Dacre Montgomery über sein Leben seit „Stranger Things“
Der Stranger Things-Crush verrät uns, wie eine einzelne Rolle sein Leben verändert hat: „Es war verrückt“.
Text: Ben Barna // Foto: Austin Hargrave / Netflix
Die stolzen Besitzer eines Netflix-Accounts unter euch haben sich vermutlich schon vom Talent des australischen Schauspielers Dacre Montgomery überzeugen können. Der 22-jährige aus Perth, der Anfang des Jahres einen der maskierten Helden in „Power Rangers“ spielte, hat einen Monat im Ausnahmezustand hinter sich – dank seiner verstörenden Performance als Billy in der zweiten Staffel von „Stranger Things“, die Montgomery Hunderttausende von Bewunderern beschert hat. Billy, der seiner Stiefschwester Max das Leben zur Hölle macht, ist der hartgesottene Tyrann, den jeder hasst. Die Duffer-Brüder, Erfinder von „Stranger Things“, konnten bereits erahnen, was Montgomery für seine Rolle im Kopf hatte, als sie sich sein aufgezeichnetes Vorsprechen ansahen – ein sehr wichtiger Clip, der kürzlich viral gegangen ist. Und das aus gutem Grund. Wir haben Dacre Montgomery gefragt, wie es ist, eine Rolle zu bekommen, die über Nacht dein Leben verändert.
Hast du sehr viel Druck verspürt, als du diese Rolle bekommen hast, weil du wusstest, dass so viele Leute zuschauen werden?
Ja, aber ich denke, es ist auch eine gute Gelegenheit, wirklich Chuzpe in eine Rolle zu bringen, etwas wirklich Besonderes daraus zu machen. Wenn überhaupt, spornt es noch mehr an, eine Rolle in einer Welt aufzubauen, die bereits existiert. Ich glaube nicht, dass ich mich unter Druck gesetzt gefühlt habe. Ich habe eher eine Chance gesehen.
Wie schnell kam nach dem Casting die Erkenntnis, dass diese Rolle dein Leben verändern könne?
Es greift genau das wieder auf, was ich gerade gesagt habe. Ich habe eine Gelegenheit gesehen, mir wurde eine Chance gegeben, ich habe versucht, das Beste aus dieser Chance zu machen – und jetzt darf ich hoffentlich in noch mehr großartige Geschichten involviert sein, was auch der Grund ist, weshalb ich mich überhaupt für die Schauspielerei entschieden habe. Ich interessiere mich sehr fürs Erzählen und Erforschen von Geschichten und kann das hoffentlich noch viele Jahre weiter tun.
Macht es mehr Spaß, einen unberechenbaren und düsteren Charakter wie Billy zu spielen als den traditionellen Held in „Power Rangers“?
Ja. Wenn du jemanden mit so unklaren Absichten spielst, weißt du nie, was als nächstes passiert. Aber was auch interessant war, war die Ähnlichkeit zwischen einem Protagonisten wie in „Power Rangers“ und seinem Antagonisten zu finden. Was haben diese beiden Typen, die beide in der High-School sind, gemeinsam? Wer ist der Held, wer ist der Bösewicht, was ist ihre Verbindung? Was sind ihre Unsicherheiten? Diese Rolle hat viel Spaß gemacht. Es gab viel Spielraum am Set mit den Duffers, man konnte viele eigene Ideen einbringen, Textzeilen ändern, solche Sachen.
Hattest du viel Einfluss auf die Rolle, die wir auf dem Bildschirm sehen?
Ich denke, eine Rolle ändert sich zwangsläufig mit dem Schauspieler – er bringt einfach seine eigene Note hinein. Ich würde sagen, es ist 60/40: 60 Prozent auf der Duffer-Seite und 40 Prozent auf meiner Seite. Oft haben wir Sachen geändert, weil sich die Erzählung ständig geändert hat. Wir haben zum Beispiel Folge fünf gedreht, ohne dass die Duffers bereits sieben, acht und neun geschrieben hatten. Also gab es mehr Diskussionen darüber. Das ist so toll an den beiden Brüdern: Sie sind in einem offenen Austausch mit ihren Schauspielern. So hat jeder die Möglichkeit, seine Rolle über eine Staffel hinweg zu entwickeln, ohne dass sie vorherbestimmt ist.
Hast du Billy als einen komplett dunklen Charakter empfunden? Oder konntest du eine unbeschwerte Seite an ihm finden?
Ich denke, es geht etwas sehr bedrohliches vor, von dem man am Ende der neunten Folge eine Ahnung bekommt. In der achten Folge haben wir den bösen Typen tatsächlich vermenschlicht. Als wir also die Folgen vier, fünf und sechs gedreht haben, habe ich zu den Duffers gesagt: „Leute, dieser Charakter ist nur ein wütender Typ, aber was steckt dahinter?“ Das größte daran, einen Anti-Helden zu schaffen – jemanden, den die Leute gleichzeitig mögen und hassen können – ist für mich, diese Person menschlich zu machen. Aber ich denke, da schlummert noch etwas weit Schlimmeres, das sich hoffentlich in weiteren Staffeln entwickeln wird.
Können wir über deine Haare sprechen? Ich nehme an, das ist eine Perücke.
Ja, die seitlichen Haare sind eine Perücke, die Haare oben sind meine. Sarah hat einen tollen Job gemacht, sie leitet das Hair-Department. Es gibt da diese komische Seite an ihm mit seiner engen Jeans und dem Ohrring. Das war auch wieder 60/40: Beim Haare-/ Make-up und der Kostümabteilung hatte ich ein Mitspracherecht. Ich kann mich dort sehr glücklich schätzen.
