Von Camcorder bis 3D-Scan: Das deutsche Duo „syn_” inszeniert Kampagnen mit ehrlichen Bildern
Eine gute (kreative) Partnerschaft muss eben nicht immer aus Gegensätzen bestehen, die sich anziehen – das deutsche Kreativ- und Real-Life-Couple „syn_” macht aus seinem Namen Programm und beweist mit der Arbeit an der neuen Kampagne von Marques Almeida, warum Synergie auch anders geht.
Was verbirgt sich hinter der ominösen Abkürzung „syn_ ”? Sie ruft in jedem Fall Assoziationen hervor und eignet sich besonders gut für Wortspiele. syn_ meint in diesem Fall allerdings nichts anderes als „Synergie”. Die besondere Synergie zwischen Freunden, die ein Paar wurden und mittlerweile unzertrennlich ihren Alltag und das Berufsleben bestreiten. Lia und Fabian leben in London und zeigen im NYLON-Interview, wie sie mit ihren Ideen Ping-Pong spielen, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden sind.
Wer steckt hinter_syn?
Lia: Ich habe einen Fashion-Design-Background. Nachdem ich zu Fabian nach London gezogen bin, wurde ich immer mehr Teil seiner Shootings. Erst als Stylistin, Art Direktorin und mittlerweile auch als Fotografin. Interessant ist, dass sich unsere gemeinsame Arbeit in der Vergangenheit stark von Fabians alleinigem Schaffen unterschied. Sie hatte eine neue Ebene. Dies wollten wir gerne weiter erforschen und haben uns entschieden, „syn_” zu gründen. Eine Plattform, die uns beiden erlaubt diese gemeinsame Vision zu erforschen und das zu machen was uns am meisten Spaß macht – zusammen arbeiten.
Fabian: Wir haben nach einem Namen gesucht der uns als Duo mit unserem besonderen Workflow beschreibt. Syn ist der griechische Präfix für „zusammen, gemeinsam” und die Abkürzung von Synergie. Zwei Komponenten die sich gegenseitig bereichern, voneinander profitieren und sich ergänzen. Das führt zu einem Ergebnis, das wir alleine nicht hätten erreichen können und das gilt für unsere Zusammenarbeit miteinander, aber auch für die Arbeit mit Kunden.
Was ist so besonders an Eurem miteinander?
Fabian: Was ich an unserer Beziehung so schätze ist, dass sich die Art, Gefühle, Umstände, Situationen und Dinge um uns herum wahrzunehmen unglaublich gut ergänzt. Im generellen denken wir ziemlich gleich und überraschen den anderen dennoch immer wieder mit alternativen Blickwinkeln.
Ihr arbeitet mit verschiedenen Medien – welche Vorteile liegen darin?
Lia: Unsere Arbeit lebt von unseren Unterschieden: maskulin versus feminin, raw und emotional, geplant und bewusst zufällig. Da sind unsere Werkzeuge keine Ausnahme. Wir haben eine ziemlich große Palette an verschiedenen Kameras und Methoden angesammelt, die alle eine Emotion oder Textur hervorheben, je nachdem welches Gefühl ausgedrückt werden soll. Klassische DSLR Kamera, aber genauso arbeiten wir mit dem iPhone, einem Camcorder aus den 90ern, einer Touristenkamera von 2001, mit analogen Kameras und 3D Scans. Alle triggern unterschiedliche Assoziationen beim Beobachter und stehen für einen individuellen look. Damit spielen wir.
Fabian: Diese Vorgehensweise erzeugt einen sehr spannenden Mix aus Fotos und kurzen Video Clips, die wir gerne zusammensetzen um Kontraste zu kreieren. Das Online Medium ist ideal dafür und fühlt sich zeitgemäß und modern an.
syn_ x Marques Almeida: Alles begann mit einem Praktikum
Zuletzt habt ihr die Kampagne für die Brand Marques Almeida geshootet, deren Bilder wir hier sehen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Lia: Ich habe vor einigen Jahren nach Abschluss meines Modestudiums ein Praktikum bei Marques Almeida im Design gemacht. Seitdem habe ich eine enge Verbindung zum gesamten Team. Wir arbeiten an vielen Projekten mit der Brand und bewundern den Ethos der Company – im übergeordneten Sinn geht es um Ehrlichkeit, Familie und stillem Wiederstand.
Fabian: Die Company arbeitet mit Marques Almeida Girls, eine Gruppe von Freundinnen und inspirierenden Mädchen, und neuerdings auch mit jungen Männern die in enger Verbindung mit der Brand stehen. Dabei stechen sie mit ihrer Diversität und ihrem Realismus heraus. Unser erstes großes Projekt mit Team M’A war die Artdirektion ihrer AW19 Präsentation in London. Dabei haben wir mehrere interaktive Experience-Räume kreiert, in denen etwa 40 M’A Girls & Boys mit den Gästen agiert und voneinander Fotos geschossen haben. Zuletzt durften wir nun die Kampagne der SS20 Kollektion in Paris schießen.
Was fasziniert Euch an Mode?
Lia: Modefotografie ist für viele Menschen einfacher zu konsumieren als moderne Kunst. Ich liebe es an dieser Schnittstelle zu arbeiten und Kunst vielleicht etwas zugänglicher zu machen. In unserer Arbeit fokussieren wir uns sehr auf die fast unretuschierte Wiedergabe eines Moments oder Gefühls. Wenn Fotos zu inszeniert sind, finden wir sie meistens uninteressant. Uns mangelt es dann an Ehrlichkeit und Reliabilität.
Wie beurteilt ihr die momentane Lage für junge Kreativschaffende in der Modebranche?
Fabian: Besser als jemals zuvor! Die große Liberalisierung der Industrie durch zum Beispiel Instagram macht es möglich ganz anders in den Beruf einzusteigen als noch vor einigen Jahren. Wir sind die erste Generation, die sich gewaltiges Wissen mit YouTube und Online-Kursen aneignen kann – ohne einen Cent für eine Ausbildung bezahlen zu müssen. Ich denke, dass die klar definierte Rolle als Kreativer immer mehr verschwimmt. Man ist nicht nur Fotograf oder Video-Cutter – sondern hat die Chance sein individuelles Denken, Interessen, Meinungen und Lebenserfahrung auf verschiedene Art und Weise in das eigene Schaffen, die Prozesse mit einzubinden.
Was sind Eure Wünsche/Ziele für die Zukunft?
Fabian: Wir freuen uns sehr darauf mit syn_ an möglichst vielen kreativen Projekten zu arbeiten und unsere gemeinsame Bildsprache weiter zu etablieren. Lisa, unsere Agentin von collectiveinterest, berät uns.
Lia: Außerdem wollen wir die Welt bereisen. Und ganz wichtig: bei jedem Schritt extrem viel Spaß zu haben!
…und hier geht’s weiter für’s Kunst- und Look-Know-How!
Center Stage – oder wie ein Wiener Städtetrip zur Tanzperformance wird
So werden die wichtigsten Designer richtig ausgesprochen
Kunst im Gesicht: Wie Face-Painter Instagram zur Leinwand machen