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Life Changer: Allein aufs Konzert gehen

Ob Fashion-Piece, Serie, Buch, Underground-Phänomen oder Beauty-Produkt: Es sind manchmal auch die scheinbar kleinen Dinge, die unser Leben verändern. In unserer Serie „Life Changer“ teilen wir Alltagserfahrungen, die uns zu dem gemacht haben, wer wir heute sind. Und inspirieren damit hoffentlich auch euch, sie selbst auszuprobieren.

Fotocollage: Christopher Furlong / Getty Images // Text: Gabriela Herstik  

Mein Herz raste. Ich fühlte mich, als müsste ich mich übergeben. Jeder Zentimeter meines Körpers war vollgepumpt mit Adrenalin, während ich mit hunderten von Fremden darauf wartete, dass „Envy on the Coast“ die Bühne betreten würde. Und dann passierte es: Das Schlagzeug setzte langsam ein, dann die Gitarre. Und plötzlich war meine Fantasie Realität geworden. Eine Band, von der ich schon seit Jahren wie besessen war, die sich aufgelöst hatte, bevor ich überhaupt angefangen hatte, ihre Platten zu hören, war wieder auf der Bühne vereint und spielte – so fühlte es sich an – nur für mich. Und sobald das erste Wort erklang, begann ich so exzessiv zu tanzen, wie ich es noch nie erlebt hatte. Ich fühlte mich frei.

Wahrscheinlich auch deshalb, weil ich mich um niemanden anderen als mich kümmern brauchte. Ich musste keine Rücksicht darauf nehmen, ob ich meinen Freunden hinter mir die Sicht versperrte oder ihnen beim Tanzen versehentlich die Ellbogen in die Seite rammte. Es war völlig egal, dass ich tanzte, als wäre ich allein in meinem Zimmer und niemand könnte mich sehen. Ich war allein auf diesem Konzert, und es war eine der prägendsten Erfahrungen meines Lebens.

Zurzeit unternehme ich vieles allein. Ich gehe alleine lunchen, ich reise allein und gehe eben auch allein auf Konzerte. Was vor allem daran liegt, dass ich mir immer schon gern Bands angesehen habe. Während meiner Schulzeit war ich fast jedes Wochenende in Clubs, habe Emo-, Punk- und Metal-Shows besucht, Tanz-Partys und Indie-Jams. Klar fühlt man sich nicht auf allen Konzerten gleich wohl. Und doch bin ich davon überzeugt, dass jeder von uns mindestens einmal allein auf ein Konzert gehen sollte. Vor allem, wenn es eine Band ist, die man wirklich liebt.

Warum? Nun, zuallererst ist Musik eine hochemotionale Angelegenheit, die bestimmte Erinnerungen und Gefühle in einem weckt. Und egal, ob eure beste Freundin für die gleiche Band schwärmt: Eure Beziehung zu dieser Musik wird auf eine gewisse Art und Weise immer eine andere sein als die eurer Freunde. Darum solltet ihr eure eigenen Erfahrungen auf diesem Konzert machen, ohne darauf zu achten, wie es sich für andere anfühlt. Tanzt, singt, weint und lacht in eurem eigenen Rhythmus, auf eure eigene Weise. Manchmal ist es einfacher, sich nicht jemandem erklären zu müssen. Das bedeutet nicht, dass wir unsere Erfahrungen nicht mit unseren Liebsten teilen sollten. Aber wir sollten sie auch nicht von ihnen abhängig machen.

Als ich vor vier Jahren zum ersten Mal allein ein Konzert besuchte, hatte ich gerade mein Studium begonnen. Ich sehnte mich nach den vielen Musik-Events meiner Schulzeit und beschloss, mir eine Indie-/Folk-Show anzusehen, von der ich in der Zeitung gelesen hatte. Ich kannte keine der Bands, ganz zu schweigen von den Menschen dort. Ich verbrachte die meiste Zeit auf einem Barhocker, beobachtete die Bühne und fühlte mich unwohl. Irgendwann stand ich auf, um zu tanzen und schlich mich dann schnell zu meinem Auto, weil ich am nächsten Morgen um 8 Uhr wieder bei der Vorlesung sein musste. Trotzdem hatte ich eine wichtige Erfahrung gemacht. Ja, mein erstes Solokonzert war komisch, aber zumindest wusste ich, dass es das nächste Mal besser sein würde. Und wisst ihr was? Das war es.

