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Eine Collage der drei Musikerinnen Cary, Jolle und Mariybu von 356 xx Records

Tabus brechen im Hip-Hop: Cary, Jolle und Mariybu über Depressionen und persönliche Struggles

Irgendwo zwischen Hip-Hop, Rap und Hyper-Pop, brechen diese drei Musikerinnen Tabus und reden offen über mentale Gesundheit und ihre ganz persönlichen Struggles. Zusammen mit Dr. Martens haben wir Cary, Jolle und Mariybu beim Reeperbahn Festival getroffen und über Depressionen, Wut und Hoffnung gesprochen.

Wenn jemand zeigen kann, dass Verletzlichkeit keine Schwäche ist, dann sind es diese drei up-and-coming Künstlerinnen. Cary, Jolle und Mariybu sind zwar im Stil und musikalisch sehr unterschiedlich, aber eines vereint sie: Sie alle brechen Tabus. In ihren Songs sprechen sie über schwere Themen, legen ihre Gefühlswelten offen, zeigen sich stark und mutig, aber eben auch sensibel. Beim Reeperbahn Festival bringt ihr Label – 365 XX Records – die drei zusammen auf die Dr. Martens Stage und zum ersten Mal lernten sich die Künstlerinnen persönlich kennen.

Auf dieser Bühne und auch hinter den Kulissen fand zusammen, was zusammen gehört. Dr. Martens unterstützt seit über 60 Jahren Subkulturen der Musikszene und hat im Reeperbahn Festival einen wichtigen Partner gefunden. So wie auch das all female Hip-Hop-Label 365 XX Records, verfolgen sie alle das gleiche Ziel: marginalisierte Communities in der Musikbranche fördern. Repräsentation ist für viele Künstler*innen eine Herausforderung. Mit einem feministischen und queeren Label kann mehr Visibilität für FLINTA Artists geschaffen werden und diversen Musiker*innen eine Bühne geboten werden.

Die Sängerin Cary aus Leipzig wusste schon immer, dass sie Musik machen will. Ihre Songs, in denen sie Depressionen, familiäre Auseinandersetzungen und alles zwischen Wut, Trauer und Vergebung verarbeitet, entstehen immer am Klavier. Tiefgreifenden Lyrics verpackt Cary in einem Mix aus Pop und Elektro. In diesem Jahr erschien ihre zweite EP „Lauf“ und einer ihrer emotionalsten Singles „Seitenstreifen“, in dem sie den Konflikt mit ihrem Vater thematisiert.

Jolle hat ihre Stimme schon verschiedensten Werbespots, Kampagnen und Dokumentationen geliehen. Und seit circa zwei Jahren bahnt sich die Hamburgerin ihren Weg in die Musik. Mir ihrem ganz eigenen Stil – einer Mischung aus Hip-Hop, Pop und Indie – erzählt die Musikerin was in ihr vorgeht, wonach sie sich sehnt und mit welchen Struggles sie zu kämpfen hat. Noch im November diesen Jahres erscheint ihre Debüt-EP „Diffus“.

Wenn man Mariybus Songs hört, wird schnell klar, wofür diese junge Musikerin kämpft. Mariybu is here to smash the patriarchy. Sie zeigt sich mutig und stark, nennt sich selbst eine „Politschlampe“ und spricht offen über ihre Sexualität. Dabei lässt sie genug Raum für Emotionalität und Verletzlichkeit. Ihr Album „Slaybae“ erschien dieses Jahr und zeigt wo sich Mariybu wohl fühlt: Zwischen Hyper-Pop und querfeministischen Themen.

Let’s talk about Taboos!

Ist es euch wichtig mit eurer Musik Tabus zu brechen?

Welche Tabus wollt ihr brechen?
Cary: Ich möchte das Tabu brechen, dass wir immer allen vorgaukeln, dass es uns gut geht. Wenn ich gefragt werde, wie es mir geht, muss ich fünf mal überlegen, ob ich jetzt sagen kann, wie es mir wirklich geht. Ich möchte ehrlich sein können und ich möchte, dass wir uns mehr Zeit nehmen für unser Miteinander.
Jolle: Ich spreche viel über das „Tabu“-Thema mentale Gesundheit. Ich struggle schon mein ganzes Leben damit und habe immer versucht so normal wie möglich zu sein, oder zumindest so zu wirken. Ich habe mich sehr schnell sehr schlecht gefühlt, wenn ich nicht so funktioniert habe, wie ich es gern hätte.  Das hat alles nur noch schlimmer gemacht. Deswegen ist es mir wichtig, vielleicht andere Menschen dazu zu motivieren oder inspirieren, nicht zu hart zu sich selbst zu sein.
Mariybu: In meinem letzten Album und auch in meiner aktuellen EP geht es darum, gerne viel Sex mit verschiedenen Personen zu haben. Gerade als Frau ist das immer noch ein Tabu. Deswegen ist es mir wichtig, darüber zu reden, was es bedeutet, consensual und selbstbestimmten Sex zu haben.

