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„Ich bin bereit, die deutsche Tanz-Community aufzumischen” – Wie Tänzerin Jouana Samia für mehr positive Vibes sorgt

Für die Choreographin und Tänzerin Jouana Samia gehen Tanzen und innere Balance Hand in Hand. In Workshops lehrt sie ihre Community nicht nur in Tanz, sondern in Selbstbewusstsein und positiven Vibes. Was sie dabei antreibt, verrät sie uns beim Force For Change Event von Nike in Berlin.

Die Tänzerin und Choreographin Jouana Samia hat ihre Antworten fast schon vorbereitet. Nicht, weil sie auf Nummer sicher gehen will, nicht, weil sie keine Lust auf unser Gespräch hätte und schon gar nicht, weil sie nicht etwa ausführliche Antworten geben könnte. Im Gegenteil: Schnell könnte man mit Jouana in einen philosophischen Talk über Emotionen, Positivity und menschliches Miteinander abdriften. Dass die Tänzerin so manchen Satz schon prepared hat, liegt schlichtweg an ihrem eigenen Job. Seit Wochen tourt Jouana mit ihrer Workshop-Crew „The Company” durch Deutschland, um junge Tänzer*innen nicht nur Choreos beizubringen, sondern auch in emotionalen Schritten zu stärken. Ihre Workshops beinhalten Panel Talks, Diskussionen und die emotionale Auseinandersetzung mit eigenen Konflikten. Beim Nike Force For Change Event rund um den Air Force 1 Shadow sprechen wir mit Jouana über ihre Gemeinschaft, die sie pflegt wie eine echte Familie – vom mentalen Step bis zur tatsächlichen Choreo.

Du hast dir durch deinen Tanz eine eigene Community geschaffen, mit der du auch auf Insta aktiv in Kontakt bist. Wie erhältst du dir diese Gemeinschaft?
Ich habe vor drei Jahren meine Tanzcrew „The Company“ ins Leben gerufen. Am Anfang war das nur eine Idee für junge Mädels, die sich zum Training treffen, aber ich habe schnell gemerkt, dass wir unser Trainingspensum ändern müssen. Deshalb haben mein Team und ich angefangen, Workshops zu veranstalten. Wir luden Künstler aus aller Welt nach Deutschland ein und unsere Community wurde immer größer. „Company” bedeutet übersetzt schließlich Gemeinschaft. In der jetzigen Community möchten wir uns auf Nachwuchs konzentrieren, weil nicht genug Training in neue Generationen gesteckt wird. Erstens ist das harte Arbeit und zweitens braucht man Nachwuchs, der diszipliniert und ehrgeizig genug ist und wirklich Lust hat, sich zu verbessern. Auf unserer Tour durch Deutschland haben wir deshalb versucht, neben dem Tanzen unsere Werte zu vermitteln. Es geht darum, dass wir uns gegenseitig unterstützen und einander Liebe zeigen müssen. Unsere Familie wird immer größer und es ist schön, die „Mami” zu sein.


Better together: Auch für Voguing-Pro LaQuèfa St. Laurent steht die Community im Vordergrund. Was er über den Status Quo der deutschen Ballroom-Szene denkt und mit welchen Projekten er queeren Geflüchteten deutschlandweit hilft, lest ihr hier

Hast du das Gefühl, eine neue Generation selbstbewusster Tänzer*innen anzuführen und in der Gesellschaft etwas zu verändern?
Wir sprechen zu den Herzen der Menschen und nicht nur zu den tanzenden Körpern – dadurch können wir etwas in der Community verändern. Die Girls und Boys müssen ihre Knoten und Ängste lösen und herausfinden, warum sie Gefühle wie Missgunst und Neid fühlen. Indem wir unangenehme Themen ansprechen und Konflikte lösen, fangen sie an, freier zu tanzen und gewinnen Vertrauen zu uns. Mir selbst gibt das wiederum Antrieb und Motivation. Ich bin bereit dafür, die deutsche Tanz-Community im positiven Sinne aufzumischen.

