3 Schwarze Mode-Historiker*innen über die einflussreichsten Modemomente Schwarzer Kultur
Trotz Pandemie überschneiden sich auch in diesem Jahr die internationalen Fashion Weeks und der Black History Month. Grund genug, ein weiteres Mal darauf zu schauen, wie Schwarze Kultur die Modegeschichte beeinflusst. Hier erzählen drei Historiker*innen von ihren liebsten Momenten.
Die Feinheiten Schwarzer Kultur sind in jeder Hinsicht tief mit der Modeindustrie verwoben, von Jargon oder Haarstyling bis hin zu Ästhetik und Trends. Dennoch werden die größten Inspirationen der Mode ständig aus ihrer Geschichte gelöscht. Bantu Knots sind zu Space Buns geworden, Durags sind jetzt edgy und zählen als High Fashion. Bambus-Ohrringe sind Laufsteg-würdiger Schmuck, alles im Namen von kultureller Aneignung. Schwarze Kultur hat als Muse hinter den größten Modebewegungen und Designerkollektionen gedient, ohne dass dies auch nur ansatzweise gewürdigt wurde. Die ungenannten Held*innen und versteckten Figuren, also Schwarze Designer*innen, Stylist*innen und Kreative, haben der Modeindustrie mehr gegeben, als sie jemals zurückbekommen werden. Jetzt aber dokumentieren Schwarze Modehistoriker*innen die Geschichte und machen sie sichtbar, leicht zugänglich und durch Literatur, Galerien und soziale Medien teilbar.
Einfluss von BLACK CULTURE in Modegeschichte und Popkultur
Im Folgenden haben wir mit drei Schwarzen Modehistoriker*innen über den komplexen Einfluss von Schwarzer Kultur auf die Modeindustrie gesprochen. Außerdem geht es um den Einfluss, den Schwarze Frauen, Männer und Mitglieder der LGBTQ+ Community nicht nur in der Mode, sondern auch in der Popkultur haben.
ERIC DARNELL PRITCHARD, PH.D.
Foto: T-Stagg Photography
Eric Darnell Pritchard lebt in Fayetteville, Arkansas und arbeitet als Wissenschaftler und Lehrer. Außerdem ist er Inhaber des Stiftungslehrstuhls für englische Literatur an der University of Arkansas und bekannt für sein Buch „Fashioning Lives: Black Queers and The Politics of Literacy”. „Ich kämpfe für die Bewahrung Schwarzer Modegeschichte, indem ich die Aufmerksamkeit auf die versteckten Figuren der Modegeschichte, der Schwarzen Geschichte und der queeren Geschichte lenke“, sagt Pritchard. „Was bedeutet es für uns, diese Geschichten über Schwarze Modedesigner*innen als einen Weg zu nutzen, um wirklich Fragen von Anti-Blackness und wirtschaftlicher Ungleichheit anzusprechen, wenn es um Chancen für Schwarze Modedesigner*innen, Models, Hairstylist*innen, Make-up-Künstler*innen und Menschen geht, die jetzt in der Branche arbeiten?“
ÜBER DEN EINFLUSS DER LGBTQ+ COMMUNITY AUF DIE MODEINDUSTRIE
„Es liegt eine Art von Gewalt in der Auslöschung von Geschichte und es ist wirklich unmöglich, die Geschichte der Mode ohne LGBTQ+ Stimmen zu erzählen. Der Einfluss von trans*- und nicht-binären Models ist etwas, das die Leute oft übersehen. Tracey ‚Africa‘ Norman war das erste Schwarze trans* Model, das in der Modeindustrie wirklich prominent war. Sie ist eine Wegbereiterin. Sie war in allen großen Magazinen und wurde von Marken wie Avon für Kampagnen angeworben. Eine weitere Schwarze queere in der Modebranche ist James Harris. Er hat für jeden die Haare gemacht, von Diana Ross und Tyra Banks bis zu Luxusfirmen wie Gucci. Er war einer der ersten Friseure in den Vereinigten Staaten, der mit größeren Firmen zusammenarbeitete und darauf aufmerksam machte, wie wichtig es ist, Produkte zu kreieren, die die Vielfalt der Haare widerspiegeln.“
DARÜBER, WIE DIE HOUSE-, BALLROOM- UND DRAG-KULTUR DIE MODE BEEINFLUSST HAT:
