Fotoshooting per Videocall: Eine Fotografin & ein Make-Up-Artist erklären ihren Arbeitsprozess
Seit Beginn von Social Distancing und Quarantäne ist das Fotoshooting per Videocall zum neuen Standard-Projekt vieler Künstler*innen geworden. Wie aber läuft so ein Shooting eigentlich ab? Die Fotografin Pixie hat ihren Freund, Make-Up-Artist Stefan, per Videocall fotografiert. Hier erklären uns beide den Prozess des Shootings und verraten, ob diese in Zukunft immer so ablaufen werden – und ob sie bei der Arbeit auch das aktuelle Weltgeschehen reflektieren.
Pixie, auf den ersten Blick scheint die Idee eines Fotoshootings per Video-Call an die Pandemie- und Quarantänezeiten gebunden. Sein kreativer Umfang ist begrenzt. Glaubst du dennoch, dass diese Art des Shootings eine weitreichende und facettenreiche Zukunft hat?
Am Anfang organisierte ich während des Social Distancing ein paar Skype-Shootings, hauptsächlich mit Freunden, um eine Möglichkeit zu finden, sich zu connecten und kreativ zu bleiben. Jetzt brenne ich aber darauf, wieder ins Studio zurückzukehren oder an einem tatsächlichen Ort fotografieren zu können. Die Zusammenarbeit im Team ist das, was ich im Social Distancing am meisten vermisst habe. Die Fotoshootings per Videocall haben wirklich Spaß gemacht, und ich bin froh, dass ich die Möglichkeit hatte, mit neuen Möglichkeiten zu experimentieren. In Zukunft werde ich mich aber, wenn möglich, immer für eine Real-Life-Verbindung mit echten Personen und die Zusammenarbeit mit einem Team entscheiden.
Du und Stefan seid Freunde, was für sofortige Connection beim Video-Call sorgt. Wie aber würdest du die Gefühle von jemandem durch einen Bildschirm einfangen, wenn du die Person ihn gar nicht kennst?
Stefan und ich lernten uns kennen, als wir gemeinsam an einem anderen Shooting arbeiteten. Neugierig zu sein und Fragen zu stellen, mal eine Tasse Tee zu trinken, bevor das Shooting begann, half mir aber auch bei Leuten, die ich noch nicht kannte, eine Verbindung herzustellen und zu verstehen, was die Absicht des Shootings sein würde. Mein Ziel war es, denjenigen, die ich fotografiere, zu helfen und sie zu ermutigen. Sie sollten sich wohl, verstanden und glücklich fühlen und mit dem Endprodukt zufrieden sein.
Man kann sich bei so einem Shoot nicht, wie an einem Set, auf Stimmung und Körpersprache verlassen. Könnt ihr Beide den Ablauf des Shootings beschreiben?
Stefan: Ich konnte mich von den Moodboards, die Pixie mir schickte, ein Bild machen und dann meine Ästhetik und Vision in den kreativen Prozess einfließen lassen. Dann ist es zu dem aufgeblüht, was ihr jetzt hier seht. Insgesamt war es eine sehr natürliche Erfahrung, wenn auch unüblich. Pixie hat mich erstaunlich gut durch das Shooting geführt und den gesamten Prozess für mich angenehm gestaltet.
Pixie: Ich wollte unbedingt einen Make-up-Look fotografieren. Ich dachte an Make-up-Künstler, die ich kenne, die vielleicht Lust hätten, fotografiert zu werden, und die gerne ihr eigenes Gesicht als Leinwand verwenden würden. Stefan ist – wie ihr sehen könnt – ein absolutes Babe, und ich war super happy, als er sich bereit erklärte, mit mir daran zu arbeiten. Nachdem ich ein Moodboard mit einigen Referenzen zusammenstellte, gab Stefan seine Experten-Sicht in Sachen Make-up-Trends, Formen und Farben hinzu. Wir diskutierten etwa eine Woche lang per E-Mail über Moodboards. Es war ein komplett kollaborativer Prozess, der die ganze Sache wie ein Traum ablaufen ließ, und vor allem machte es Spaß!
Habt ihr als Freunde zwischen den Aufnahmen auch über das aktuelle Weltgeschehen nachgedacht und diskutiert?
Stefan: Es ist definitiv weltweit ein Wandel im Gange, und die dringend benötigten Gespräche beginnen sich anzubahnen. Die Pandemie hat Menschen auf Distanz gehalten, aber soziale Gerechtigkeit bringt sie wieder zusammen. Die Krankheit, die systemischer Rassismus und Polizeibrutalität gegen Schwarze darstellt, ist ein Kreislauf, der durchbrochen werden muss, damit wir in einer gleichberechtigten Welt leben können. Sie bringt die Menschen auch dazu, in sich selbst und in die Rollen zu schauen, die wir spielen, um eine positive Veränderung herbeizuführen. Organisationen und Industrien beginnen ebenfalls, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, was nur gut sein kann. Das sind einige der Unterthemen, die ich mit Freunden diskutiert habe.
Pixie: Ja, wir haben darüber diskutiert, wie wir beide als freiberufliche Kreative vorankommen und wie wir damit umgehen, während einer Pandemie in Isolation zu leben. Wir sprachen auch darüber, wie wir beide zu Polizeibrutalität gegen Schwarze Menschen und zu Black Lives Matter stehen. Podcasts, Gespräche mit meinen Freunden und Dokumentationen sind nur einige der Möglichkeiten, wie ich mich weitergebildet habe. Es ist auch sehr hilfreich und aufschlussreich, mit Freunden zu sprechen und ihren Standpunkt zu hören. Zu lernen und ein guter Freund zu sein, ist etwas, das ich im Moment für sehr wichtig halte.
Stefan, ihr habt die beliebte Idee des „Gesicht als Leinwand” für dieses Shooting verwendet. Hast du dich verwundbarer gefühlt, weil du als Make-Up-Artist, der normalerweise am „anderen Ende des Pinsels” arbeitet, nun mehr Freiheiten hattest? War es schwierig, Make-up-Artist, Model, Lichtassistent usw. auf einmal zu sein?
Ich fühlte mich sicherlich verwundbarer, obwohl es auch ziemlich befreiend war, mein eigenes Gesicht als Leinwand zu haben. Erstens war es schön, ein wenig Abstand zur Arbeit und volle kreative Freiheit zu haben – besonders bei so einem persönlichen Projekt mit einer talentierten Kreativen wie Pixie. Ich denke, es hat auch geholfen, dass wir eine ähnliche Vision für das Shooting hatten. Ich liebte schon Pixies Moodboard. Meine Leidenschaft geht über das Auftragen von Make-up hinaus, sondern mehr in den vollständigen Prozess der Erstellung schöner Bilder. So war es schön, mehr Input zu bekommen, als ich normalerweise hätte. Ich würde so etwas in Zukunft auf jeden Fall wieder machen.
Fotos & Creative Direction: Pixie Levinson
Make-Up: Stefan Jemeel
Interview: Kristin Roloff & Robin Micha
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