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«Du bist eine echte Feministin, stimmt’s?»

Über Erwartungen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen
Wie verhält es sich eigentlich mit der „klassischen“ Rollenverteilung, den Erwartungen an den Partner und dem (Vorsicht, heikel!) Thema Geld in gleichgeschlechtlichen Beziehungen? Ein Erfahrungsbericht.

Text: Katie Heaney

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Beim dritten Date mit meiner aktuellen Freundin bestand ich darauf, die Rechnung zu teilen. Dafür gab es keinen bestimmten Grund, ich empfand das einfach als fair. Bei unserer ersten Verabredung kamen wir getrennt an und übernahmen unsere Drinks an der Bar selbst, beim zweiten Mal bezahlte ich die Tickets für das Basketballspiel, während sie Getränke und Essen übernahm.

Unser drittes Date war unser erstes romantisches Dinner. Und aus irgendeinem Grund war es für Lydia etwas anderes. Als der Kellner die Rechnung brachte, schnappte sie danach, bevor ich überhaupt einen Blick darauf werfen konnte. Ich gab ihr einen Schein – wir hatten eine Pizza und jede von uns zwei Gläser Wein, was es einfach machte die Rechnung zu teilen. Sie winkte ab, aber ich war gerade angetrunken genug, um darauf zu bestehen, meinen Teil selbst zu begleichen. Lydia, nicht minder angeheitert, provozierte mich freundlich: „Du bist eine echte Feministin, stimmt’s?“

Hätte ein Mann mir diese Frage gestellt, wäre sie mir egal gewesen. Dass sie von einer Frau kam, ließ mich aufschrecken. Natürlich zeigte ich auch bei früheren Dinnern mit Männern Ambitionen, die Rechnung zu teilen, lenkte aber meist schnell ein und ließ den Mann seine Karte zücken. Offenbar ist es einfacher, ein Zugeständnis an die Regeln der klassischen Rollenverteilung zu machen anstatt zu protestieren. Erst recht beim ersten oder zweiten Date mit einem mehr oder weniger Fremden.

Ich verfolgte folgende Philosophie: Wenn ein Mann darauf besteht zu zahlen, lass’ ihn. Denn finanziell die Hosen anzuhaben, verleiht ihm das Gefühl potent, männlich oder was auch immer zu sein. Ich sagte mir: Er verdient eh mehr als du, denn so funktioniert die Gesellschaft eben. Als ich begann, Frauen zu daten, machte ich mir über das Thema zunächst keine Gedanken (Es gab schließlich eine Menge anderer Aspekte, die mir Sorgen bereiteten). Ich lebte in der Annahme, dass eine gleichgeschlechtliche Beziehung ohnehin frei von jenem Klischeedenken sei, das einem in heterosexuellen Kontexten begegnet. Und in der Tat, bis zu einem gewissen Grad ist das auch so. Beispielsweise, wenn es um Aufgaben im Haushalt geht, die wir weniger nach männlichen oder weiblichen Neigungen, sondern vielmehr nach individuellen Interessen oder Fähigkeiten verteilen. Sie kocht, ich mache die Wäsche. Es ist ihr Job, die Toilette zu reparieren, ich öle die quietschenden Türklinken und erledige lästiges Ungeziefer.

Nur beim Geld wird es kompliziert. Ich war überrascht (und ein bisschen skeptisch), als Lydia mich als Feministin bezeichnete, nur weil ich mein Essen selbst bezahlen wollte. Aber wir trafen uns weiter und schnell wurde klar, dass ihr Pseudo-Macho-Gehabe ums Geld nur eine Fassade war. Bevor sie mich traf, war sie vor allem mit Frauen zusammen, die es mochten, ausgehalten zu werden. Lydia repräsentiert eher den maskulinen Frauentyp, ihre Verflossenen hingegen waren meist sehr weiblich. Diese Art von männlich-weiblicher Dynamik ist nicht ungewöhnlich in lesbischen Beziehungen. Oft bezieht sie sich vorrangig auf ästhetische Aspekte, aber auch das geschlechtertypische Verhalten kann eine Rolle spielen.

So gibt es eine berühmte Szene in der US-Serie ‚The L World’, in der die Protagonistin Max (eine ziemlich maskuline Lesbe) ihre Freundin Shane (auch eher der androgyne Typ) auffordert, ihr beim Ausladen der Taschen zu helfen, anstatt die feminin veranlagten Freundinnen zu fragen. „Ihr Mädchen entspannt euch und lasst uns Typen machen“, sagt sie. Shane und Carmen verspotten Max’ Ambivalenz als altmodisch, aber es gibt offenkundig Prinzipien, die schwierig aufzuweichen sind. Viele maskuline Frauen haben das Bedürfnis, sich traditionell männlich zu verhalten – was von sehr weiblichen Frauen auch nach wie vor erwartet wird. Auch wenn es eine Frau ist, welche die Führungsrolle übernimmt, gibt es gesellschaftlich nach wie vor eine gewisse Vorstellung davon, wie man sich grundsätzlich um Frauen kümmert. Und Geld spielt hier eine große Rolle.

Meine Freundin hat lange geglaubt, dass sie die Rolle der Versorgerin zu übernehmen habe, und es hat eine Weile gedauert, bis sie verstanden hat, dass es – zumindest in unserer Beziehung – anders ist. Auch in einer Partnerschaft, die außerhalb des heteronormativen Rahmens funktioniert, ist es scheinbar unmöglich, sich völlig von gesellschaftlichen Erwartungen zu befreien. Geschlechterrollen und -prinzipien bleiben maßgeblich prägend für die Art und Weise, wie wir im Zusammenleben funktioniert.

Wie man in einer Beziehung mit Geld umgeht, ist letztlich immer ein individuelles Ding. So bleibt es für Lydia wichtig, mich zum Dinner auszuführen. Wenn sie heute bezahlen möchte, lasse ich sie – und übernehme zumindest das Dessert. Wenn ich hingegen vorschlage, die Rechnung zu teilen, protestiert sie nicht. Wir sind inzwischen lange genug zusammen, um unsere eigene Normalität definiert zu haben. Und zwar basierend darauf wer wir sind, nicht darauf, wer wir zu sein haben.

Nylon
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