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Von Beyoncé-Videos zu „Queen & Slim“: Melina Matsoukas über die Bildwelt ihres Kino-Debüts

Eigentlich gehört Melina Matsoukas zu den lebenden Legenden des Musikvideos. Nachdem sie für Beyoncé, Rihanna, Solange, Lady Gaga und Co gearbeitet hat, feiert sie mit „Queen & Slim” jetzt aber ihr Debüt im Kino. Uns beschreibt Melina in 5 Fragen die visuelle Kraft des Films.

In einer der kraftvollsten Szenen von Melina Matsoukas‘ Kino-Drama „Queen & Slim“ tanzen die gleichnamigen Hauptfiguren in einem Club. Sie sind auf der Flucht vor der Polizei, werden als „Schwarze Bonnie und Clyde“ quer durch die USA gejagt. Zuvor haben sie einen Polizisten erschossen. Er hatte sie rassistisch diskriminiert, wie es (nicht nur in den USA) an der Tagesordnung ist. Es war Notwehr. Jetzt also sind Queen und Slim also auf der Flucht. In diesem Club, dort wo sie tanzen, da sind sie jedoch sicher, werden erkannt, von den anderen Schwarzen Gästen und Besitzern dennoch nicht verpfiffen. Sie tanzen. In einem Voice-Over schildert die Figur der Queen dabei ihre Gedanken zu einer perfekten Partnerschaft. Sie spricht über Liebe.

Melina Matsoukas: Schmetternde Bilder im Sekundentakt

Es ist eine Szene, wie man sie aus einem Musikvideo kennen könnte. Visuell jedenfalls ist sie mindestens genauso eindrucksvoll. Verdanken haben Zuschauer das der Regisseurin Melina Matsoukas. Sie gehört in den USA zu den relevantesten Musikvideo-Regisseurinnen ihrer Zeit und hat durch Arbeit mit Künstlerinnen von Rihanna bis Lady Gaga und Solange die visuelle Musiksprache der letzten Dekade geprägt. Der bisher größte Coup gelang ihr mit dem ikonischen Video zu Beyoncés „Formation“. Melina Matsoukas Bilder erzählen in Sekundentakt monumentale Geschichten. Die Regisseurin weiß, wie man nur mit einem erhaschten Blick schmetternde Eindrücke schaffen kann. „Queen & Slim“ ist ihr Debüt im großen Kinofilm, der soziale Missstände und Rassismus in den USA anspricht und gleichzeitig die Ästhetik eines Musikvideos fortführt. Warum Dialog und Musik beim Dreh wie der „Guss auf der Torte” sind, verrät Melina Matsoukas in fünf Fragen am Telefon.

Während Queen und Slim im Club tanzen, beschreibt Queen im Voiceover, was für einen Partner sie sich wünscht: Jemanden, der nicht ihre Wunden pflegt, sondern ihre Hand dabei hält, wenn sie es selbst tut. Wie habt du und Drehbuchautorin Lena Waithe diese Szene geschaffen?
Eigentlich stammt Queens Zitat aus der nachfolgenden Szene. Darin haben sie und Slim ein Gespräch im Auto – einige Teile der Szene dürften auch noch im Film erhalten sein. Ursprünglich sagt Queen diese Sätze also auch im Auto. Schon vor dem Editing-Prozess wusste ich aber, dass sich diese Tanzszene so anfühlen sollte: Zwei Personen leben in einer Blase und schaffen eine tiefe Verbindung miteinander. Ich wusste, dass sie tanzen und sich in den Augen, Blicken und Ideen des Anderen verlieren würden. Als es dann wirklich ans Editing ging, sollte die Szene nicht mehr so linear wirken. Ich wollte, dass Zuschauer sich in diesem Moment genau wie Queen fühlen: Was geht in ihrem Kopf vor, was denkt sie? Lena hatte diese Szene so wunderschön poetisch geschrieben, dass ich dachte: Oh wow, lass uns Queens Worte aus der folgenden Szene über das Tanzen legen.

