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Majid Kessab

„Durch meinen Tanz habe ich mich als Menschen gefunden” – Majid Kessab im Interview

Majid Kessab zählt zu den bekanntesten Hip-Hop Tänzer*innen der Welt. Beim diesjährigen „Red Bull Dance Your Style” in Frankfurt trat er als Wildcard für Deutschland an. Wir haben mit ihm im Interview über Tanzen als Teil seiner Kultur und die Streetdance Community gesprochen.

Mit drei Jahren floh Majid Kessab aus Zakho im Irak nach Krefeld, Deutschland. Mit neun fing er an zu tanzen und nahm fünf Jahre später an seinem ersten Streetdance Wettbewerb teil. Mit 16 Jahren stand er als einer der jüngsten Teilnehmer*innen im Finale der „Hip-Hop 1on1 Urban Champs”. National bekannt wurde Majid, als er 2014 die Tanz-Castingshow „Got to Dance” gewann. Heute ist er zweifacher Hip-Hop Dance Weltmeister, Besitzer der Tanzschule „Area UDC” und hat sogar schon Lionel Messi einige Moves beigebracht. Dieses Jahr trat er für Deutschland beim „Red Bull Dance Your Style” World Final als Wildcard in Frankfurt am Main an.  

„Red Bull Dance Your Style” ist einer der populärsten Streetstyle Dance Battles der Welt. Getanzt wird auf zufällig ausgewählte Musik, die die Tänzer*innen im Vorfeld nicht kennen, das heißt Choreografien können nicht einstudiert werden. Das bedeutet jede Menge Entertainment, denn am Ende entscheidet die Crowd, wer gewinnt. 

Wir haben Majid vor dem Finale getroffen. Im Interview erzählt er uns, wieso er wegen seiner Schwester das Tanzen anfing, welche Rolle seine Heimatstadt Krefeld spielt und wie wichtig Community für ihn ist. Besonders bei einem anstehenden Herzensprojekt im Irak.   

 

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Majid Kessab über seinen Weg zum Tanz

NYLON Germany: Du hast wirklich einen beeindruckenden Weg hinter dir. Zweifacher Hip-Hop Weltmeister, eine eigene Tanzschule. Hättest du mit 10 Jahren gedacht, dass du heute hier sein wirst?

Majid: Ehrlich gesagt, hab ich das nicht. Ich habe nie angefangen zu tanzen, um irgendwas Großes damit zu schaffen. Ich habe einfach getanzt, weil es mir sehr viel Spaß macht. Damit ich mit Leuten der gleichen Leidenschaft nachgehen kann. Das war für mich das A und O. Dass ich etwas, was ich liebe tun konnte und nicht irgendeinen Schwachsinn. Durch meinen Tanz habe ich mich als Menschen gefunden. 

Step by Step hat es dann angefangen. Es kamen die ersten Competitions und ich hab gemerkt, dass ich es mag, auf Wettbewerbe zu gehen. Irgendwann kamen die ersten Ziele und vor allem, Weltmeister zu werden. Zum ersten Mal in Paris vor 14.000 Menschen. Dafür habe ich sieben Jahre echt hart gearbeitet. Ich habe jedes Jahr mitgemacht und es versucht. Ich habe mich viermal hintereinander qualifiziert, aber bin immer rausgeflogen. Und 2014 habe ich es dann geschafft. Ich habe schon immer gesagt, dass ich mit dem Tanzen etwas bewegen will. Aber dass ich später eine Tanzschule führen, beruflich tanzen oder Weltmeister werden wollte, das kam erst später. 

Warum hast du dich damals für Tanz entschieden?

Ich wurde gezwungen (lacht). Ich habe viel zu Hause getanzt und Rhythmus liegt mir in den Genen, weil mein Vater ein guter Folklore-Tänzer ist. Meine Schwester hat mich irgendwann zu einem Tanzkurs angemeldet. Ich glaube, sie wollte ein bisschen, dass ich ihren Traum auslebe. Erstmal habe ich mich ganz schön dagegen gestellt. Aber nach ein paar Stunden habe ich gemerkt: Wow, das ist etwas, was ich liebe und weitermachen will. Also habe ich alles liegen lassen und einfach weiter getanzt. 