Erkennen dich die Leute auf der Straße ohne Perücke?
Es war verrückt. Ich dachte schon, es war hektisch, als „Power Rangers“ herauskam. Aber in den letzten zwei Wochen war ich wieder in Perth, Australien, wo ich lebe, wenn ich nicht arbeite. Ich bin an einem Tag ausgegangen und hatte einen Schnurrbart – einen dicken Schnurrbart, eine Brille und einen Hut – und konnte mich buchstäblich nirgendwo richtig bewegen. Ich denke, die Leute erkennen einfach die Gesichtsform. Von jedem, den wir auf dem Bildschirm sehen, erkennt man unbewusst seine Gesichtszüge, seinen Gang, wie er geht, alles. Aber ich habe jetzt Möglichkeiten, mich zu verstecken. Ich bin gerade mitten in Sydney, mitten auf einem Platz mit Hunderten von Menschen, und ich hab eine Art Verkleidung gefunden, die anonym bleiben soll.
Was ist mit deinen Social-Media-Accounts passiert, nachdem die Staffel auf Netflix angelaufen ist? Sind sie explodiert?
Ja, es waren 800.000 Menschen in 12 Tagen. Es war verrückt. Man kann ja auf Instagram Insights sehen. Also Geschlechterverteilungen, all so etwas. Vorher waren es 50 Prozent Männer, 50 Prozent Frauen, zwischen 18 bis 35 Jahren. Jetzt sind es etwa 75 Prozent Frauen, der Rest sind Typen. In der ersten Woche bekam ich circa 30.000 Nachrichten, die meisten von Mädchen. Ich denke, dass davon gerade meine Arbeit mit einer Charity-Organisation profitiert. Ich habe Videos hochgeladen, die eine halbe Million Mal aufgerufen wurden. Die Jungs von der Organisation haben mich angerufen und gesagt, dass sie 10.000 Spender in den ersten 24 Stunden hatten, nachdem ich es gepostet hatte. Ich denke, wir sind gerade an einem interessanten Punkt, an dem es so viel Potenzial gibt, Social Media für etwas Gutes und zum Aufbau von Marken zu nutzen. Ich bin also die letzten zwei Wochen in Perth untergetaucht und habe alle möglichen Wege erforscht, wie ich dies nutzen kann, um mich und die Menschen um mich herum zu unterstützen.
Dein Casting-Tape für „Stranger Things“ ist im Netz gelandet und viral gegangen. Wie hast du darauf reagiert?
Ich wollte einfach einen Versuch wagen, als ich es vor einem Jahr eingeschickt habe. Es gab so viele Leute, die für diese Rolle vorgesprochen haben, dass ich dachte: „Ich mache lieber etwas ganz anderes.“ Netflix hat es geliebt, und es war eine Art Insider-Witz zwischen den Duffers. GQ hat das Video diskret geleakt, und plötzlich hatte es zwei Millionen Views auf Facebook und drei Millionen auf anderen Plattformen. Ich war neulich in einer Bar, und dieser Typ kommt auf mich zu (…) und sagt: „Hey, bist du nicht der Typ von diesem Casting-Tape?“
Was waren deine Erwartungen an „Power Rangers“, und warst du enttäuscht von der Zustimmung des Publikums?
Es war eine großartige Zeit, daran zu arbeiten. Meine Schauspielkollegen haben tolle Sachen gemacht, es war mein allererstes Projekt, und ich habe viel über mich, das Stunt-Training und alles Mögliche gelernt. Wir sind zeitgleich mit „Die Schöne und das Biest“ angelaufen, und das war, glaube ich, der landesweit umsatzstärkste Film überhaupt mit einer Altersfreigabe ab 13 Jahren. Wir hatten dennoch ein gutes Eröffnungswochenende, sind dann aber in den USA abgerutscht und haben keine guten Zuschauerzahlen in Übersee eingespielt. Ich bin sehr froh, dass ich direkt im Anschluss zu „Stranger Things“ gegangen bin. Ich suche jetzt einfach nur nach der nächsten Geschichte, um ehrlich zu sein. Ich lese gerade Drehbücher und habe seit vier Monaten nichts mehr aufgenommen. Ich nehme nichts auf für Dinge, die mir egal sind. Ich schreibe, ich bringe mir selbst das Schreiben bei. Ich habe mir vor 16 Monaten Final Draft geholt [eine Drehbuch-Software] und lerne gerade viel darüber, Geschichten aufzubauen, Erzählungen zu kreieren und wie man ein Drehbuch verkauft. Ich versuche, die geschäftliche Seite der Dinge kennenzulernen und kreativ zu sein, auch wenn ich nicht vorspiele. Ich suche nach etwas, das anders ist als der Antagonist in „Stranger Things“, anders als der Protagonist in „Power Rangers“. Etwas, das diese beiden fantastischen Möglichkeiten, die mir gegeben wurden, wirklich fortsetzen wird.
Hast du die Reaktionen auf deine Rolle online verfolgt? Achtest du auf so etwas?
Total. Ich lese alles. Ich mag es nicht, große Resonanzen zu bekommen, weil ich nicht unbedingt an einer Diskussion darüber beteiligt sein möchte. Aber ich bin sehr daran interessiert, wie die Leute die Figur sehen. Ich bin absolut begeistert von den Reaktionen. Ich habe das Gefühl, dass es größtenteils positiv ist. Die Leute mögen, wer Billy ist und spekulieren darüber, was mit ihm als nächstes passieren wird. Ich lache viel mit meinen Kumpels über die Vokuhila und darüber, dass ich offenbar Zac Efrons Vater aus den Achtzigern bin – eine Fan-Theorie, die gerade die Runde macht.