Ist die Verbindung von wörtlicher Poesie und Visuals etwas, dass du jetzt aus deiner jahrzehntelangen Konzeption von Musikvideos auf Film überträgst?
So habe ich darüber noch nie nachgedacht! Aber ja, ich habe definitiv Musikvideos gedreht, in denen ich ein Voiceover benutze, um Zuschauer noch mehr in die Perspektive der Performer zu versetzen. Vielleicht ist das mein Stil.

„Queen & Slim” wurde vor allem für seine starken Bilder und seinen Style gelobt. Wie erzählt man eine Geschichte rein visuell, wenn keine Musik mehr im Hintergrund spielt und es stellenweise keinen Dialog gibt?
Jede Entscheidung, die man für einen einzelnen Filmframe trifft, hat einen Hintergrund, eine Geschichte. Die Charaktere, die Schauspieler*innen, wie sie sich gerade fühlen, wer sie sind. Ich liebe es, eine Geschichte zu erzählen, ohne von Dialog oder Musik abhängig zu sein. Ich mag, dass allein Visuals bei uns Gefühle auslösen können. Sie sind unsere allererste Interpretation einer Geschichte. Wenn der Dialog dazukommt, ist dass wie der „Guss auf der Torte”. Für Queen und Slim hat es eine besondere Bedeutung, wohin sie reisen, wie diese Welt aussieht, genauer, wie sie für diese Beiden aussieht. Wenn sie auf neue Figuren treffen, erleben wir diesen Moment mit Queen und Slim. Allein dadurch, wie das Zuhause der neuen Figuren aussieht oder wie sie sich bewegen wissen wir, was sie für Menschen sind.

Du hast darauf bestanden, mit analogem Film zu drehen. Wie trägt das zum (visuellen) Vermächtnis dieses Films bei?
Analogfilm gibt dem Ganzen eine Seele. Ich arbeite am besten, wenn ich analog drehe. Ich bin mit Analogfilm aufgewachsen und habe meine Karriere an der Filmschule damit gestartet. Digitale Aufnahmen fühlen sich für mich an, als ob man etwas hinterher jagt – nämlich, dass es dann doch aussieht wie analog gedreht. Analogfilm hat eine Art „natürliche Seele“, bei der Entwicklung findet ja buchstäblich eine chemische Reaktion statt.


Foto & Titelbild: Gilian Garcia

Welche Filme und Musikvideos haben einen nachhaltigen Eindruck bei dir hinterlassen, insbesondere im Bezug auf dieses Regiedebüt?
Zuerst „Belly” von Hype Williams, dem Vater des modernen Black Cinema. Hype kommt selbst aus der Welt des Musikvideos. Dann ist da noch „In The Mood for Love“: Ich liebe diesen Film und seine unglaubliche Leidenschaft. Er schafft es meisterhaft, „Mise en Scène” oder Artdirektion einzusetzen, um eine Geschichte zu erzählen. Das Musical „West Side Story” war ebenfalls eine große Inspiration, es war einer der Lieblingsfilme meines Vaters. In einer Szene sieht Tony Maria in der Sporthalle; das Filmteam hat hier einen ziemlich alten Filter benutzt, der alle weiteren Figuren aus dem Fokus verschwinden lässt. Auch Tony und Maria sind wie in einer Blase. Mit Queen und Slim habe ich auf andere Art und Weise versucht, dieses Gefühl zu kreieren. Noch ein Film wäre „Love & Basketball” – einer meiner absoluten Lieblingsfilme! Ich habe ihn schon so häufig gesehen; die Verbindung zwischen den Hauptfiguren ist unglaublich. Sie erzählt die Geschichte der Beiden durch Sport – für damals eine ziemlich moderne Weise, die mich als Künstlerin stark beeinflusst hat.

Schwarz meint hier nicht die Beschreibung einer biologischen Eigenschaft oder Hautfarbe, sondern die Selbstbezeichnung Schwarzer Menschen im politischen Sinne und im Bezug auf gemeinsame Rassismuserfahrungen und von Rassismus beeinflusste gesellschaftliche Position. Unter anderem aus diesem Grund wird Schwarz oft mit großem „S” geschrieben. Mehr dazu im Glossar für diskriminierungssensible Sprache von Amnesty International.

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