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Jill Soloway über ihre neue Serie
,I love Dick‘

In der Amazon-Serie ‚I love Dick’ geht es vor allem um den weiblichen Blickwinkel auf Sex. Wir haben Produzentin Jill Soloway zum Interview getroffen.

Text: Kristin Iversen

Als die Schöpferin von Transparent, Jill Soloway, letztes Jahr den Emmy als beste Regisseurin gewann, nutzte sie die Bühne für ihre ganz persönliche Botschaft: „Stürzt das Patriarchat!“

Zu diesem Zeitpunkt schien es, als sei Soloways Maxime tatsächlich möglich. Die USA wähnten sich kurz davor, ihre erste weibliche Präsidentin ins Amt zu wählen. Ein paar Monate später ist Trump etwas länger als 100 Tage neuer Präsident und das Patriarchat scheint mächtiger denn je zuvor. Doch, ungeachtet dieser mitunter sehr unbarmherzigen Zeiten, wird plötzlich provokante Kunst zunehmend wichtiger.

Anders gesagt, es gibt keinen besseren Zeitpunkt, um Soloways Adaption von Chris Kraus’ I love Dick anzuschauen, eine revolutionäre Novelle über ein verheiratetes Paar (Kathryn Hahn und Griffin Dunne), das sich in eine Affäre mit einem charismatischen männlichen Professor (Kevin Bacon) verstrickt. I love Dick feierte kürzlich auf Amazon Premiere und soll an die Bedürfnisse von Frauen – und aller unterdrückten Menschen – erinnern, die ihre eigene Geschichte unter individuellen Bedingungen erzählen. Im Vorfeld der Premiere haben wir uns mit Soloway getroffen.

Wann ist Ihnen I love Dick zum ersten Mal begegnet?
Im The New Yorker gab es einen Artikel über Chris Kraus, den Sarah Gubbins (die das Drehbuch zu I love Dick geschrieben hat) mir geschickt hat. Aufgrund unseres Alters hatten Sarah und ich das Buch im College verpasst. Es gibt offenbar eine Menge Leute einer jüngeren Generation, die das Buch als eine Art Erleuchtung empfunden haben, aber Sarah und ich waren total verblüfft. „Kannst du dir vorstellen, dass es ein Buch gibt, dass I love Dick heißt und wir haben noch nie davon gehört? Und wer ist überhaupt dieser Chris Kraus?“ Wir lasen es beide und wir liebten es – und dann entwickelte Sara ein Fernsehformat daraus.

Wie haben Sie sich angenähert? Welche Aspekte der Erzählung wurden auf das TV-Format übertragen?
Ich wollte eine Dreiecks-Liebesgeschichte, in der ein Mann und eine Frau beide gleichermaßen von einem anderen Mann besessen sind, in der ein Ehemann zu seiner Frau sagt: „Erzähl’ mir mehr, das ist heiß.“ Für mich war das ein Wow-Erlebnis, so etwas hatte ich davor noch niemals im Fernsehen oder im Kino gesehen. Mein Hauptaugenmerk richtete ich im Verlauf des Projekts darauf, diese Balance zu halten. Wir sprechen von einer wirklich unkonventionellen Liebesgeschichte, die das Potential hat, dass wir uns immer tiefer hinein verstricken. Jedes Mal, wenn man sich erneut auf das Dreieck einlässt, verwickelt man sich auch weiter in gewisse Probleme – ziemlich perfekte Voraussetzungen für eine TV-Serie.

Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, Sie erzählen die Geschichte aus einem weiblichen Blickwinkel?
Ehrlich gesagt weiß ich kaum, was der weibliche Blickwinkel ist und so kann ich auch nicht unbedingt behaupten „Dies oder jenes ist der weibliche Blick.“ Jedes Mal wenn ich versuche, die Dinge beim Namen zu nennen, werde ich gleich darauf festgelegt. Die inflationäre Idee einer Art Stigmatisierung nach dem Motto „Ich bin dieses und du bist jenes“ kann eine Kamera immer bedienen – einfach in dem man etwas Bestimmtes anschaut und benennt oder bewertet. Na klar, manchmal denke ich, der weibliche Blick ist x, y oder z, dann wieder denke ich, nein, die Kamera ist doch männlich. Dieser Impuls, Dinge zu fixieren oder zu determinieren kommt dem männlichen Wunsch gleich, dem Publikum zu signalisieren: „Los, schaut euch das an so wie ich es sehe.“
Typisch für den weiblichen Blickwinkel wiederum ist, dass die Kamera eher ein Gefühl, einen Wunsch oder ein Bedürfnis repräsentiert – vor allem die der weiblichen Protagonistin – mit dem Ziel kommunizieren zu wollen, wie es sich anfühlt, wenn man angeschaut wird, Gefühle und Emotionen einzufangen, anstatt mit erhobenem Zeigefinger zu sagen: „So sollst du dich fühlen. Jetzt mach dies. Dann tu jenes.“

Ihre Arbeit erfüllt definitiv den Zweck, das Patriarchat zu stürzen, es ist schwer sich vorzustellen wie sich das in Wirklichkeit anfühlt anstatt nur in der Kunst. Können Sie sich ein post-patriarchales Amerika vorstellen?

Ja das kann ich und mitunter hilft mir diese Vorstellung dabei, jeden Tag aufs Neue wach zu werden. Ich schaue mir einen Typen wie Trump an, der vor weniger als zwei Jahren vielleicht noch gedacht hat, er könne niemals Präsident werden. Anstatt mich also herabgewürdigt zu fühlen, weil er gewählt wurde, bedeutet das vielmehr dass auch ich Präsidentin sein könnte. Dass Oprah Präsidentin sein könnte. Jeder kann alles sein. Vielleicht sollte Amy Schumer Präsidentin sein. Es bedeutet, dass alles möglich ist. Und ich stelle mir ein feminin geprägtes Weißes Haus vor – oder sogar ein ‚queeres’ Weißes Haus. Ich hoffe, dass ich noch lange genug lebe, um zu erfahren, wie sich die Welt dann anfühlen wird.

Nylon
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