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5 queere Designer*innen erzählen, wie sie erfolgreich wurden und sich trotzdem treu bleiben

Kann man die Balance zwischen Kreativität und Kommerz halten? Diese 5 queeren Designer*innen haben ihren Weg dafür gefunden – auch, wenn er nicht immer leicht war. Hier erzählen sie, wie sich trotz Marginalisierung in Identität und Design treu bleiben und warum das große Geld oft gar nicht das Ziel ist.

Es ist kein Geheimnis, dass Mode ständig im Wettbewerb steht und gleichzeitig eine ziemlich elitäre Branche sein kann. Trotz des stetig wachsenden Angebots von Top-Modeschulen und neuen Marken auf der ganzen Welt werden die Ansprüche höher und die Chancen immer geringer. Für marginalisierte Menschen, die ihre eigene kreative Vision einbringen wollen, ist das Fenster zum Erfolg noch kleiner. Die Schönheitsstandards in der Mode sind über Jahrzehnte hinweg peinlich starr und veraltet geblieben, und obwohl Wandel stattfindet, geht er schmerzlich langsam vonstatten. Und während sich unser Verständnis von Geschlecht, Gender und Sexualität erweitert, stehen junge queere Designer*innen heute vor einer einzigartigen Reihe von Herausforderungen, um ihre Identität zu etablieren. Hier sprechen wir mit fünf motivierten, jungen queeren Designer*innen darüber, wie sie sich in der Mode zurechtfinden und ihrer Identität treu bleiben.

AL SANDIMIROVA, Founder von AUTOMIC GOLD

Foto: Automatic Gold

Was hat dich inspiriert, eine Design-Karriere zu verfolgen und ein Label auf die Beine zu stellen?
AI: Ich bin sehr arm aufgewachsen – konnte mir nicht mal leisten, Lebensmittel oder Toilettenpapier zu kaufen. Mode war für mich immer ein Weg, um zu entkommen, von einer besseren Zeit zu träumen und meinen dadurch Status zu zeigen, wie ich meine Kreativität und nicht meine Ressourcen einsetze. Ich erinnere mich daran, wie ich als Teenager Kleidung aus alten Schuluniformen machte und dabei Weiblichkeit und Männlichkeit auf meine besondere Art und Weise verband, wodurch ich mich wohl und selbstbewusst fühlte.

Wie bleibst du dir selbst treu und hältst gleichzeitig dem Druck der Kommerzialisierung stand?
AI: Indem ich auf das Geld ,meiner‘ Kund*innen höre. Ich liebe es, mit Kund*innen zu sprechen, und ich liebe es, spezifische Bestellungen anzufertigen. Ich frage sie, was sie möchten, wie viel sie bereit sind auszugeben und lasse dann meiner Kreativität freien Lauf! Auf diese Weise kann ich ein Gefühl dafür bekommen, was meine Kund*innen mögen und sich leisten können. Und das ist die Grundlage all meiner zukünftigen Entwürfe.

Was rätst du jungen unabhängigen Designer*innen, um sich in der Modewelt zurechtzufinden?
AI: Seid bereit, nicht ernst genommen zu werden! Nein, wirklich nicht. Wenn du kein weißer heterosexueller Cis-Mann bist, wirst du als unabhängige*r Designer*in nicht ernst genommen. Je mehr man marginalisiert ist, desto schwieriger wird es. Ich werde als gender-nonconforming Frau gelesen und bin ich nicht nur Frauenfeindlichkeit ausgesetzt, sondern auch der Homo- und Transphobie. Es ist niederschmetternd, wenn mir nicht die gleichen Türen offen stehen, nur weil ich bin, wer ich bin. Aber es gibt mir auch einen Anstoß, allen das Gegenteil zu beweisen.

JORDI PHI, Creative Director von RADIMO LA

Foto: Soraya Zaman

Was hat dich inspiriert, eine Design-Karriere zu verfolgen?
JP: Die Entdeckung des binären Gender-Systems war eine große Lektion, die ich als Kind gelernt habe – und dass es bestimmte Styles gab, die ich nicht tragen kann. Wenn ich es tat, gab es Leute, die mich anders behandelten, weil ich bei meiner Geburt als männlich kategorisiert wurde. Das Aufbrechen der Binärform trieb mich dazu, Design zu verfolgen.