„Queere Kultur, Drag-Kultur und Performer*innen of Color haben die Modeindustrie in jeder Hinsicht beeinflusst, von der Sprache bis hin zu bestimmten Arten von Verzierungen. Die Ideen, dass jemand „slayed” und das „face beat” bekommt [im Sinne von gestyled, Anm. d. Red.], sind queerer Beiträg. In der eigentlichen Ästhetik ist das „campe” [theatralische, Anm. d. Red] das, was wir in der Übertreibung und Verzierung auf manchen Kleidungsstücken sehen. Drag ist „camp”, und Modedesigner*innen arbeiten als Katalysator dessen und machen es einem allgemeinen Publikum zugänglich. Ein weiterer Teil ist das queere Nachtleben, vor allem in den späten 60ern, 70ern und 80ern, das einen großen Einfluss auf die Mode hatte und Designer*innen wie Stephen Burrows beeinflusste. Sie kanalisierten die Energie von Paradise Garage und Studio 54 in die Kleider, die auf dem Laufsteg gezeigt wurden.“
LIEBSTER MODEMOMENT EINER SCHWARZEN PERSON IN DER POPKULTUR
Diahann Carroll als Dominique Deveraux in der Serie „Denver Clan”
„Als Kind, das mit alten Episoden von „Denver Clan” aufgewachsen ist, dachte ich, sie sei so glamourös. Ich sehe als Schwarze Queere Person den Einfluss, den sie auf mich und so viele andere Schwarze Queere Menschen hatte – einschließlich Patrick Kelly, Willi Smith, und die Art, wie wir über Stil sprechen.“
Foto: Ron Galella/Ron Galella Collection/Getty Images
TIANNI JANAE GRAHAM, B.B.A.
Foto: Tianni Janae Graham
Tianna Janae Grahams frühe Erinnerungen an das Sammeln von Magazinen und das Basteln von Collagen bereiteten sie auf eine Karriere im Bereich Modegeschichte und Archivierung vor. Nach ihrem Studium in „Fashion Merchandising” nahm sie eine Stelle als Archiv-Assistentin an und gründete den Instagram-Account Archive Alive, der seltene, historische Modebilder zeigt. „Ich kanalisiere alles, was ich beruflich machen möchte, während ich Menschen Geschichte auf eine verdauliche Art und Weise vermittle“, sagt Graham. „Ich erzähle diese Geschichten und liefere alle Informationen, die ich über jeden finde*n kann, der*die an einem Projekt oder Foto gearbeitet hat. Die Dinge einfach in Echtzeit zu dokumentieren ist dabei ein wichtiger Schlüssel.“
ÜBER SCHWARZE FRAUEN UND DEN EINFLUSS DES HIP-HOP AUF DIE MODEINDUSTRIE:
„Schwarze Frauen sind die Blaupause für die Modeindustrie, wir werden oft nicht gewürdigt. Die Industrie schaut oft zu uns, um zu sehen, was neu oder hip ist, und dann nehmen sie es und verwässern es, assimilieren es und machen es verdaulicher für den populären Konsum.”
„Ich verbinde den Einfluss Schwarzer Menschen auf die Mode oft mit dem Hip-Hop. Er war so einflussreich, bis hin zu Dapper Dan und wie der Hip-Hop-Stil auf der Straße bei Drogendealern begann. Dann haben Rapper ihren Stil nachgeahmt und ihn zum Mainstream gemacht. Von da an begannen die Trends. Weibliche Rapper und Hip-Hop-Künstler*innen treiben die Kultur durch ihre Modeentscheidungen kontinuierlich voran. Cardi B und Beyoncé sind in der Lage, archivierte Stücke zu tragen, die die meisten Leute nicht sehen würden – es sei denn, es wäre in einer Museumsausstellung. Lil‘ Kim erhielt Anerkennung von Alexander McQueen und er sagte, sie sei sein Idol, und das war bedeutend für eine Schwarze Frau im Hip-Hop. Diese Art der Anerkennung von einem Designer seines Kalibers war zu dieser Zeit unerhört.“
LIEBSTER MODEMOMENT EINER SCHWARZEN PERSON IN DER POPKULTUR
Lil‘ Kim in einem maßgeschneiderten lila Jumpsuit bei denn VMAs 1999
„Kim wurde von Misa Hylton gestylt und sie hatte das richtige Auge für diesen monochromen Look – die Haare passend zum Outfit, die Schuhe, die Nägel und das Make-up. Das alles war monumental für eine Schwarze Frau im Hip-Hop.“
Foto: KMazur/WireImage/Getty Images
DARNELL JAMAL LISBY, M.A.
