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Insta-Schönheit: Wie das #Shelfie unsere Beautyroutine verändert hat

Es ist längst nicht mehr komisch, seine Beauty-Produkte auch ohne #sponsoring zu posten – aber trotzdem verändert das #Shelfie damit unsere Wahrnehmung von Schönheit.

Text: Laura Reilly // Bild via NYLON.com

Vor zwei Monaten hat ein in L.A. lebender Schauspieler namens Justin Alexander ein Foto seines Arzneischranks bei Instagram hochgeladen. Darauf zu sehen war ein Regal voll mit Goop-Produkten, daneben ein gerahmtes Foto der Markengründerin, Schauspielerin Gwyneth Paltrow und ein Zitat, welches lautet: „Ich bin, wer ich bin. Ich kann nicht vorgeben, jemand zu sein, der 25.000 Dollar im Jahr verdient.“ Die unteren beiden Regale sind mit Produkten von Honest Beauty (Marke von Jessica Alba), Kora Organics (von Miranda Kerr), Glossier (Kultmarke von Emily Weiss) und KKWBEAUTY (von Kim Kardashian West) gefüllt.

Justin Alexander ist kein PR-Sprecher oder Influencer, der Immobilien über sein Profil verkauft. Er ist kein Prominenter, der kostenlose Produkte erhält und Geld bekommen hat, um diese Produkte auf seinem Instagram-Account zu zeigen. Er ist nur jemand, der „alle Produkte, ohne die er nicht leben kann, und ein paar andere #shelfie Notwendigkeiten“ teilen will, so die Caption unter seinem Bild.

Wir haben die Zeit längst hinter uns gelassen, in der es schräg erscheint, dass jemand ein Foto der Pflegeprodukte einer anderen Person sehen möchte, aber es kann doch irgendwie komisch rüberkommen, dass sich jemand die Zeit nimmt seine Markenprodukte so in Szene zu setzen und eine Art Fotoshooting mit ihnen zu machen. Das stimmt vor allem dann nachdenklich, wenn er  für die Produkte sogar noch Geld bezahlt hat und nicht umgekehrt. Aber wir leben wiederum im Jahr 2018 und eigentlich ist das mittlerweile gar nicht mehr so seltsam.

Schließlich feiern auch die weniger Einflussreichen unter uns die Produkte, die wir auf einer täglichen Basis benutzen. Wie Jia Tolentinos Artikel Ende 2017 im  New Yorker brillant zusammenfasste, ist die Hautpflege unsere „Self-care of the moment“. Da wir mittlerweile unsere Produktpalette mit Seren und Ampullen für jede Mood unserer Haut erweitern, macht es nur Sinn, dass das „Shelfie“, also ein Bild unseres Beauty-Regals, das Selfie abgelöst hat.

Das #Shelfie (ein Hashtag, der vor nicht allzu langer Zeit die Millionengrenze auf Instagram überschritten hat) und seine Variantenformen, z.B. #SkincareRoutine und #SkincareDiary, machen eine weitere, ansonsten private Angelegenheit auf Instagram öffentlich.

Alexander erzählt mir, dass er Shelfies benutzt, um seine persönliche Story zu erzählen: „Mir wurde klar, dass ich auf diese Art kreativ sein und den Bildern meinen eigenen persönlichen Touch hinzufügen kann.“

Andere Shelfie-Poster sehen dies auch so, aber sprechen auch spezifisch ästhetisch orientierte Ziele an.  Alyssa McCamey wählt die Produkte für ihr Shelfie hin und wieder auch willkürlich aus: „Manchmal mache ich nur ein Foto, weil das Sonnenlicht genau richtig auf die Flasche fällt – dann sieht es so verträumt aus.“

Hübsche Verpackungen und perfekt aufgeräumte Schränke sind das, was das „#Shelfie-Game“ ausmacht. Die Top-Posts des Hashtags bevorzugen sichtbare Markennamen, streng kuratierte Beauty-Schränke und natürlich jede Menge Millenial-Pink – die staubige rosafarbige Verpackung der Watermelon Mask von Glow Recipe, das Babyfacial von Drunk Elephant oder alles, was von Saturday Skin oder Glossier ist, ist in diesen Posts praktisch eine Selbstverständlichkeit.

