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Wie Blogger Michael Späth aus der Sinnkrise in Hollywood ein Modelabel schuf

Einmal Hollywood und zurück, bitte! Durch seinen Blog Thelostboy.de schaffte es Michael Späth aus dem bayrischen Dorf – sogar bis in die Traumfabrik nach Los Angeles. Aber irgendwann kam die große Sinnfrage: Macht das Glitzerleben wirklich glücklich? Beantwortet hat er diese Frage nun mit einer modischen Auseinandersetzung der Popkultur: Michael Späth hat sein eigenes Modelabel gegründet – und erzählt hier in einem emotionalen Essay über das große Auf und Ab, das er sein Leben nennt.

Text: Michael Späth

Während ich diese Zeilen tippe, sitze ich im Flugzeug nach New York. Wir fliegen bereits seit vier Stunden und so langsam wird es ungemütlich. Aber das nehme ich gern in Kauf – denn die Welt bereisen, Hotelzimmer und Metropolen wie New York waren immer schon Teil meines großen Traums. Schon als Junge auf dem Dorf habe ich davon geträumt, immer unterwegs zu sein. Aufgewachsen in einem 300-Einwohner-Kaff habe ich schon früh gemerkt, was Einsamkeit bedeutet. Alle Jungs in meinem Alter haben Fußball gespielt oder waren bei der freiwilligen Feuerwehr. Ich interessierte mich für nichts außer den TV-Shows meiner Mutter und den Magazinen, die einmal in der Woche rauskamen. Ich weiß noch wie aufgeregt ich war, wenn die BRAVO bei mir im Postkasten lag.

Michael Späth pendelt heute zwischen Los Angeles, München und Berlin. Foto: Marius Knieling

Artikel über Popstars und Schauspieler waren für mich immer wie ein Fernrohr in eine andere, bessere Welt. In eine Welt, in der man so sein kann, wie man möchte. Ich weiß noch ganz genau, wie ich zum ersten Mal Michael Jackson oder CHER sah und realisierte, dass es noch etwas anderes gab als das Rollenbild, das uns die Gesellschaft als normales Leben mit Kindern und Eigenheim beibrachte. Also vergrub ich mich mit meinen Magazinen und Büchern und hoffte, dass ich bald in dieser Welt aufwachen werde, die diese Magazine mir versprechen.

Ein paar Jahre habe ich ich mich in diese Welt gearbeitet: Mein Blog „thelostboy.de“ lief so gut, dass ich ständig verreist war. Tokio, Mailand, Los Angeles, New York. Ich saß hinter Anna Wintour auf der Fashionweek, traf all meine Idole wie die Olsen Twins oder Jeremy Scott, freundete mich mit Promis an, die ich als Kind verehrt hatte und bekam täglich Sachen zugeschickt, die mir nie hätte leisten können.

Ich fühlte mich ein bisschen wie Jennifer Garner in „30 über Nacht“ die im Wandschrank ihrer Eltern sich ein anderes Leben wünschte, und plötzlich die Redakteurin eines hippen Magazins war.

Das lief auch lange Zeit gut, bis ich eines Tages eine Panikattacke bekam, als ich mal wieder den Koffer für die nächste Reise packte. Mein ganzer Körper wehrte sich dagegen, wieder in den Flieger steigen zu müssen. Mit jedem Kleidungsstück, das ich in den Koffer legte, wurde die Attacke größer. Ich ignorierte das Gefühl, schloss den Koffer und fuhr zum Flughafen zur nächsten Fashion Week. Von London ging es direkt nach Mailand. Danach nach New York.

Von Event zu Event merkte ich immer mehr, dass es sich nicht mehr richtig anfühlte. Das ich nicht mehr vorspielen wollte, dass mir Produkte gefallen, obwohl ich keinen Bezug dazu hatte. Ich wollte nicht mehr Smalltalk führen mit Menschen, die ich falsch finde, nur weil sie wichtig sein könnten. Ich wollte mir nicht mehr alle drei Wochen die Haare färben, um relevant und hip zu bleiben.

Ich merkte auch, wie ich immer menschenscheuer wurde und sofort ein befremdliches Gefühl bekam, sobald mehr als vier Personen im Raum standen. Ich wollte einfach nur noch allein sein. Den ganzen Tag.

Als ich dann also in New York auf der Rooftop-Party von Tommy Hilfiger war und mich nicht mal mehr der Blick vom 42. Stock auf die ganze Stadt imponierte, wusste ich, dass ich die Reißleine ziehen musste.

Ein Tag später kam dann zufällig ein Anruf von einer alten Kollegin. Sie fragte mich an für eine Praktikantenstelle für eine deutsche TV-Show, bei welcher man mehrere Monate in Los Angeles leben würde. Und ich sagte zu. Ohne zu überlegen, gab ich meine Blogger-Karriere für einen Praktikantenjob auf. Und es fühlte sich richtig an. Ich habe ganz vergessen, wie schön es ist, in einem Team zu arbeiten und nicht alleine fliegen zu müssen. Es machte Sinn „Stopp“ zu sagen und wieder neu anzufangen. Auch wenn ich dadurch nicht gerade viel weniger reise und mein Leben zwischen Berlin, München und Los Angeles aufgeteilt ist.