Ihr alle sprecht offen über Depressionen – Hilft euch Musik im Umgang mit diesem Thema?
Cary: Fluch und Segen als Musikerin ist es, mit den eigenen Songs über schmerzvolle Themen nachzudenken. Es ist ein bisschen wie Therapie. Aber genau das hilft mir, weiter zu machen, denn ich merke genau das bringt mir und auch anderen was. Darüber zu reden ist niemals umsonst.
Jolle: Ja, sehr! Ich bin froh, dass ich das loswerden kann. Beim Schreiben von meinem Song „Schwarzes Wasser“ mit meinem Freund Morten, hatte ich zum Beispiel ein ganz spezielles Gefühl – wir sind dem Ganzen auf den Grund gegangen und haben uns fast schon selbst therapiert. Ich höre meine eigene Musik zwar nicht, aber wenn es mir mal schlecht geht, bringt mich dieser Song wieder zu diesem Moment und tut mir total gut.
Mariybu: Auf jeden Fall hilft mir das. Musik ist für mich ein bisschen wie Therapie. Wenn ich einen Song über ein schweres Thema schreibe und ich ihn mir noch einmal anhöre, dann ist das fast so, als wenn meine große Schwester mit mir spricht und mir hilft, eine andere Perspektive auf die Situation zu bekommen. Und selbst Partysongs helfen mir, weil ich dadurch dann gute Laune bekomme oder mich selbst empowern kann.

Was gibt euch die Kraft dazu, Tabus zu brechen?
Cary: Das ist die Hoffnung, dass wir irgendwann alle über diese Themen reden können, ganz offen und natürlich.
Jolle: Oft ist es wirklich schwer. Aber auch wenn man etwas sehr persönliches preisgibt und sich damit vielleicht auch angreifbar macht, ist es mir mega viel Wert. Je mehr ich darüber spreche, merke ich, dass sich sehr viele Menschen damit identifizieren können und mir auch ihre Struggles erzählen. Dieses Feedback und der Austausch mit anderen gibt mir die Kraft weiterzumachen.
Mariybu: Ich glaube, die größte Kraft gibt mir meine Wut. Ich bin so sauer, dass ich mich so lange in meinem Leben so schlecht dafür gefühlt habe, wie ich bin. Wut ist ein super Motor, um sich da hin zu stellen und zu sagen „Fuck You!“, ich bin gut so, wie ich bin.

Cary: Kleid von Lauramo by Laura Kettek
Jolle: T-Shirt von Habibi You Know

Wie geht ihr mit Kritik um?
Cary: Ich finde konstruktive Kritik etwas sehr Wertvolles. Mich spornt es an und ich wachse daran. Aber es braucht mindestens genauso viel Lob. Das ist super wichtig.
Jolle: Ich habe noch gar nicht so viel Kritik bekommen, das kommt bestimmt noch (lacht). Aber wenn mich jemand dafür kritisiert, dass ich meine Gefühlszustände öffentlich mache, dann geh halt. Da habe ich kein Verständnis für.
Mariybu: Mit Kritik versuche ich meistens humorvoll umzugehen. Aus Nachrichten, die ich von irgendwelchen beleidigten Männer-Egos bekomme, mache ich oft witzige Reels daraus. Aber zum Beispiel letztes Jahr wurde ich in Leipzig auf der Bühne angegriffen und verprügelt. Das war total krass. Wenn es nicht nur verbale, sondern auch körperliche Gewalt ist, habe ich da auch Angst vor. Mittlerweile achte ich darauf, dass ich bei Auftritten gesonderten Schutz bekomme und meine Bühnen bewacht werden. Und wenn es mir auf Social Media mal zu viel wird, schalte ich mein Handy für ein paar Tage aus, einfach um mich zu schützen.

Welche Künstler*innen, die vermeintliche Tabus brechen inspirieren euch?
Cary: Ganz klar Amy Winehouse. Sie ist ein Riesen Vorbild für mich, weil sie so unglaublich offen über ihre Struggles gesprochen hat.
Jolle: Das sind einmal natürlich die Girls von meinem Label. Das sind alles absolute Süß-Mäuse und die haben alle inhaltlich so wertvolle Texte, dass ich mich total abgeholt fühle. Aber auch Paula Hartmann ist jemand, die mich sehr glücklich macht, weil sie auch öffentlich über Ängste, Struggles und Unsicherheiten spricht.
Mariybu: Wer mich schon super lange begleitet und inspiriert ist Ashnikko. Ich liebe ihre Visuals, Texte und ihre Art, wie sie performt und ihre Interviews. Nura ist auch eine Person, die mich schon sehr lange inspiriert – schon zu SXTN-Zeiten. Vor kurzem war ich zum ersten Mal auf einem Yung FSK18 Konzert und ich liebe es total, wie offen sie über Sex spricht und wie sie sich auf der Bühne bewegt.

Warum habt ihr euch für 365 XX Records, ein all female Hip-Hop-Label entschieden?
Cary: Es ist das beste Label für mich, weil ich einfach ich sein kann. Und weil wir super sweet miteinander kommunizieren und trotzdem sehr professionell arbeiten.
Jolle: Ich habe das erste Mal von dem Label gehört, als ich noch ganz aktiv bei Viva con Agua gearbeitet habe – die sind ja in einem ähnlichen soziopolitischen Kontext unterwegs – und ich fand das Konzept einfach großartig. Als es dann darum ging, ein Label zu finden, standen die natürlich ganz oben auf meiner Liste.
Mariybu: Ich habe den 365 fe*male MCs Blog selbst ganz lange verfolgt und bin unter anderem dadurch zur Musik gekommen. Der Blog ist von Lina Burghausen, die auch das Label 365 XX Records gegründet hat – das ist für mich total der Full Circle Moment. Dass es all female Artists sind, ist super empowernd und es ist sehr inspirierend, von so vielen FLINTA*s umgeben zu sein.

Bezahlte Kooperation mit Dr. Martens

Fotos: Nikko Hunt | Dr. Martens

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Laura Grübler
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