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Comedian Aurel Mertz über seine neue Show und warum Comedy mehr ist, als nur Witze erzählen

Aurel Mertz bringt beruflich Leute zum Lachen und oft auch zum Nachdenken. Im Interview erzählt er uns, wie er Comedy für sich definiert, was seine Red Flags sind und auf welche Meilensteine er gerne zurückschaut.

An einem frühen Mittwochmorgen grinst mir Aurel Mertz aus dem Zoom-Fenster auf meinem Laptop entgegen. Ihm ginge es gut, aber er sei ein bisschen müde. Seine Katze hätte ihn in der Nacht um halb drei geweckt, weil es ihrer Meinung nach Zeit fürs Frühstück war. Für seinen eigenen Frieden sei er dem Wunsch nachgekommen. Obwohl man nach dieser Einleitung und der Art, wie er über seine Katzen auf Social Media spricht, denken könnte, dass Aurel hauptberuflich Cat-Dad sei, ist der gebürtige Stuttgarter für etwas anderes bekannt: Comedy und das auf den verschiedensten medialen Kanälen. Sei es das Instagram Reel, wo er über den „Hafermilchgesellschaft-Kommentar” von Markus Lanz spricht, sein Podcast „Alarma Pyjama” in dem er die neuesten Forschungsergebnisse zum Ötzi teilt oder in der neuen Show „Das große Menschenraten”, wo Aurel sein Gespür für Menschen unter Beweis stellt. Wir haben mit dem Multitalent über Fehlerfreiheit, Katzenliebe und Vorbildfunktion gesprochen.

Foto: Lenny Rothenberg/Space Cabana

Aurel Mertz im NYLON Germany Interview

NYLON: Podcaster, Schauspieler, Moderator, Comedian, dein Portfolio ist lang. Wie würdest du selbst deinen Job definieren?
Aurel Mertz:
Ich sage am liebsten einfach Comedian, denn das sind eigentlich alles Elemente davon. Es geht bei Comedy nicht darum, nur Unterhaltung zu schaffen, sondern auch gesellschaftliche oder traurige Themen so zu verarbeiten, dass die Information unterhaltsamer rübergebracht wird oder in Dingen das Absurde zu finden. Gerade in den USA nehmen Comedians mittlerweile ganz andere Räume ein: Es sind nicht mehr einfach Leute, die auf der Bühne stehen und Witze erzählen, sondern auch Schauspiel, Podcast, Fernsehsendungen und alles Mögliche machen. Das macht auch am meisten Spaß.

Was bedeutet das Wort Comedy für dich?
Den Unterhaltungswert in Dingen zu finden. Auch in den nicht lustigen Themen und darin nach dem Twist zu suchen und Dinge zu abstrahieren. Es hängt viel mit einer speziellen Kreativität zusammen, aber für mich persönlich auch mit der Lebenseinstellung. Ich nehme eine Sache, die vielleicht auf den ersten Blick nicht lustig ist und schaue, was daran absurd ist. Dazu gehört auch, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen, Menschen und Zustände zu beobachten und dahinter noch eine weitere Ebene zu finden, die manchmal auch ganz schön seltsam ist. Am Wochenende war ich in einem Club und da ist mir aufgefallen, wie ernst sich Leute beim Feiern nehmen. Dann stehen da irgendwelche Dudes in pinken Crop Tops und grinsen nicht ein einziges Mal, während sie tanzen. Das ist doch auch wild, oder? Solche Dinge eben. Einfach zu gucken, dass man sich nicht zu ernst nimmt und auch herausfindet, wo wir Menschen uns ein bisschen zu ernst nehmen.

Du hast gerade schon angesprochen, dass du oft aktuelle gesellschaftliche und politische Themen aufgreifst. Es gibt oft die Diskussion, dass Menschen mit großer Reichweite diese für eben solche Themen nutzen sollten. Wie stehst du dazu?
Lange hätte ich das von den Leuten eingefordert, als ich selber noch keine Reichweite hatte. Da habe ich dann diese Idioten gesehen, die sich überhaupt keine Gedanken darüber machen, welche Verantwortung sie haben. Das habe ich dann auch kritisiert. Mittlerweile bin ich der Ansicht, jede*r soll machen wie er*sie will. Jede*r muss irgendwie durch den Tag kommen und den Leuten einen gewissen Eskapismus zu servieren, ist vielleicht auch schon mal was wert. Dadurch werden die Menschen abgelenkt von Dingen, die sie vielleicht belasten. Ich finde es toll, dass ich meine Reichweite auch für Themen nutzen kann, die weniger Aufmerksamkeit bekommen und vielleicht auch irgendwelche Debatten auslösen können. Aber mittlerweile erwarte ich das gar nicht mehr von allen Personen.

