Darin liegt ihre Superpower: Shameless Maya verrät, wie sie Scham gegen Freiheit getauscht hat
Shameless – in your face! Das ist Künstlerin Maya Washington, auf YouTube startete sie das Experiment „Shameless Maya“ auf YouTube. Für unsere akteulle Shameless-Ausgabe war sie also die perfekte Expertin. Am Erscheinungstag feierte sie 8 Jahre Schamlosigkeit – und wir mit ihr zusammen.
Wer sich als YouTuberin und Creator selbst den Künstlernamen „Shameless Maya“ gibt, darf in unserer aktuellen Shameless-Ausgabe auf gar keinen Fall fehlen. Sie ist bekannt für ihre Ehrlichkeit und dafür, wirklich alles mit ihren mehreren Millionen Followern auf Instagram, Twitter, YouTube & Co. zu teilen. Aber ist Schamlosigkeit überhaupt etwas, nach dem es sich lohnt zu streben?
Nach der Lebenskrise kommt das Projekt „Schamlosigkeit”
„Was würde passieren, wenn ich mich 365 Tage lang schamlos promoten würde?“ Dieser simplen, aber auch mutigen Frage entsprang Mayas heutiges Leben. Mit 30 Jahren steckte sie in einer Lebenskrise, hatte wenig zu verlieren und war wahrscheinlich auch deswegen gewillt, (fast) alles auszuprobieren. Wenig später lud sie ihr erstes „Shameless Maya“-Video auf YouTube hoch und redete einfach drauflos. Heute, sieben Jahre später, liegt die Antwort auf ihre Frage eigentlich auf der Hand: Durch schamlose Selbstpromo wurde sie zum absoluten YouTube-Superstar.
Strumpfhose von Falke, Shirt: Vintage
Aus 365 Tagen wurden also gut 2.500, und trotzdem gibt es immer noch jeden zweiten Sonntag im Monat ein neues „Shameless Maya“-Video für ihre mehr als 1,1 Millionen Subscriber. Die Themen sind Maya nämlich genauso wenig ausgegangen wie die Scham, wie sie uns im Interview nach unserem „All Female“-Mode-Shooting verrät: „Als ich dieses Experiment begann, schämte ich mich, mich anderen zu zeigen und online zu sein. Jetzt nicht mehr. Ich habe offen über meinen Herzschmerz gesprochen, meine geschäftlichen Fails, meine Schulden, einfach alles! Bereiche meines Lebens, die mich mit Scham erfüllen, offen anzusprechen und mit fremden Menschen zu teilen ist irgendwie normal geworden.“
Mayas nächstes Experiment wird offline stattfinden, dessen Ergebnis sich aber sicherlich als Erzählung in einem ihrer Videos wiederfinden. „Ich will die Scham in meinem Liebesleben anpacken und mir toxische Verhaltensweisen austreiben.“ Die neue Aufgabe hat sie sich gesetzt, um möglichst woke in die Ehe zu starten, denn Maya ist frisch verlobt (mit einem Wahlberliner). Sie geht das Thema Ehe sehr sachlich und methodisch an. Es ginge ihr darum zu erforschen, wer Maya eigentlich im Kern sei. Ohne jegliche Filter von sozialer Konditionierung. „Jetzt stelle ich alles infrage: meine Welt, meine Realität. Ich will erforschen, wo ich bestimmte Verhaltensweisen gelernt und Konditionierungen erfahren habe und warum ich ihnen immer noch folge. Soll ich sie loslassen oder soll ich sie behalten? Das ist ein ewiger Battle.“
Links: Anzug von Lala Berlin, Schuhe von Patrick Cox (Vintage); Rechts: Robe von Atelier Runmaker
Derartig vor Lebensenergie sprudelnd und easy going, wie wir sie während des Interviews erleben, so real kommt sie auch bei YouTube rüber. Ein paar BTS-Eindrücke unserer Produktion bekommt ihr im „I got engaged in Berlin“-Video zu sehen. Man merkt sofort: Diese Frau feiert alles Kreative. So bringt sie auch zu unserem Shooting gute Laune, Bock auf außergewöhnliche Mode und eine Vision mit – okay und einen riesigen Teppich als Backdrop. Bei ihren Clips hat man grundsätzlich das angenehme Gefühl, sich mit einer Freundin zu unterhalten, die einem gleichzeitig ihr schweres Herz ausschüttet, während sie das eigene in einer tighten Umarmung hält. Das sind nicht einfach bloß Rants der Rants wegen. Das ist seelisches Cleansing.
