von vier Jahren herausgebracht hat, kann er immer noch genau sagen, wie welcher Song zu einer bestimmten Zeit performt hat – in Musik-Streams wie auch Videos, die auf TikTok veröffentlicht wurden. Dabei kommt er zu einem realistischen Fazit: „In einer hypothetischen Welt geht alles, was ich veröffentliche, viral. God fucking bless, aber das ist einfach nicht möglich.” Doch das macht Alex nichts aus. Er promotet seine Tracks trotzdem weiter via Social Media mit einer Low-Effort-Einstellung, die sich bezahlt macht. Er springt auf Trends auf, macht sich über sich selbst lustig oder reagiert auf Videos. Natürlich sind die meisten Videos immer mit seinem aktuellen Song unterlegt und haben alle Views im sechsstelligen Bereich. „Also, warum nicht einfach alberne Inhalte machen? Sieht nach wenig Aufwand aus und ist es auch. Wenn du deine Brand auf extrem unaufwendigen Inhalten aufbauen kannst, besonders auf TikTok, gewinnst du.”

Foto: Jack Alexander

Diese relaxed Einstellung gegenüber Medien wie TikTok ist nicht nur zeitsparend, sondern auch ein smarter Move im aktuellen Musik-Business. Heutzutage kommt so gut wie kein*e Künstler*in darum herum, sich via Reel oder TikTok mit den Fans zu connecten. Allerdings wurden in den letzten Monaten einige Stimmen von Artists laut, die darüber berichteten, dass ihre Labels sie dazu zwingen würden, TikTok Content zu produzieren, weil diese Art von Promo am besten funktioniert. Wie bbno$ damit umgeht? In dem er seinen aktuellen Song „touch grass” mit seinem Buddy und ebenfalls viralem Wunderkind Yung Gravy per TikTok und den Worten „label forcing us to post a tiktok to this song” auf der Plattform postet. Er nutzt das, wodurch viele viral gehen: Sich einem Original-Post bedienen und sich durch einen Witz auf eigene Kosten darüber lustig machen. „Ich bin ein Komiker. Ich mache lustige Musik. Ich mache lustige Posts.”, erklärt Alex lachend.

@bbnotiktok #DisneyParksVoices ♬ touch grass (feat. Yung Gravy) – bbno$ & Yung Gravy

Drei Wochen im Koffeein-Rausch

Mit einer gesunden Portion Humor produziert bbno$ auch seine Songs, wie er im Interview erzählt: „Ich gehe einfach ins Studio und mache einen Beat mit einem Produzenten und wenn der mir gut gefällt, rappe ich einfach drauf los. Ich nehme ein Mikrofon und sage einfach einen Haufen Kauderwelsch und manchmal schreibe ich auch ein paar Ideen für Texte. Und wenn eine Idee lustig ist, wie „balls hanging low“ – na ja, scheiß drauf, warum nicht.” Bei diesem Prozess sind bereits Zeilen entstanden wie „Baby so cold, he from the north, he from the Canada” oder „ I’m the type of guy that stays windowshopping at Tiffany’s. I’m the guy that’s always rewatching ,Breakfast at Tiffany’s’” und nun auch der Titel seines neuen Albums „bag or die”. Angelehnt ist dieser an 50 Cents Album „Get rich or die tryin’” und featured neben Single-Auskopplungen wie „Sophisticated”, „I see London, I see France” oder „Mathematics” insgesamt 14 Songs. Die Lyrics versteht man zwar erst beim dritten Hinhören so wirklich, aber dank guter Beats und Rhythmus werden sie trotzdem zu einem Instant-Ohrwurm. „Bag or die” ist bereits das siebte Album des Kanadiers. Über Jahre hat er den Entstehungsprozess soweit optimiert, dass diese LP in nicht mal drei Wochen entstanden ist. Drei dennoch sehr anstrengenden Wochen, wie Alex verrät. „Ich habe in vier Tagen sechs Songs gemacht, die auf dem Album sind. Und das war eine wirklich produktive Woche. Und danach war ich irgendwie ausgebrannt.” Diese intensive Zeit durchzuhalten, war dank ordentlich Koffein möglich, obwohl er den Wachmacher nicht so richtig gut vertragen würde. Alex schließt die Unterhaltung zu seinem Kreativprozess mit einem Satz ab, der auch einer seiner Lyrics sein könnte: „Ich trinke einfach Kaffee und schreibe Bullshit.”

Foto: Jack Alexander

Einen Monat nach unserem Interview erreicht mich eine E-Mail von Alex, in der er sich für den Support bedankt, obwohl er wisse, dass bbno$ eine „weirde Brand” sei. „Das nächste Album ist nur ein weiteres Kapitel bbno$-Brand. Vielleicht ermöglicht es den Leuten zu verstehen, was mein Ethos ist: Qualitätsmusik zu machen und sich auf kreatives Wachstum zu konzentrieren, während ich das Leben nie zu ernst nehme und den Humor in allem finde”, schreibt er weiter. Ehrliche Worte für einen Rapper, dessen Lyrics normalerweise vor Wortwitz triefen. Doch drei Zeilen tiefer findet sich der Satz, der Alex zu seinem humorvollen Charakter zurückbringt. „I’m also eating Vietnamese food rn in Vietnam and it is my fave, so I’m feeling quite happy and blessed lol.”

Headerbild: Henry Hwu

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Miriam Woelke
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