Die stärksten Kritiker des #Shelfies werden euch sagen, dass das Shelfie eine Erweiterung des Wohlstands-Signals ist, das sich bereits in früheren Trends wie dem Outfit of the Day (#OOTD) verfestigt hat. Genau jetzt werden die Posts über 800€-Margiela-Absätze durch solche über 140€-teure Behandlung ersetzt. Und es stimmt, dass Schönheitsprodukte sehr teuer werden können – vor allem, wenn man bedenkt, dass sie nicht länger als ein paar Monate halten. Krithika Varagurs schreibt auf The Outline: „Reiche Leute haben früher Schlösser und Museen gebaut; heute kaufen sie klobige Smart Watches und personalisierte Vitamine. Diejenigen von uns mit normalem, verfügbarem Einkommen würden, bevor wir alle den Verstand verlieren, Bücher, Kunst oder schöne Schuhe kaufen oder buchstäblich alles, was mehr Freude macht als ein anderes nutzloses Peeling.“

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Jill Seeley stellt seit fast einem Jahr die Produkte ihrer sich ständig weiterentwickelnden Hautpflege-Routine vor. Ihr Feed besteht meist aus Gruppierungen von vier bis sieben unterschiedlich großen und geformten Flaschen, platziert auf einer Marmor-Arbeitsplatte. Die Bildunterschriften beschreiben die Produkte kurz; wie diese in ihre Routine passen und geben einen kurzen Kommentar darüber ab, was bei der Erstellung der Daily Routine für die Hautpflege berücksichtigt wurde. Für sie ist es eine Gelegenheit, zu unterrichten. „Hoffentlich kann ich mit Bildern teilen, was für mich funktioniert und was nicht, um anderen zu helfen. Ich versuche auch, Rezensionen und Flops zu veröffentlichen, damit die Leute ein besseres Verständnis dafür bekommen, was für mich gut funktioniert hat und ob es gut zu ihnen passt oder nicht“, sagt sie.

Auch Alexander sieht das Potenzial, in dem sich seine Shelfies positiv auf seine Follower auswirken. „Ich verstehe den Kampf, den viele Menschen mit ihrer Haut haben, und ich fühle mich wirklich in sie hineinversetzt, sodass es sich für mich anfühlt, als würde ich sie in ein kleines Geheimnis einweihen.”

Kristen Herburgers favorite Thing über das Posten von Shelfies ist die Interaktion mit der Community. „Es gibt so viele von uns da draußen und wir alle haben eine unersättliche Liebe und Neugierde für wirklich wunderbare Produkte. Ich muss viele der Menschen noch persönlich kennenlernen, aber ich weiß, dass ich oft eine fast sofortige Antwort bekommen würde, wenn ich eine DM an ein Mädchen in Großbritannien oder einen Typen in Atlanta schicken würde. Jeder ist so positiv und man unterstützt sich gegenseitig, es gibt kaum eine spürbare Konkurrenz.“

Am Ende tragen Shelfies ein kleines bisschen tragen die Shelfies dazu bei, den Vorhang vorm Geheimnis der „Schönheit“ zu lüften, indem sie die Arbeit, die Werkzeuge und die Kosten aufdecken, die in einen gewünschten Look gesteckt werden müssen. In der Gesellschaft wird von uns immer noch erwartet, dass wir schön sind, aber zumindest dürfen wir zugeben, dass wir hart daran arbeiten, anstatt vozugeben, dass wir alle nur genetisch glücklich sind. Stattdessen gibt uns das Shelfie nicht nur ein Format, um unsere Prüfungen und Reisen zu „guter“ Haut zu teilen, sondern auch eine Gemeinschaft, die uns befähigt, uns sowohl von innen als auch von außen wohl zu fühlen.

 

Nylon
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