„Als mich jemand aus dem Team von Prince kontaktierte [um ihn zu fotografieren], dachte ich zuerst, das sei ein Scherz.“
Und zwar merklich für sie, aber eben auch für einen selbst als Zuschauer*in. Da ist keine Fakeness, da existiert kein Filter. Sie lässt ihren Gefühlen freien Lauf. Mal kullert eine zarte Träne aus dem Nichts, wie beispielsweise in einem Video über ihre einjährige Zusammenarbeit mit Prince, das sie kurz nach dessen Tod hochlädt – emotional und schön. Darin lacht sie auch sanft, wenn sie an die verrückten Tage in Paisley Park zurückdenkt, und strahlt wie ein Honigkuchenpferd, während sie stolz von den Fotos erzählt, die sie für sein Album „Art Official Age“ von ihm schoss. „Ich dachte erst, es sei ein Scherz, als mich jemand aus seinem Team kontaktierte“, erinnert sie sich im Video. Wenig später übernimmt sie die Art Direction für das komplette Album. Schamlos, diese Maya.
Anzug von Lala Berlin
Ob sie sich manchmal für ihre Schamlosigkeit schäme, wollen wir wissen. Ganz im Gegenteil, so die Künstlerin: „Meiner Meinung nach ist Schamlosigkeit eine Superpower – eine, die jede*r lernen kann und die auch ich mir erst aneignen musste. Als Kanadierin bin ich so erzogen worden, immer höflich und nett zu sein; mich ständig zu entschuldigen, auch wenn ich nichts falsch gemacht habe. Das ist zwar freundlich, aber manchmal komplett unnötig. Ich habe gelernt, das loszulassen.“ Nett ist eben manchmal auch einfach nur der kleine Bruder von sch…, ihr wisst schon.
Aus Neid wird Inspiration: Was wir von schamlosen Menschen lernen können
Und gerade in der schaffenden Kunst sei ein dickes Fell das beste Tool, so Maya weiter. „Aktuell arbeite ich auch in einem gemeinsamen Künstlerraum, ,Con Artist‘, und bin von vielen talentierten Künstler*innen umgeben. Wir haben alle Angst und Scham, unsere Arbeit zu teilen, darüber zu sprechen und sie zu fördern. Und die meisten von uns sind neidisch auf diejenigen, die selbstsicher sind, ihre Arbeiten nicht überkritisch betrachten und für ihren Erfolg einstehen. Heute sehe ich diese Menschen als Inspiration und weiß diese Menschen für ihre Toughness und Schamlosigkeit zu schätzen. Sich diese Attitüde anzueignen ist nicht einfach.“
Rechts: Kleid von Balenciaga über Night Boutique Berlin
Frage dich nicht nur, was passieren würde, wenn du schamloser leben würdest, trau dich!
Schamlosigkeit muss nichts mit Überheblichkeit oder Egozentrik zu tun haben, sondern vielmehr mit Selbstermächtigung und mit innerem Wachstum. Ganz zum Schluss bitten wir Maya, uns einen ihrer Pep-Talks zu geben. Wow, was sie mal eben so aus dem Ärmel schüttelt: „Hab den Mut, dich deinen Ängsten und deiner Scham zu stellen. Hab keine Angst vor Arbeit an dir selbst. Frage dich nicht nur, was passieren würde, wenn du schamloser leben würdest, trau dich! Tu das, was du willst, und nicht das, was dich vermeintlich ,einen Schritt weiter‘ bringt. Lass los, was du weißt, und lerne, was du nicht weißt. Das Gleichgewicht wird dich von ganz allein finden.“ Amen.
Robe von Atelier Runmaker, Strumpfhose von Falke, Schuhe: Maya's own
Fotos: Agatha Powa
Styling: Olive Duran
Haare: Fily
Make-up: Eszter Magyar
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