 

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Siehst du dich als Vorbild? Überlegst du deshalb zum Beispiel vor einem Tweet oder Video, wie genau du Dinge formulierst?
Wenn ich manchen Menschen glaube, bin ich ein Vorbild, was ich für wahnsinnig halte. Ich würde das den Leuten aber nicht unbedingt nahelegen (lacht). Aber klar, ich überlege mir schon, wie ich Dinge formuliere, damit sich niemand sinnlos verletzt fühlt. Man kann es aber nicht immer ganz umgehen. Wie oft es mir passiert ist, dass Menschen sich von Dingen „provoziert” fühlen, die ich überhaupt nicht auf der Kette hatte. Es liegt einfach daran, dass man seine eigene Perspektive hat und versucht, sich in viele andere hineinzuversetzen, es einem aber nie gelingt, alle gleichzeitig abzudecken. Manchmal sollte man öffentlichen Personen bzw. auch  Personen, die Comedy machen, ein bisschen Verständnis entgegenbringen. Aber es sollte die Grundannahme sein, dass man niemanden grundlos beleidigt.

Foto: Max Motel/Space Cabana

Was waren bis jetzt deine drei wichtigsten Meilensteine in deiner Karriere?
Zuerst meine erste Late Night Show „Boomarama” auf Tele5. Als zweites meine Stand Up Tour „Flawless”. Ich wollte eigentlich vor der Pandemie auf Tour gehen aber musste sie nach dem ersten Stopp abbrechen. Das war ärgerlich. Jetzt war ich mit dem Programm im Juni unterwegs und dann nochmal im November. Ich habe in meinem Leben noch nie so viel Spaß gehabt. Es war einfach cool nach all diesen Jahren, wo man so viel Fernsehen und online gemacht hat, die Leute alle mal zu sehen. Da sind echte Menschen hinter diesen Nummern auf dem Telefon und man hatte das Gefühl, dass es den Leuten auch wirklich großen Spaß macht, da zu sein. Jetzt habe ich meine Firma die „Space Cabana” gegründet und damit unsere erste große Sendung produziert: „Das großen Menschenraten”. Ich habe zwar schon ein paar Fernsehsendungen und andere coole Projekte gemacht, aber sowas mit der eigenen Firma umzusetzen, mit einem zu 100 Prozent selbst zusammengestelltem Team und einer eigenen Idee war etwas, was ich mir immer vorgenommen hatte. Das sind aktuell meine drei Meilensteine. Ändern sich aber auch jeden Tag.

Im Pressetext zum „Das große Menschenraten” wirst du als „selbsternannter Ratebaron” beschrieben. Wie hast du dir diesen Titel erarbeitet?
Blanker Größenwahn, sich den Titel vor der eigentlichen Sendung zu verdienen. Ob ich ihn dann wirklich verdient habe, sieht man dann. Aber es macht einfach Spaß, Menschen einzuschätzen. Oft steht jemand vor dir und man fragt: „Wie alt bist du?” Dann kommt: „Rate mal!” Da habe ich schon meist das Gefühl, dass ich das ganz gut mache. Beim „großen Menschenraten” sind die Spiele aber viel komplexer. Es gibt mehrere Personen, die man versucht, einzuschätzen. Dabei muss man sich immer fragen: Ist das jetzt ein Klischee, was ich denke oder nicht?

Wie genau funktioniert die Sendung?
Wir haben immer fünf Kandidat*innen pro Show, zwei Prominente und mich, die im Menschenraten gegeneinander antreten. Das Ziel ist, dass wir diese fünf Kandidat*innen bis zum Ende der Sendung gut entschlüsseln und viel über sie erfahren. Zum Beispiel wird ein Tagebucheintrag aus der siebten Klasse vorgelesen und wir müssen erraten, zu wem dieser gehört. Es gibt immer fünf Spiele pro Show und am Ende hat man das Gefühl, die Leute ein bisschen kennengelernt zu haben. Das ist im Finalspiel dann wichtig. Die Kandidat*innen und Promis waren alle einfach nette Leute. Das hat echt Spaß mit denen gemacht. So ist eigentlich eine Feel-Good-Show entstanden. Das Spannende bei dem Konzept ist, dass du nicht das Gefühl hast, dass die Leute gejudged werden, sondern dass alle Spaß haben und alle sich wohlfühlen. Das ist uns ziemlich gut gelungen.