Wie bleibst du dir selbst treu und hältst gleichzeitig dem Druck der Kommerzialisierung stand?
JP: Ich habe in meiner Karriere definitiv viele Kompromisse gemacht. Hauptsächlich wegen des Überlebens und finanzieller Notwendigkeit. Dass ich meinen eigenen Stil priorisiert habe, also wie ich mich täglich ausdrücke und präsentiere, hat den Maßstab dafür gesetzt hat, wie ich mich der Welt in der Mode- und Unterhaltungsindustrie präsentiere, denke ich. Wenn man Trends setzt, findet man sich oft in kommerziellen Moodboards wieder. Ich versuche nur, dafür bezahlt zu werden.

Welchen Rat gibst du jungen unabhängigen Designer*innen, die sich in der Modewelt zurechtzufinden wollen?JP: Findet eure Leidenschaft. Indem ihr euren Weg oder die Richtung erkennt, die ihr infrage stellen wollt, entwickelt ihr eine starke Entschlossenheit, die unerschütterlich ist. Ich denke, man braucht einen starken kreativen Faden, um sich durch diese Branche zu weben, besonders wenn man non-conforming, Schwarz, queer oder eine Indigenous Person of Color ist. Setzt die Trends – mir gelingt das am besten, indem ich meine Wahrheit und meine Ausdrucksform lebe. Ich beschreite jeden Tag wie auf einem Laufsteg.

Patrick Church, Founder des gleichnamigen Labels

Foto: Josh Cadogan via Patrick Church

Was hat dich inspiriert, eine Design-Karriere zu verfolgen und ein Label auf die Beine zu stellen?
PC: Die Ermutigung meines Ehemanns hat mich definitiv dazu inspiriert. Bevor ich ihn traf, betrachtete ich mich nur als Künstler. Ich wurde immer von glamourösen Menschen inspiriert. Im Nachhinein betrachtet, war das, was ich für glamourös hielt, wohl ganz schön „camp“!

Wie hältst dem Druck der Kommerzialisierung stand und bleibst dir gleichzeitig selbst treu?
PC: Ich schätze, ich habe keine Angst vor dem Scheitern. Ich habe angefangen, Kleider zu malen, weil ich etwas Besonderes anziehen wollte, und das ist die gleiche Mentalität, die ich heutzutage habe. Ich würde nicht etwas schaffen wollen, das ich nicht tragen würde. Ich denke, selbstsüchtig zu kreieren und mich an meine Ästhetik und meinen Instinkt zu halten, ist eine der stärksten Seiten meiner Marke: Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt, tue ich es nicht.

Welchen Rat gibst du jungen unabhängigen Designer*innen, die sich in der Modewelt zurechtzufinden wollen?
PC: Dem Internet gehört die Zukunft. Vergewissert euch, dass ihr eine starke Ästhetik habt und macht euch keine Sorgen um Massenproduktion. Konzentriert euch lieber auf einen kleinen Markt und bleibt euch selbst treu.

TAZIA CIRA, Founder von XYST UGLI

Foto: Tazia Zira

Was hat dich inspiriert, eine Design-Karriere zu verfolgen und ein Label auf die Beine zu stellen?
TC: Für mich war Design zuerst eine Methode des Protests. Ich begann mit der Produktion von Kleidung während meiner Highschool-Zeit, mitten im Sumpf von Unterdrückung durch Lehrer und Verwaltung. Meinem stark sozial ängstlichen Ich wurde klar: Indem ich tragbare politische Kunstwerke herstellte, konnte ich Ideen normalisieren, von denen ich wollte, dass die Community um mich herum sie glaubt. Mir wurden auch die globalen Auswirkungen von Fast Fashion bewusster (abgesehen von der Heuchelei von „Empowerment”-Marken, die ihre Arbeiter *innen nicht angemessen bezahlen).  Also fing ich an, Kleidung herzustellen, die nur aus Secondhand-Läden oder ethisch vertretbarer Produktion stammt.

