Razr, ich vermisse dich: Warum ich mein coolstes Klapphandy gern mehr geliebt hätte
Pünktlich zu Weihnachten feiert ein legendäres Handy-Modell der 2000er sein Revival: Das Motorola Razr kehrt auf den Markt zurück. Ich habe das ikonische Klapphandy selbst besessen – aber niemals wirklich wertgeschätzt. Warum ich mein Razr noch heute vermisse und die Neuauflage trotzdem keine Option ist: Eine Entschuldigung.
Liebes Razr,
jetzt bist du wieder da. Und doch siehst du so anders aus. Du bist nun größer, schwarz, und kostest schlappe 1.500 US-Dollar. Jetzt gibt’s dich nur in Verbindung mit dem US-Funkanbieter Verizon. Razr, du könntest mir gerade nicht ferner sein. Aber trotzdem vermisse ich dich. Oder zumindest das von dir, was ich mal kannte.
Es war irgendwann in den 2000ern und ich war im Urlaub, mein Teenager-Dasein hatte noch nicht mal richtig angefangen. Vielleicht hatte ich an diesem Tag Geburtstag. Meine Eltern haben mir jedenfalls dich geschenkt, wohl weil ich als verwöhntes Einzelkind zu Beginn meiner Teenie-Phase zu einem hohen Verschleiß an (gebrauchten) Mobiltelefonen neigte. Also lagst du da in meinen Händen, mit matt poliertem, grauen Gehäuse, kleinem Display auf der Frontseite und silbernen, abgerundeten Tasten auf der Innenseite. Du warst eines der flachsten und schönsten Handys, die ich jemals besitzen sollte. Nur wusste ich das nicht.
Wie bei jedem neuen Handy habe ich schnell meine Kontakte in dir eingespeichert, habe verpixelte, freiwillig und unfreiwillig verschwommene Fotos von jeder Person in meinem Umfeld geschossen und alle deine Klingeltöne ausprobiert. Von der Furcht, versehentlich auf deine Internet-Taste zu tippen, ganz zu schweigen. Motorola Razr, du und ich waren so verbunden, wie es ein jeder Teenager im Zeitalter pre-iPhone mit dem eigenen Handy war.
Irgendwie dachte ich damals, du wärest einfach ein ganz normales Handy. Wie naiv von mir. Unterschätzt habe ich sie, liebes Razr, deine Bedeutung für die weltweite Popkultur. Ich hatte keine Ahnung, dass du in deiner pinken Version zum liebsten Tech-Accessoire von Paris Hilton aufsteigen würdest. Ich wusste nicht, dass du in Serien, Filmen, Musikvideos und Reality-TV legendäre Momente für dich verbuchen solltest. Natürlich wusste ich von deiner dramatischen Kraft, ein Telefonat oder eine Diskussion mit einem schnellen Zuklappen beenden zu können. Davon habe ich in meiner Erinnerung selbstverständlich Gebrauch gemacht. Ich dachte aber eben, dieser Effekt wäre die normale Eigenschaft eines Klapphandys. Dass du DAS Flip-Phone aller Flip-Phones werden würdest, liebes Razr, das habe ich nicht geahnt.
So sieht das neue Razr aus: Mit Model Sita Abellan bei der Premiere in L.A. und auf Produktfotos. (Erstes Bild: Getty Images für Motorola, weitere Bilder: Motorola, alle via NYLON.com)
Also habe ich das getan, was vermutlich zu den schlimmsten Taten meines jungen Ichs zählt: Als es zwischen uns langweilig wurde, habe ich dich nach einer gewissen Zeit weiterverschenkt. Zuerst an meinen Vater. Dann landetest du irgendwann in der Schublade meiner Oma, Nutzungsfrequenz maximal einmal pro Woche. Zu diesem Zeitpunkt war deine Zeit auf dem Big Screen zwar schon vorbei und ich will meine telefonierende Granny nicht disrespecten – aber diesen Abgang hattest du nicht verdient. Jahre später, als sich deine pinken und goldenen Geschwister im Schaufenster zu Niedrigpreisen in Handy-Shops meiner Heimatstadt wiederfanden, wurde mir klar, wie tief du gefallen warst. Und trotzdem musste ich jedes Mal in dieses Schaufenster gucken, um mich an dich zu erinnern. Aber darüber hinaus fand ich dich nie wieder.
Am 26. Dezember erscheint in den USA nun eine neue Version von dir. Schon vor drei Jahren gab’s Gerüchte um ein Comeback. Jetzt bist du wieder da, aber ohne Tasten, sondern mit Touchscreen auf der Innenseite. Aus deinem kleinen Körper wird beim Aufklappen ein lebensgroßes Smartphone, nur eben mit großem Lautsprecher an der Unterkante. Dass das komisch aussieht, brauch ich dir nicht zu sagen, Razr. Genauso wie deine zugeklappte Form oder die Möglichkeit, mit ihr ein Selfie machen zu können. Dazu noch dein Preis! Ja, du hast vielleicht einen emotionalen Wert, aber 1.500 Dollar würde ich vermutlich nicht mal in ein neues (und leider so viel besser abgestimmteres) Smartphone investieren.
Vielleicht ist es gerade deshalb so gut, dass du nicht in deiner alten Form zurückkommst. Wenn ich dich schon damals nicht wertgeschätzt habe – wie soll ich das dann jetzt tun, wo sich die Anforderungen an ein Handy doch so sehr geändert haben? So viele Telefonate muss ich dann doch nicht mit dem dramatischen Flip beenden.
Aber es gibt Hoffnung für uns, Motorola Razr. Meine Freunde und ich haben zu Schulzeiten einen Plan geschmiedet, dass wir uns eine alte Version von dir kaufen und – sollten wir aus unerfindlichen Gründen mal abtauchen müssen – dich als geheimes Handy zu benutzen. Vielleicht ist es nicht die schlaueste Taktik, das hier bekannt zu geben. Aber ich tue es, um dir zu sagen: Es tut mir Leid, dass ich dich verleugnet habe, Razr. Wenn dieser Moment kommt, sind wir wieder vereint.
Titelbild: Jun Sato/Wireimage/Getty Images via NYLON.com
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