Wie bist du auf das Konzept gekommen?
Es gibt wahnsinnig viele Interview-Shows im deutschen Fernsehen, wo die ganze Zeit getalkt, getalkt, getalkt wird. Ich dachte mir, dass das nicht der einzige Weg sein kann, etwas über Menschen zu erfahren. Daher kamen wir auf das Ratekonzept. Es gab auch bisher kein Konzept, was nur darauf basierte, Menschen kennenzulernen und Klischees zu brechen oder auch zu bestätigen. Es war auch eine der ersten Ideen, die ich nach der Firmengründung hatte. Dann haben wir lange Spiele entwickelt und dann stand das Ding. Der SWR und die ARD waren dann ziemlich schnell davon überzeugt, erstaunlicherweise.

Foto: Lenny Rothenberg/Space Cabana

Du hast vorhin schon kurz über deine Stand Up Tour gesprochen. Sie trägt den Titel „Flawless”. Ist das eine Selbsterkenntnis?
Dass ich einfach fehlerfrei bin? (lacht) Ich habe das Gefühl, viele Konflikte in dieser Gesellschaft basieren darauf, dass wir uns alle viel zu ernst nehmen. Es werden gefühlt ganze Kriege auf Basis von Ego geführt. Da ist der Titel natürlich komplett ironisch gemeint. Ich weiß, dass ich in vielerlei Hinsicht ein totaler Idiot bin. Gerade bei Stand Up und Comedy geht es darum, dass du anerkennst, wo deine Fehler sind und sie dann in meinem Fall zum Entertainment anderer aufarbeitest. Viele Leute tun so, als wären sie hoch intellektuell, das ist dann auch das höchste Gut und anderen wird fehlende Bildung unterstellt. Einfach weil alle denken, man müsse fehlerfrei und perfekt sein. Dabei ist es komplett ausgeschlossen, dass irgendjemand in unserer Gesellschaft fehlerfrei ist. Deshalb fand ich „Flawless” irgendwie ganz cool, weil die Leute so tun, als wären sie es. Aber wenn man 100 Minuten auf der Bühne steht und Geschichten aus dem eigenen Leben erzählt, wird relativ schnell klar, dass man es nicht ist.

Hast du sowas wie Red Flags?
Also ich mag Katzen schon arg gerne, das ist merkwürdig.

Für manche ist das eine Red Flag, für andere eine Green Flag. Kommt auf die Person an.
Absolut! Aber ich mein allein, dass man die Öffentlichkeit sucht und denkt: Mein Glück liegt darin, auf Bühnen zu stehen und ins Fernsehen zu gehen. Ich glaube jede*r mit dieser Berufswahl ist schon eine laufende Red Flag. Das zu erkennen, ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Das würde ich mir dann noch zuschreiben. Aber es sollte niemand so Bock haben, in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich kann aber auch nicht viel anders. Was soll ich sonst machen? (lacht)

Was sind deine Green Flags?
Da sind wir wieder bei der Katzenliebe. Ich habe ein gutes Verhältnis zu meiner Familie, weil sie mir wichtig ist. Das ist eine Green Flag für andere, aber auch für mich, glaube ich.

Abschlussfrage: Was hältst du von Hunden bzw. von Hundemenschen?
Ich glaube, wir müssen den Konflikt beenden. Man muss sich gar nicht zwischen Katzen und Hunden entscheiden. Klar, ich habe mich für Katzen entschieden. Aber ehrlich gesagt finde ich alles cool, was pelzig ist. Hunde- und Katzenmenschen werden immer gegeneinander ausgespielt. Dabei müssen wir eigentlich zusammenstehen, für das Tierwohl. Also es macht keinen Sinn, sich gegeneinander aufzuhetzen.

Headerbild: Lenny Rothenberg/Space Cabana

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Miriam Woelke
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