Der Trick ist, sich bewusst zu machen: Alles, was außerhalb der Komfort-Zone liegt, fühlt sich zunächst komisch an. Aber nur so entwickeln wir uns weiter! Natürlich muss jeder selbst herausfinden, was für ihn das Richtige ist. Wenn ihr wirklich Angst davor habt, allein auf ein Konzert zu gehen, dann lasst es lieber. Oder sucht euch eine andere Veranstaltung, bei der ihr euch wohler fühlt.

Ihr wollt im Gegenteil noch eine Schippe drauflegen? Wie wäre es, wenn ihr gleich ein ganzes Festival allein besucht? Es gibt für Solo-Festival-Gänger auch einen einfachen Tipp: Wenn man nervös wird, weil gerade keine Band spielt, die man sehen will, läuft man einfach ein wenig herum und macht Fotos von der Menge. Es ist völlig okay, sich an solch kleinen Hilfsmitteln festzuhalten. Also: Beschäftigt euch mit etwas, statt verkrampft aufs Handy zu starren. Interagiert mit der Gruppe, damit ihr euch als Teil von ihr fühlt.

Wenn man dann die Augen geschlossen hat und den Menschen zuhört, wie sie die Lieder einer Band mitsingen, fühlte man sich ohnehin als Teil eines größeren Ganzen. Und: Findet Freunde, auch wenn ihr sie danach wahrscheinlich nicht wieder sehen werdet. Die Leute, dort sind meist unglaublich offen und herzlich.

Damit ihr auf dem Konzert oder Festival die beste (und sicherste!) Zeit eures Lebens habt, gibt’s hier ein paar Tipps:

  • Informiert euch vorher über den Veranstaltungsort. Wenn es eine sehr abgelegene Gegend ist, lasst euch von einem Freund oder Taxi bringen bzw. abholen und bleibt möglichst in der Nähe von anderen.
  • Schickt euren Freunden oder eurer Familie euren Standort oder gebt ihnen die genaue Adresse durch. So wissen sie immer, wo ihr seid. Sagt ihnen auch Bescheid, wenn ihr das Konzert verlasst und euch auf den Heimweg macht.
  • Klar, ein Gin Tonic hat noch niemandem geschadet. Aber einer ist auch besser als fünf. Statt euch vollends abzuschießen, solltet ihr möglichst noch alle Sinne beieinander haben, wenn ihr allein unterwegs seid.
  • Checkt, wo die Notausgänge sind (nur für den Fall der Fälle!)
  • Kommt mit Leuten ins Gespräch. Jeder im Raum ist wahrscheinlich genauso aufgeregt wie ihr. Verteilt Komplimente, tanzt mit jemandem. Wenn er komisch ist, könnt ihr ja einfach weitergehen.
  • Kommt früh genug, damit ihr euch einen guten Platz sichert. Alternativ: Wenn die Vorband fertig ist und die Leute nochmal an die Bar gehen, rückt in die ersten Reihen vor.
  • Wenn ihr allein auf ein Festival geht, nehmt eine Kamera oder ein Notizbuch mit. Sobald ihr euch unsicher fühlt, macht Fotos von coolen Menschen, schreibt eure Gefühle auf – und erinnert euch daran, dass ihr völlig in Ordnung seid!
  • Packt eine Powerbank ein, um euer Handy zwischendurch zu laden. Oder bittet den Barmann euch ein Taxi zu rufen, falls euer Akku leer sein sollte.
  • Geht ein paar Minuten vor Schluss, damit ihr euch nicht mit der gesamten Menschenmasse rausschieben müsst.

Und denkt immer dran: Allein auf ein Konzert zu gehen, sollte sich gut anfühlen, euch darin erinnern, weshalb ihr Musik so liebt und letztendlich auch euer Selbstbewusstsein pushen. Es ist nie so seltsam, wie es vielleicht im ersten Moment klingt. Also: Hört auf euren Bauch, bereitet euch ein wenig vor – und tanzt euch die Seele aus dem Leib.

Nylon
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