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Ich masturbiere für den Job – und das habe ich daraus über Sex gelernt

Eine Zeit lang testete die Autorin dieses Textes beruflich Sex Tyos. Und die verraten euch viel mehr über eure sexuelle Lust als ihr denkt – auch in Beziehungen.

Wenn ihr professionell masturbiert, gibt es Orgasmen für den Job, und es gibt Orgasmen nur für euch. Meine Orgasmen für mich waren ziemlich uninspiriert. Bevor ich vor ein paar Jahren anfing, Sex-Toys testen zu wollen (meistens anonym), wollte ich manchmal fünfmal am Tag masturbieren (danke, Selbständigkeit!). Aber viel öfter habe ich es einfach vergessen. Ich war nie kreativ, nie raffiniert: Mach fertig, hab eine schöne Zeit, und weiter geht’s mit dem Leben. Aber so kann man keine Sex-Toys testen. Das professionelle Testen von Sex-Spielzeug – selbst wenn’s nur gelegentlich ist – erfordert ein wenig mehr Aufmerksamkeit und verlangt einen weitaus eifrigeren Zeitplan. Es verlangt Wiederholung und Ausdauer. Es verlangt eine hohe Frequenz. Wenn ich es nur getan hätte, wenn mir danach war, hätte ich es überhaupt nicht machen können.


Illustration: Danielle Moalem/Foto: Getty Images via NYLON.com

Masturbation zum Sex-Toys testen: Orgasmustendenz steigend

Aber ich habe etwas beobachtet: Je mehr ich für den Job masturbiere, desto mehr masturbiere ich. Punkt. Ich bemerke, wenn ich geil werde, dass meine Aufmerksamkeit am helllichten Tag zu meinem Vibrator wandert und ich danach greife. Ich sehne mich viel häufiger nach Sex mit Partnern – sowohl ausgedehnte Sessions als auch Badezimmer-Quickies. Auch während depressiven oder stressigen Phasen, die normalerweise meine Lust auf Sex bremsen: Wenn ich Sex-Toys rezensiere, will ich Sex. Und das scheint nur zu passieren, wenn sich ganz schön viel Sex-Spielzeug angesammelt hat, das ich testen muss. Reguläre Masturbation oder Sex scheinen für mich nicht denselben Effekt zu haben. Und das bringt mich zur Frage: Wie genau funktionieren meine Gelüste? „Die meisten Leute neigen dazu zu denken, dass es nur eine Art von Lust gibt und dass diese nur spontane Lust ist“, erklärt Sextherapeutin Vanessa Marin. Spontane Lust entsteht plötzlich. In der einen Minute sitzt ihr einfach nur dort, in der nächsten bekommt ihr so viel Lust auf Sex, dass ihr eure*n Partner*in packt und zusammen zum nächsten Bett, Sofa oder Boden rennt. Es geschieht aus dem Nichts: Es ist einfach, es ist direkt – und es passiert vor allem Männern.

„Die meisten Menschen glauben, dass sexuelles Verlangen im Allgemeinen so funktioniert, wie wir es vom männlichen Verlangen erwarten: Man hat es, mit einer gewissen Häufigkeit, unabhängig davon, was um einen herum passiert. Doch realistisch betrachtet, haben manche Leute mehr spontanes Verlangen als andere“, fügt Dr. Liz Powell hinzu, eine sexpositive Psychologin. „Statistisch und von einem Forschungsansatz betrachtet, der keine trans* Menschen beinhaltet, neigen Frauen eher zu reagierendem Verlangen als Männer.“

Meine Lust funktioniert anders, als ich dachte

Reagierendes Verlangen ist weniger erotisiert und eher ein Teil weiblicher Erfahrung. Es tritt als Reaktion auf einen Sex-Reiz auf, der bereits in Gang gesetzt wurde. Das kann eine Fantasie sein, das Beobachten anderer Menschen, die intim miteinander werden sowie während des Sex mit dem Partner oder mit sich selbst. „Es ist eine ziemlich überwältigende Erkenntnis für Menschen, wenn sie realisieren: Oh, es gibt zwei verschiedene Wege, wie Lust funktionieren kann. Ich bin nicht defekt, ich bin keine Person mit gering ausgeprägten Trieben. Meine Gelüste funktionieren einfach nur anders als ich dachte“, so Vanessa Marin. (Für eine noch überwältigendere Erkenntnis lest Dr. Emily Nagoskis Buch „Come As You Are“. Eine essentielle Lektüre, die sich vor allem auf Sex-Mechanismen für Frauen konzentriert, die aber auch für Menschen anderer Gender funktionieren.)

„Beobachtet doch einfach mal, welche Phase des Geschlechtsverkehrs euch am meisten Spaß macht. Ist es der Mittelteil oder der Schluss, könnte es sein, dass ihr auch eher reaktiv Lust verspürt.”