Majid Kessab

Foto: Eva Berten / Red Bull Content Pool

Viele Kreative zieht es in Großstädte. Du hast deine Tanzschule „Area UDC” vor zehn Jahren in deiner Heimatstadt Krefeld eröffnet. Wieso bist du dort geblieben?

Ich bin der Typ geworden, der ich heute bin, weil ich in Krefeld groß geworden bin. Und weil ich immer einen engen Kreis aus tollen Menschen um mich hatte. Ich mache so viel in Krefeld, zum Beispiel Community Work. Bei meiner Tanzschule stand für mich nie ein geschäftlicher Sinn im Vordergrund. Es war mehr so ein Nehmen und Geben. Wir geben zurück an die Community, die uns schon immer supportet hat. 

Als ich 2014 bei der Fernsehshow Got to Dance” gewonnen habe, stand die ganze Stadt hinter mir. Ganz Krefeld hat für mich gevotet und Promo gemacht. Das war wirklich einzigartig. Das war wie ein Zeichen für mich: Das ist meine Stadt, da bleib ich und versuche mein Bestes dort. Ich werde auch nicht aus Krefeld weggehen, denn dort ist mein Zuhause. Ich bin dort aufgewachsen, meine Familie und viele Kindheitsfreund*innen leben dort. 

Ich war schon öfter in Großstädten, auch für eine längere Zeit. Aber das ist nichts für mich. Man verliert sich dort so ein bisschen, ist die ganze Zeit im Stress und vergisst zu leben. In Krefeld kann ich dann wieder durchatmen und einfach mal Mensch sein. Deswegen bin ich gern geblieben.

Du hast mit deiner Tanzschule Area UDC” einen Community Space aufgemacht. Was bedeutet das für die Dance Community?

Eine Urban Streetdance Tanzschule hat in Krefeld einfach gefehlt. Die Leute, mit denen ich die Tanzschule eröffnet habe, sind wirklich aktiv in der Szene. Wir bieten unseren Schüler*innen mehr als nur Tanzkurse. Ich nehme sie zum Beispiel zu Events mit. Sie sind auch bei dem „Red Bull Dance Your Style” World Final dabei. So können sie viele Leute kennenlernen, sind vernetzt und sehen, wie alles abläuft. 

Wir kreieren auch Events für sie und versuchen ihnen den Zugang zur Community und zur Szene zu geben. Das macht uns aus. Das ist es, warum ich das auch gern mache: Ich mache es nicht, weil ich Kurse geben will, sondern ich will den Leuten den Weg weisen.

Majid

Foto: Eva Berten / Red Bull Content Pool

Was war für dich früher dieser Ort?

Für mich war das das Jugendzentrum „Café Oje” in Krefeld. Das ist der Ort, wo wir die Freiheit bekamen, unsere Ideen auszutauschen und uns zu entwickeln. Dieses Jugendzentrum ist auch der Grundgedanke für unsere Tanzschule gewesen. Es war uns wichtig, dieses Gefühl zu übertragen. Leute, die entspannt miteinander reden oder am Kicker zocken. Die Dinge entwickeln und sich ausprobieren können. Bei uns ist es nicht wie in einer klassischen Tanzschule, dass du zum Tanzen kommst und dann wieder nach Hause gehst. Es geht nicht nur um strenge Kurse. 

Hast du eine Lieblings-Erinnerung mit deiner Dance Community?

Ich finde alles, was familiär ist, sehr schön. Ich erinnere mich zum Beispiel gern an einen der ersten Familienabende, den wir hatten. Wir haben Karaoke gesungen und in der Tanzschule übernachtet. Oder als wir über ein Wochenende fast ein komplettes Theaterstück fertiggestellt haben. Es ist immer so schön zu sehen, wie wir zusammenarbeiten können. Noch eine Erinnerung, die mir in den Sinn kommt, ist die erste Busfahrt zur Weltmeisterschaft. Oder die Zweite, wo ich Weltmeister wurde. Schon damals hatte ich meine ganze Tanzschule dabei. Wir alle zusammen in einem Bus. Das sind auf jeden Fall sehr schöne Erinnerungen. 