Wie hältst dem Druck der Kommerzialisierung stand und bleibst dir dennoch selbst treu?
TC: Es ist Ihnen ERLAUBT, in beiden Welten zu existieren, denn leider schwebt nun mal nicht jede*r auf einem Treuhandfonds durch die Stratosphäre. Selbst für mich als jemand, der mit jedem bezahlten Stück wieder Hilfe praktiziert (ich spende einen Teil der Einnahmen direkt an Bedürftige), gibt es immer noch dieses nagende Gefühl ein „Sell Out”, ein Auslaufmodell zu sein –  nur weil Leute mich für meine Arbeit bezahlen. Zu akzeptieren, dass es in Ordnung ist, mit meiner Arbeit Geld zu verdienen und sich nicht schuldig zu fühlen, hat mir geholfen, ein wirkliches Gleichgewicht zu finden.

Was rätst du jungen unabhängigen Designer*innen, um sich in der Modewelt zurechtzufinden?
TC: Lasst euch von den Leuten für eure Arbeit bezahlen. Sich unter Wert zu verkaufen projiziert eure eigene Annahme, betrügerisch zu handeln, auf die Leute, die euch unterstützen wollen. Das ist ihnen gegenüber nicht fair. Ihr müsst auch nicht mit den gleichen Terror-Methoden des sogenannten Fast-Fashion-Systems arbeiten, um Erfolg zu haben. Es ist in Ordnung, Grenzen zu setzen, es verändert unsere Gesellschaft zum Besseren.

SKY CUBACUB, FOUNDER von Rebirth Garments

Foto: Grace Duval via Rebirth Garments

Was hat dich inspiriert, eine Design-Karriere zu verfolgen und ein Label zu gründen?
SC: Ich habe mich immer gerne verkleidet. Meine Eltern waren beide Künstler, und ich glaube, meine Mutter hat erkannt, dass Kleidung und Selbstdarstellung sehr wichtig für mich waren. Die Leute ärgerten sich, wenn ich mich auch nur ein bisschen ausserhalb des „Gewöhnlichen” (westlichen Idealen) kleidete, aber die Lektion ist, dass man selbst oder ein Verbündeter für das einstehen sollte, was man anziehen will. Es ist wichtig, sich selbst auszudrücken und Raum einzunehmen als eine Person, die mehrfach marginalisiert ist. Seitdem liebe ich es, mit diesem Konzept herumzuspielen.

Wie bleibst du dir selbst treu und hältst gleichzeitig dem Druck der Kommerzialisierung stand?
SC: Ich bin nicht daran interessiert, kommerziell zu sein. Mein Unternehmen soll klein bleiben. Ich habe keine hohen allgemeine Kosten; ich habe das Privileg, mit viel Flexibilität hauptsächlich das zu tun, was ich mit meinem Business machen will. Ich schaue mir nichts von an, was die Modeindustrie so tut, weil es mich normalerweise nur wütend macht, wie sehr sie feststeckt.

Welchen Rat gibst du jungen unabhängigen Designer*innen, die sich in der Modewelt zurechtzufinden wollen?SC: Haltet euch nicht an überholte Standards. Kleidung ist ein starkes politisches Instrument, mit dem ihr echte Veränderung in der Welt herbeiführen könnt. Wir brauchen nicht noch mehr Marken, die sich nur auf weiße, dünne, große, cis-gender, heterosexuelle Frauen konzentrieren; das ist so overdone. Ich hasse es aber, wenn Leute sagen, dass alles schon einmal gemacht wurde oder nichts mehr eine neue Idee ist. Es gibt Berge von Dingen, die noch für Menschen mit Behinderung, fat Folx und trans* Menchen gemacht werden müssen – also macht euch an die Arbeit!

Text: Jeena Sharma // Headerbild: Soraya Zaman // Bilder via NYLON.com

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