Die Instagram-Künstlerin John Yuyi hat Social-Media verändert
Die Künstlerin John Yuyi betreibt einen der innovativsten Accounts auf Instagram. Im Interview hat sie über Trennungen, das Alleinsein und die Zusammenarbeit mit Gucci gesprochen.
Text: Grace Cheng // Foto: John Yuyi
Die taiwanesische, in New York lebende Künstlerin John Yuyi ist eine der innovativsten Kreativen auf Instagram. Bekannt wurde sie mit ihren temporären, von den sozialen Medien inspirierten Tattoos, die schnell viral gingen. Überhaupt zählen Yuyis Stücke zu den kreativsten Arbeiten, die wir je gesehen haben. Glaubt ihr nicht? Dann fragt doch einfach einen ihrer unzähligen Follower auf Instagram. Oder Gucci, die Yuyi im April für eine Kooperation im Rahmen ihrer Kollektion „Le Marche Des Merveilles“ angefragt haben.
Yuyi verbindet mit ihren Kunstwerken Social Media und Luxusmode auf ganz neue Art und Weise. Und obwohl sie in ihren Arbeiten bereits Themen wie Eitelkeit, Selbstentfaltung und menschliche Beziehungen erforscht hat, hat sie noch immer viel zu sagen. Wir haben uns mit der 26-jährigen Künstlerin getroffen und mit ihr über ihre Ziele für die Zukunft gesprochen, ihre inneren Kämpfe und darüber, wie das Ende einer Beziehung sie zur stärksten Person gemacht hat, die sie jemals war.
New York City und Taipeh sind sehr unterschiedlich. Hast du seit dem Umzug nach New York irgendeinen Kulturschock erlebt? In Taipeh gibt es nur eine ethnische Gruppe. Als ich hierher gezogen bin, habe ich gelernt, dass es viele Dinge gibt, bei denen man vorsichtiger sein muss. Meine Absicht ist niemals, dass sich die Leute unwohl fühlen, aber manchmal… Ich erinnere mich, dass ich einmal bei meinen Fotos keinen Blitz benutzt habe und einen helleren Lippenstift und eine Perücke getragen habe. Dadurch wirkte meine Hautfarbe dunkler und die Leute kommentierten: „Das ist Blackface.“ [Wenn sich eine weiße Person ein schwarzes Gesicht schminkt]. Und ich so: „Was ist Blackface?“ Und dann habe ich es gegoogelt. Das ist wirklich ein großer Unterschied. Außerdem sind die Leute hier aufgeschlossener. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen (in Taiwan) konservativer und voreingenommener sind.
Was ging dir durch den Kopf, als Gucci dich angefragt hat? Wie ist das abgelaufen?Ich war gerade in Taiwan. Eines Tages bekam ich diese E-Mail aus dem Gucci-Headquarter. Sie haben von einem „NDA“ [Abkürzung für „nondisclosure agreement, auf deutsch: Geheimhaltungsvereinbarung] geschrieben und ich dachte: „Was ist ein NDA?“ Ich habe niemandem davon erzählt, weil ich das Gefühl hatte: „Das ist wirklich, wirklich etwas Ernstes.“ Tief drinnen bin ich förmlich explodiert, aber ich hab diese NDA super seriös behandelt, denn manchmal ist es wie an deinem Geburtstag: Wenn du einen Wunsch [laut] sagst, wird er nicht wahr. Sie haben mir viel Freiraum für meine kreative Arbeit gelassen. Ich habe noch nicht mal geahnt, dass die Reaktion so gut sein würde. Ich bin sehr dankbar.
https://www.instagram.com/p/BR-wNHHjdGX/?hl=de&taken-by=johnyuyi
Warum verwendest du in deiner Arbeit temporäre Tattoos? Als ich an der Modedesignschule anfing, wurde mir klar, dass es keinen Markt, keine Möglichkeit für Modedesigner in Taiwan gibt. Dann habe ich ein Praktikum bei Jason Wu gemacht und entschieden, dass ich in New York sein will. Als ich anschließend zurück nach Taiwan kam, habe ich mich auf zwei Dinge konzentriert: mein Portfolio zusammenzustellen, um ein Künstlervisum zu bekommen und einen Job zu haben, bei dem ich flexibel arbeiten kann, um meine eigenen kreativen Sachen zu machen. Also habe ich anonym temporäre Tattoos im Internet verkauft. Ein halbes Jahr später habe ich mit meiner Swimwear-Kollektion angefangen und temporäre Tattoos mit Facebook-Elementen benutzt, um sie zu promoten. So fing’s an.
Als du angefangen hast, warst du sehr unsicher mit deinen Werken und wolltest sie den Leuten nicht zeigen. Was hat dir geholfen, zu der Künstlerin zu werden, die du heute bist?
Zu Beginn war ich aus vielen verschiedenen Gründen sehr unsicher. Ich wollte mir selbst und anderen wirklich beweisen, dass ich etwas drauf habe, aber gleichzeitig habe ich mich unsicher gefühlt, weil die Leute mich auch beurteilen und sagen würden: „Was genau macht sie da?“ Mir ist es wichtig, was die Leute denken, deshalb erzähle ich niemandem, was ich gerade tue. Ich habe es damals nur meinen sehr engen Freunden und meinem Freund erzählt. Mein Freund war Kameramann und Regisseur von Modefilmen. Als er an der Uni war, hatte er bereits einen Job bei einem Magazin in China. Bei vielen der Dinge, die ich gemacht habe, dachten alle, mein Freund hätte sie gemacht. Es war wirklich traurig, weil er nichts gemacht hat, aber er ist männlich und erfolgreicher. Ich war traurig und frustriert, weil ich so sehr versucht habe, mein eigenes Ding zu machen, aber die Leute immer nur dachten, dass meine Fotos von ihm sind. Schließlich habe ich die Swimwear-Kollektion gemacht, und meine eigene Presse bekommen… Aber dann haben wir uns getrennt. Also dachte ich: „Scheiße, wir machen alles zusammen. Mein kreatives Leben ist zu Ende, weil es einfach nicht ohne ihn geht. Er war immer meine Unterstützung. Ich weiß nicht, wie ich es alleine machen soll.“ Und jetzt ist genau das Gegenteil der Fall. Ich bin allein nach Tokio gegangen, ich bin alleine nach London gefahren, ich bin überall hingegangen und habe alles alleine gemacht. Ich habe meine eigene Ausrüstung gekauft. Allmählich dachte ich: „Ich bin so unabhängig“. Letztes Jahr habe ich in einem wirklich frustrierten Moment befürchtet: „Okay, die Leute werden über dich ablästern.“ Aber wenn sie lästern, reden sie am Ende nur, und du machst etwas. Also lass sie einfach reden.
Was sind deine nächsten Ziele?
Bevor ich 27 werde, möchte ich wirklich gerne eine Einzelausstellung haben. Ich bin auch super spät dran mit meiner zweiten Badekollektion. Meine Samples sind seit einem Jahr draußen, aber ich bin noch nicht zur Produktion gekommen! Also die Badekollektion und die Einzelausstellung. Es gibt noch mehr Sachen, die ich machen will, aber nichts Langfristiges.