Wie wichtig sind Veranstaltungen wie „Red Bull Dance Your Style” für Tänzer*innen?

Auf diesen Bühnen können wir Tänzer*innen uns große Ziele setzen. Es muss ja nicht für jede*n ein Ziel sein, das Battle zu gewinnen. Vielleicht ist man auch gar nicht diese Art von Tänzer*in, sondern viel mehr auf die eigene Technik und Stil fokussiert. Bei „Red Bull Dance Your Style” ist man frei und man kann machen, was man will. Es könnte jede*r gewinnen. Sogar Beginner*innen, wenn sie wissen, wie man die Crowd mitnimmt und sie musikalisch fit sind. Das ist einfach ein top Event, gerade auch, weil es so groß ist. 6000 Zuschauer*innen und 45 Qualifikationen aus der ganzen Welt.

Dieses Event ist für viele Tänzer*innen, gerade auch Neueinsteiger*innen, ein Ziel, auf das sie lange hinarbeiten. Generell sind Ziele für Tänzer*innen sehr wichtig. Sie weisen deinen Weg. Ohne Ziele ist man ein bisschen lost und trainiert, ohne zu wissen, wohin die Reise gehen soll. Deshalb ist es wichtig, sich Ziele zu setzen. Nur so kommt man voran. Und solche Events pushen das Ganze nochmal. Leute werden disziplinierter, kommen aus sich heraus und entwickeln sich weiter. Denn nur so geht man mit der Zeit. Und wenn man nicht mit der Zeit geht, ist man irgendwann weg. 

Foto: dieserbobby / Red Bull Content Pool

Hast du ein Projekt für das kommende Jahr, auf das du dich besonders freust?

Vielleicht werde ich noch dieses Jahr oder Anfang nächsten Jahres zurück in meine Heimat, den Irak, fliegen. Ich habe letztes Jahr schon ein Projekt in der Nähe von Zakho in den UN Kinderdörfern, in einem Geflüchtetencamp gemacht. Dort würde ich gerne nochmal hin, mit den Kindern einen Workshop machen und ihnen meine Kultur näher bringen. Das ist für mich etwas sehr Wichtiges. 

Außerdem gibt es wieder eine Weltmeisterschaft, bei der die besten Tänzer*innen der Welt nach Hamburg kommen werden. Es gibt viele Veranstaltungen, die stattfinden, aber ich gehe mit dem Flow. Es passiert immer sehr viel, aber dieses Projekt in meiner Heimat, das ist für mich ganz wichtig.

Wir haben mit der Frage begonnen, wie du dir dein Leben mit zehn vorgestellt hast. Wo siehst du dich in zehn Jahren?

Ich versuche immer noch mich zu finden. Ob ich in zehn Jahren noch so viel auf der Bühne stehen werde, weiß ich nicht. Ich glaube, ich werde eher hinter die Kulissen gehen und im Hintergrund agieren. Ich möchte Orte schaffen, wo Leute Zugang finden. Und ich will educaten. Ich will nicht, dass die Szene oder die Arbeit, die ich in meinen Tanz gesteckt habe, verloren geht. Ich will, dass Leute wissen und schätzen, was Tänzer*innen für eine Arbeit leisten. Ich glaube, ich werde sehr viel in die Community Work gehen und sehr viel dafür tun. Das ist einfach mein Ding. 

Weitere Dance Moves findet ihr hier:

„Red Bull Dance Your Style” World Final: Wie die 16 weltbesten Street Tänzer*innen Frankfurt zum Beben brachten

„Red Bull Dance Your Style” National Final: Streetdancer zeigen, was die deutsche Tanz-Community zu bieten hat

Julia Kaiser
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