Und wieder auf Anfang

Wieso ich mich nun wieder in die Selbständigkeit stürze und das zurück fordere was ich 2015 aufgegeben habe? Die Einsamkeit. Sie hält mich immer noch am Laufen und fließt wie eine Art Benzin durch meinen Venen. Sie erinnert mich daran, was meine Träume und Ziele waren und sind. Sie erinnert mich an meine Kindheit, in welcher ich mir so sehr gewünscht habe, reich und berühmt zu sein. Und sie lässt mich nicht schlafen.

Ein eigenes Modelabel zu haben war schon immer mein Traum. Ich bewunderte Karl Lagerfeld so sehr. Mindestens so sehr wie meine Klassenkollegen die Profis des FC Bayerns toll fanden.

 

Der Entscheidung, es letztendlich „einfach zu machen“, ein eigenes Label zu gründen, lag ein großer Schicksalsschlag zugrunde: Meine Zwillingsschwester und der wichtigste Mensch in meinem Leben erhielt die Diagnose Krebs. Von der einen auf die nächste Sekunde stand unser Leben auf dem Kopf und alles änderte sich.

Das ist nun ein Jahr her und mittlerweile ist sie auch wieder komplett gesund. Doch in diesem einem Jahr habe ich alle Ziele und Werte angezweifelt, die ich bisher so wichtig empfand. Ich fragte mich, wieso ich meine ganzen Jahre in den Job und meine Selbstverwirklichung gesteckt habe, wieso ich so viel verreist war und wieso ich so wenig offen für andere Menschen war.

Ich zweifelte an Hollywood, an der Entertainmentbranche und an mir selbst und stellte mir die Frage: „War ich wirklich so fasziniert von dieser Welt oder finde ich sie nur so spannend, weil sie mich von den echten Problemen ablenkte und mir ein Leben vorgegaukelte, welches es gar nicht gibt?“

Ein eigenes Modelabel als Hoffnungsstreifen

Und so saß ich in meinem Apartment in North Hollywood, bestellte mir Essen auf mein Zimmer und war zum ersten Mal in meinem Leben verletzlich und emotional. Beides Gefühle die ich davor nicht kannte. Beides Gefühle als Antrieb für mein eigenes Modelabel.

Am Anfang dachte ich, ich muss diese Trauer mit dem Kontakt zu anderen Menschen ausgleichen. Ich suchte Freundschaft zu Menschen, die nicht zu mir passten. Ich verrannte mich in Dingen, die es nicht gab. Ich verbrachte meine Zeit in Läden, die meine Zeit verschwendeten.

Es war ein bisschen wie in Rihanna’s Song „we found love in a hopeless place“. Nur dass ich sie nicht fand und mich damit jeden Tag ein wenig mehr selbst verlierte.

Und so dauerte es, bis ich merkte, dass die Lösung so nah lag: Ich musste aufhören den Trost und die Rettung in anderen Menschen zu suchen und beginnen sie in mir selbst zu finden. Also kapselte ich mich ab, war viel allein und suchte Beschäftigungen, die mir selbst Spaß machten und begann zu zeichnen und skizzieren. Ich hörte viel Musik, ging auf Konzerte und suchte die Inspiration in der Popkultur. Und so entstand Tag für Tag meine erste Kollektion.

„Loneliness keeps me running“ sollte sie heißen. Weil es das ist, was mich seit jeher antreibt. Und versteht mich nicht falsch: Einsamkeit bedeutet für mich nichts Negatives. Mir geht es gut. Es ist mehr ein Gefühl, dass jeder in sich trägt. Und uns alle verbindet. Bei manchen mehr, bei den anderen weniger. Aber irgendwie sind wir doch alle stetig auf der Suche.

Auf der Rückseite meines „Dinner for One“-Shirts habe ich eine Quittung gedruckt. Darauf findet sich die Nummer des Appartments, in dem ich alle Skizzen zeichnete. D314.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier ist auch das „Melancholy Forever“-Shirt entstanden als ich gerade eine Doku über Johnny Depp sah. Der so einsam und melancholisch aussah, mit seinem „Winona Forever“-Tattoo am Arm. Die Melancholie ist es auch, die wie ein leichtes Tuch über Los Angeles schwebt und die Stadt so geheimnisvoll wirken lässt.

Mein „Hollywood?“-Longshirt entstand in der Zeit, in welcher ich alles angezweifelt habe. Ich habe das Y in die Mitte gedruckt, weil es für die Frage „Why“ stehen soll. Es ist wichtig, seine Ziele und Werte anzuzweifeln – um zu merken, was wirklich wichtig ist.

Der „Social Anxiety“-Hoodie ist extra oversized geschnitten, damit man sich darin komplett verstecken kann. Und bei den Socken habe ich darauf geachtet, dass die Sterne frontal auf die Beine gewebt werden. Mit jedem Schritt bewegen sich die Sterne mit. Und erinnern mich daran, was mir wirklich wichtig ist: Dran zu bleiben. Nicht aufzugeben. Auch in schweren Zeiten den Fokus nicht zu verlieren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jeder hat einen anderen Schicksalschlag zu verkraften. Jeder hat ein anderes Problem mit sich selbst, was einen nachts aufwachen lässt.

Und jeder hat ein anderes Ziel und einen anderen Traum. Darum geht’s bei meinem Label „IN PRIVATE studio“. Sich selbst treu bleiben und sein pures, wahres Ich leben – ohne Ängste und zurückstecken.

Nylon
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