Aminé: Europa ist einfach cooler!
Sein Song „Caroline“ soll das neue „Billie Jean“ sein. Mit Frank Ocean hat er schon mal gegessen, seine Vorbilder sind Kanye und John Mayer. Warum Aminé aus Portland nicht nur große Ziele, sondern auch große Chancen hat.
Adam Aminé Daniel, kurz Aminé, erzählt von seiner letzten Partynacht in Berlin. Er zeigt ein Handyvideo von einem düsteren Raum mit kahlen Wänden, gefüllt von lauten Gesprächen, gedämpften Beats und Gelächter. Zur Vorbereitung für sein Set beim Lollpalooza-Festival war er erst einmal feiern, im Szeneclub „Farbfernseher“. Für Aminé eine Faszination, er liebt den europäischen Vibe. Alles sei hier viel offener und „sophisticated“, sagt er. Oder kurz: „In Europa ist es einfach cooler“.
Berlin ist aber auch ein Kontrastprogramm, wenn man im US-Bundesstaat Oregon aufgewachsen ist. Portland wird zu Aminés Heimatstadt, hier geht der Sohn äthiopischer Eltern zur Schule und aufs College. Schon da schreibt er seine ersten Tracks: „Caroline“, zum Beispiel, entsteht am Schreibtisch des Studenten. Heute hat der Song 194 Millionen Klicks. Dafür hat Aminé hart hinter den Kulissen gearbeitet: Praktika in New York City, sich unter die Großen mischen, Erfolg im Blick. Auf die Frage, wen er denn als Google-Vorschlag neben seinem Namen stehen haben möchte, nennt er bescheiden Frank Ocean, André 3000 und John Mayer. Ach ja, Kanye West vergessen. Und den kanadischen Sänger HOMESHAKE. Der ist sein Lieblingskünstler.
Aminé ist in den USA jetzt schon das, was man einen „Household Name“ nennt: Fester Bestandteil einer neuen Rap-Szene. Positiver als die Beats seiner Kollegen sei seine Musik, „eine Mischung aus Pop und dem spannendsten aktuellen Hip Hop“, schreibt die New York Times. Aminé selbst glaubt, dass sich Hip Hop immer mehr zum DIY-Projekt entwickelt – schließlich hat er große Teile seines Albums „Good For You“ selbst am PC produziert. Musik ab jetzt also nur noch aus dem Home Office? „Ich kenne viele Künstler, die zu Hause aufnehmen. Ich selbst mag es auch, in Häusern zu sein, nur nicht in meinem eigenen. Ich muss irgendwo zum Arbeiten hingehen. Wenn ich neben meinem Bett arbeiten würde, könnte ich mich ja einfach hinlegen. Oder zum Kühlschrank rennen, wenn ich Hunger habe“. Fast schon konservativ für einen 23-jährigen.
Spießigkeit ist bei Aminé allerdings Fehl am Platz. Das Cover für „Good For You“ zeigt ihn auf der Toilette sitzend, nackt bis auf die Hose. Ähnlich humorvoll gibt er sich auch in seinen Musikvideos, allerdings immer mit einem Wink zu ernsthaften Themen. Das Video zu „REDMERCEDES“ macht das besonders deutlich: Aminé dreht die Debatte zu „Blackfacing“ um und wird als (komplett!) weißer Typ mit Polohemd und Pastell-Pulli gestylt. In einer Szene in einem Autohaus werden er und seine (ebenfalls „gewhitefaceten“) Freunde dann von dunkelhäutigen Menschen so verurteilt, wie es in den USA leider umgekehrt noch immer täglich der Fall ist. Politische Motivation ist für den Rapper aber nichts Ungewöhnliches: Beim Auftritt in der Talkshow von Jimmy Fallon schließt er mit einer Botschaft an Präsident Trump: „All you ever did was make America hate again“.
Unterstützung bekommt Aminé dabei von seiner Crew, seinen BFFs Jonathan und Joseph. Sie begleiten ihn überall hin, ob aufs amerikanische Lollapalooza oder zu den Aufnahmen für „Converse Public Access“. Jonathan sammelt mit seinen Auftritten Erfahrung für eine Schauspielkarriere, Joseph will allerdings Krankenpfleger werden. Bei dem Gedanken muss Aminé ein bisschen lachen, wie eigentlich so oft. Positive Vibes sind bei ihm irgendwie vorprogrammiert. Heute trägt er ein gelbes Shirt mit dem Aufdruck „Holiday“. Scheint auch mental sein Programm zu sein.
Aber trotzdem mal im Ernst: Wo soll es denn noch hingehen? Überraschung, nach Deutschland. Wieder zeigt Aminé ein Video auf seinem Handy, die verwackelte Aufnahme aus einem Club in München. Hier will er unbedingt mal spielen. „Da passen so 5.000 Leute rein. Ist riesig groß, aber intim. Ich mag’s wenn die Atmosphäre intim ist, ein bisschen so wie in diesem Berliner Club, Farbfernseher“.
Als letztes erzählt Aminé dann nochmal von seiner letzten Nacht. Bevor es in den „Farbfernseher“ ging, war da eine Party in einem großen, alten Kaufhaus. Supervoll. Noch wird Aminé nicht überall erkannt, zur Sicherheit trug er aber schon mal einen Hut. Star-Allüren? Ein bisschen vielleicht. Zu Recht. Wie er in seinem Song „Yellow“ singt: „You’re damn right, I’m feelin’ myself. You know you’d do the same if that was yourself.“