Foto: David Burstein
Darnell Jamal Lisby lebt in New York. Die Leidenschaft für die Vermittlung von Modegeschichte und das Zusammenbringen von Menschen verbindet er durch seine Arbeit. Dazu gehören Ausstellungen wie „Pockets to Purses” im FIT-Museum und „2020’s Willi Smith: Street Culture” im Cooper Hewitt Smithsonian Design Museum. „Ich bewahre die Modegeschichte auf eine eher strategische und subtile Weise„, sagt er. „Ich versuche, sie auf eine Art und Weise zu präsentieren, die der nicht unähnlich ist, wie Menschen die Geschichte der Mode verstanden haben: Indem sie Geschichten erschaffen und miteinander verweben. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Ausstellungen meine Stimme zu leihen, die die Geschichten Schwarzer Menschen, Schwarzer Schöpfer*innen und Modefiguren innerhalb der Geschichte der Mode erzählen.“
ÜBER DEN EINFLUSS SCHWARZER MÄNNER AUF DIE MODEINDUSTRIE
„Als wir an der Ausstellung „Pockets To Purses” arbeiteten, wollten wir die Geschichte der Männertasche erzählen. Sie wurde von einer Szene im Film „Beauty Shop“ inspiriert. Der Hauptdarsteller, ein Friseur, wird verunglimpft, weil er eine Männertasche trägt. Ich wusste, dass wir diese Geschichte erzählen mussten, weil sie zeigt, dass auch Männer Taschen und Geldbörsen tragen können. Diese Gender-spezifischen Vorstellungen mussten im aktuellen Klima neu überdacht werden, auch wenn es schon Generationen gab, die eher zur Geschlechtsneutralität tendiert haben.”
„In den 60er bis 80er Jahren haben Rick James, Prince, James Brown, Little Richard und Grace Jones mit der Geschlechtsneutralität in der Mode gespielt. Die Schwarze Community hat immer mit den Geschlechterrollen gekämpft, aufgrund dessen, was Sklaverei angerichtet hat. Sie hat den Schwarzen Mann entmannt. Und ich wollte diese Geschichte über die Handtasche des Mannes erzählen, und zwar an einem Schwarzen Körper, um die Vorstellung aufzubrechen, dass eine Handtasche eben nur etwas für Frauen ist.“
LIEBSTER MODEMOMENT EINER SCHWARZEN PERSON IN DER POPKULTUR
Beyoncé in Custom LaQuan Smith für die „On The Run II” Tour
„Beyoncé nutzt Mode und Kostüme häufig als Mittel, um sich für verschiedene soziale oder kulturelle Botschaften einzusetzen. Als sie zum ersten Mal in LaQuan Smith auftrat, war das so bedeutsam, weil sie noch nie eine Show oder Tour mit dem Outfit eines*einer Schwarzen Designer*in eröffnet hatte.“
Foto: Picturegroup/Shutterstock
Text: Sha Ravine Spence
Titelbild: Picturegroup/Shutterstock & Scott Gires/Getty Images via NYLON.com, alle weiteren Bilder ebenfalls via NYLON.com
Noch mehr Expertise haben wir aufgelistet:
Unternehmen gründen: 10 Schwarze Expert*innen geben Tipps für’s eigene Beauty-Business
5 queere Designer*innen erzählen, wie sie erfolgreich wurden und sich trotzdem treu bleiben
So sehen Designer*innen aus Seoul die Zukunft, Verantwortung und Seele ihrer Designs