Positivity beginnt damit, sich mit sich selbst zu beschäftigen

Du stehst also für Positivität – wie lässt die sich im Tanz auch ohne Worte ausdrücken?
Es beginnt damit, sich zuerst einmal ausführlich mit sich selbst zu beschäftigen. Man muss sich kennenlernen und lieben, um überhaupt etwas zum Ausdruck zu bringen zu können. Gerade in einer Generation von Social Media, die auf Instagram in einer großen Vergleichsgesellschaft lebt, haben wir krasse Konflikte mit uns selbst. Wir haben Konflikte damit, auf der Bühne zu stehen und perfekt zu sein, weil alle uns vorschreiben, wie wir auszusehen haben, gekleidet sein müssen oder welche Figur wir haben müssen. Wenn du aber als Einzelne*r anfängst, einen gewissen Grad an Respekt für dich selbst zu haben, kannst du genau das auch easy im Tanz ausdrücken.

Hast du durch das Tanzen auch gelernt, deine sinnliche Seite als Frau mehr auszuleben?
Ehrlich gesagt hat das ziemlich lange gedauert. Ich kam aus der urbanen Szene und mir war es wichtig, richtig cool und nicht zu feminin zu sein. Als ich dann im Ballettstudio war und sich im Jazz alles darum drehte, super sexy zu tanzen, war das wirklich schwierig für mich. Zu der Zeit hatte ich aber ebenso große Probleme mit mir selbst. Heutzutage ist es für mich etwas Besonderes, die „Vorteile” einer Frau im Tanzen zum Ausdruck bringen zu können, weil ich zu hundert Prozent das weibliche Dasein lebe. Ich kann meine Weiblichkeit sehr gut in Szene setzen.

#NotJustADancer: Warum sich Jouanas Kunst nicht nur aufs Tanzen beschränkt

Du hast auf Instagram zuletzt auch deine ersten Gedichte veröffentlicht und darunter #notjustadancer gesetzt. Hast du durch Tanzen gelernt, deine Kreativität auch auf anderem Wege auszuleben?
Nach meinem Abi habe ich mich entschlossen, Journalismus zu studieren, weil ich schon immer gern geschrieben habe. Dann grätschte das Tanzen dazwischen und ich musste mich entscheiden: Will ich Journalistin oder Tänzerin sein? Journalistin kann ich auch noch mit 40 werden, aber in dem Alter als Tänzerin anfangen? Schwierig. Mit dem Schreiben habe ich habe ich erst mal im Geheimen angefangen, weil ich mir nicht sicher war, wie gut ich bin. Dieses Jahr aber kamen einige ziemlich dunkle Monate auf mich zu – man trifft in der Community eben auch auf viele Menschen, die einem etwas nicht gönnen und ich habe lange gebraucht, das zu verstehen. Schreiben hat mir geholfen, gewisse Situationen zu verarbeiten. Das tut das Tanzen auch, aber manchmal sitzt du eben zuhause auf dem Bett und stehst nicht auf und fängst an zu tanzen. Für mich war klar: Nimm’ dir deinen Laptop und tipp los. Dadurch ist eine versteckte Leidenschaft fürs Schreiben entstanden, die ich auf jeden fall weiter ausleben werde. Da kommt noch was!

Mit welchem Gefühl möchtest du die Menschen, die dich tanzen sehen, zurücklassen?
Wenn ich unterrichte, eine Choreographie für eine Show plane oder Menschen mich als Tänzerin kennenlernen, möchte ich nicht diejenige sein, eine Choreo tanzt, nach Hause geht und bezahlt wird. Auf unserer Tour haben wir deswegen den Paneltalk hinzugefügt. Ich möchte, dass Schüler wissen, wer ich bin, warum und wofür ich das hier tue, und woher meine Motivation kommt. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass der Weg hierher nicht einfach war. Daraus habe ich aber so viel Kraft gewonnen, dass ich jetzt meine Energie an andere Menschen weitergeben kann. Ich möchte, dass die Welt weiß, dass Tanzen nur mein Tool ist, um meine Werte zu vermitteln. Mein eigentliches Ziel ist es, mein Umfeld zu verbessern, und dass mein Umfeld wiederum sein Umfeld verbessert – sodass ein positiver Kreislauf entsteht.

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Robin Micha
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