Die Spannungskurve des Sex

Ich habe gelernt, dass meine Lust eher reaktiv ist, weil ich für den Job Orgasmen haben muss und mir das gefällt. Wenn ihr euch nicht ganz so glücklich schätzen könnt wie ich, beobachtet doch einfach mal, welche Phase des Geschlechtsverkehrs euch am meisten Spaß macht. Ist es der Mittelteil oder der Schluss, könnte es sein, dass ihr auch eher reaktiv Lust verspürt. „Wenn ihr sagt: ,Ja, ich genieße es vor allem gegen Ende’, müst ihr die Art und Weise ändern, wie ihr Sex habt. So, dass ihr die ganze Zeit über Spaß habt, nicht nur am Schluss“, erklärt Marin.

Und das gilt auch für Beziehungen. Zu Beginn mag sich unser Begehren noch anders anfühlen. „Oftmals erleben Menschen, die eher zu reaktivem Verlangen neigen, am Anfang einer Beziehung mehr spontane Lust. Dann nämlich, wenn die Botenstoffe im Gehirn, die mit der Energie einer frischen Verliebtheit verbunden sind, am höchsten sind. (Anmerkung der Redaktion: Im Englischen wird diese anfängliche Verliebtheit als ‚New Relationship Energy’  bezeichnet)“, so Liz Powell. Mit der Zeit verblasst die spontane Lust, wodurch häufig das Gefühl entsteht, die Libidos würden nicht zusammen passen. Und das wiederum schafft Konflikte.

Mehr Sex-Verständnis für Partner*innen

So können im Laufe der Zeit die unterschiedlichen Arten von Begierden zu Problemen führen – nicht wegen der Begierde selbst, sondern wegen des Mangels an Verständnis. „Oft wollen wir, dass unser*e Partner*innen auf die gleiche Weise reagiert, wie wir es tun. Wenn wir also spontan Lust empfinden, kann es sich wie eine Ablehnung anfühlen, wenn unser*e Partner*innen nicht auch spontan in exakt diesem Moment Lust auf uns verspüren“, erklärt Marin. Stattdessen sollten wir unsere Vorstellung überdenken, wie Sex funktioniert. „Unser*e Partner*innen muss nicht auf genau dieselbe Weise, in genau demselben Augenblick wie wir reagieren, damit beide intim werden können. Das muss kein Hindernis sein. Es bedeutet einfach nur, dass Sie Ihre Herangehensweise etwas ändern.“

Menschen mit eher reaktiven, sexuellen Verhaltensmustern, die öfter Lust erleben wollen, rät Marin: „Konzentriert euch darauf, eurem Leben mehr Stimuli zu geben. Gebt eurem Körper etwas, auf das er reagieren kann und eurem Gehirn etwas, nach dem es sich sehnen kann.“

Raum geben, intim werden

Ihr könnt Sex auch anders beginnen, indem ihr eurer Lust den Raum gebt, sich langsam zu entfalten anstatt zu erwarten, dass sie auf Befehl erscheint. Fragt nicht „Will ich Sex haben?“, wenn euer*eure Partner*in eindeutige Anstalten macht, sondern lieber: „Bin ich offen für Sex?“ Das kann ein Weg sein, um zu sehen, ob ihr Lust auf Sex habt, ohne zu versuchen, es zu erzwingen. „Gebt euch etwas mehr Raum, um mit eurer*eurem Partner*in intim zu werden. Nehmt Kontakt auf, und seid neugierig, ob eure Lust wirklich zum Vorschein kommt. Das ist etwas, das ich nur mit einem*einer festen Partner*in tun würde, dem ich vertraue. Nicht mit jemandem Willkürlichen, durch den man sich gedrängt fühlt, intim sein müssen“, so Marin weiter. Masturbation kann ebenfalls die Lust beeinflussen, wie ich herausgefunden habe. „Für manche Leute mit reaktivem Verlangen könnte Masturbieren im Allgemeinen – oder auch ein Zeitplan regelmäßiger Masturbation – helfen, mehr Lust mit ihrem*ihrer Partnerin zu erfahren“, ergänzt Liz Powell. Ihr könnt auch versuchen, vor dem Sex zu masturbieren, um langsam in Fahrt zu kommen – allein, vor dem*der Partner*in oder zusammen. Das Wichtigste ist aber, egal ob reaktiv oder spontan: Eure Lust ist normal. „Es ist kein Problem. Es bedeutet nicht, dass ihr wenig Lust habt. Eure Lust kommt einfach nur zu einer anderen Zeit und auf eine andere Art und Weise zum Vorschein als ihr dachtet. Aber sie ist da“, beruhigt Vanessa Marin.

Text: Carolyn Yates / Titelbild: Anna Shvets/pexels. Dieser Beitrag wurde ursprünglich am 22. August 2017 veröffentlicht. 

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