Hate Or Love It: Der neue Slipper-Schuhtrend
Sie sind Meinungs-Spalter der Modewelt, ganz genau wie zuletzt die gefeiert-gehassten Schultertops: Slipper. Warum Gucci & Co. den halben Schuh trotzdem feiern.
Text: Kristin Iversen
Wenn ihr, genau wie ich, in den letzten Tagen ziellos nach neuen Frühlingsschuhen gesucht habt (obwohl wir ja trotz Sonnenstrahlen immer noch ein Schnee-Chaos fürchten), habt ihr wahrscheinlich einen Trend bemerkt: Fast jeder Schuh ist „rückenfrei“.
Ähnlich wie das meinungsspaltende schulterfreie Top, das erst Ende 2015 wieder zum Trend wurde, bevor es im März 2017 einen Rückschlag erlitt und im Herbst desselben Jahres trotzdem seinen Höhepunkt erreichte, ist der Slipper schon seit einiger Zeit wieder präsent und wartet nur auf seinen wahren Ausbruchsmoment – a.ka. jetzt.
In seiner Geschichte, die direkt dem Kopf von „Der Teufel trägt Prada“-Figur Miranda Priestly hätte entspringen können, begann dieser Trend auf dem Laufsteg in Form des mittlerweile allgegenwärtigen Provincetown Mules von Gucci. Egal ob bei Regen, Schnee oder Sonnenschein: Gefühlt jede dritte Person, die vor mir an der Broadway-Lafayette-Station in New York die Treppe hinaufsteigt, trägt eben diesen Schuh. Und der Trickle-Down-Effekt (also der Moment, in dem Trends von der Fashion-Branche in den Mainstream sickern) ist enorm. Beim Online-Shopping von Schuhen gibt es jetzt völlig neue Kategorien, die „Pantoletten und Slipper“ umfassen, wo es früher…. ja, eben nicht mehr gab. (Nein, wirklich, die meisten Seiten hatten doch echt nur „Flats“ und „Heels“ und „Boots“. Aber das hat sich geändert.)
Bild: nordstrom.com
Und während ich kürzlich die Schuhauswahl im US-Store Madewell durchgesehen habe, wurde mir durch ein besonderes Modell klar, dass wir den Höhepunkt des Slipper-Schuhtrends erreicht haben: der „Sophia Fold-Down Flat“. Während Madewell allgemein einen größeren Anteil am Slipper-Segment hat, zeichnet sich der „Sophia“ durch einen, na ja, ungewöhnlichen Effekt aus: Das Schuh-Design scheint zu vermitteln, dass die Trägerin ihre Fersen unbedingt so gerne zeigen wollte, dass sie dafür eben den hinteren Teil ihrer Schuhe zerquetscht hat.
Bild: Madewell
Madewell ist nicht die erste Marke, die so etwas wie diese Design-Entscheidung einführt, aber dieser Einstieg in die Extrem-Variante des Trends fühlt sich wie ein Wendepunkt an. Wahrscheinlich ist es bei Lables wie Madewell eine gewisse „aggressive Harmlosigkeit“. Niemand mag Madewell, weil er an komplizierter Mode interessiert ist. Während sich also manche für die Pierre Hardy-Version eines umgeklappten Schuhs entscheiden (heißt „The Secret Mule‘ und wurde auf dem Lifestyle-Blog von Gwyneth Paltrow empfohlen), weil er versucht, einzigartig auszusehen und aufzufallen, ist dies nicht der Grund, aus dem jemand zu Madewell geht. Stattdessen wendet man sich an Labels wie Madewell, um wie alle anderen auszusehen und dabei am meisten wie man selbst zu wirken.
Das alles ist gut und schön, aber die eigentliche Frage bei jedem Modetrend sollte lauten: Ist er einfach zu tragen? Im Falle des Slippers scheint es so, als sollte es das nicht sein. Slipper decken einen Teil des Körpers auf, der oft vernachlässigt wird, was bedeutet, dass ihr, wenn Sie täglich rückenfreie Schuhe tragen wollt, vielleicht mehr Aufmerksamkeit auf die Pflege eurer Fersen richten möchten. Und so wie das Tragen eines Schulter-Tops das Tragen eines BHs erschwert, kann man in den Slippern nicht wirklich Socken tragen – und die Füße können, wie wir alle wissen, ziemlich stinken. (Obwohl, wenn man sich vom Insta-Account @thecloglife inspirieren lassen möchte, wird man sehen, dass es durchaus möglich, ja sogar ermutigt wird, dicke Socken mit einem ausgeprägten, klobigen, Clog zu tragen).
Wie dem auch sei: Diese Fragen sind nur kosmetischer Natur; das Vergnügen eines Slippers hängt eigentlich davon ab, wie leicht er wirklich zu tragen ist. Erst einmal gibt es keine Schnürsenkel, damit auch keine Einschnürungen. Slipper zu tragen ist, als würden wir unsere Pantoffeln auf der Straße tragen, nur wird man dabei vielleicht von mehrern Leuten aufgehalten, die fragen, woher wir sie haben. Und während der Slipper auch in spitzhackigen Versionen zu sehen ist, findet man ihn viel häufiger mit flachen oder Blockabsätzen oder kaum sichtbaren Kitten Heels, was ihn noch mehr zum Inbegriff der Leichtigkeit macht, die die meisten von uns, bewusst oder unbewusst, für den Inbegriff von Style halten. Slipper sind von Natur aus lässig, haben aber auch eine stilistische Absicht, die bei ähnlich bequemen Schuhen oft fehlt. Sie machen eine Aussage, ohne dass man zu hart darauf hinarbeitet, und wer würde so eine Art von Abkürzung nicht ab und zu mal dankend annehmen?
Jetzt, da sogar der US-Händler Target einen offensichtlichen Gucci-Fake anbietet, müssen wir uns fragen: Wird es eine Gegenreaktion auf all diese Fersenfreiheit geben? Wird es bald einen Slipper-hassenden-Blogpost geben? Vielleicht, aber, wie man auch an der Gegenreaktion auf den schulterfreien Trend sehen kann, bedeutet das nicht viel für das, was sicherlich ein langer und anhaltender Trend „rückenfreier“ Schuhe sein wird, da die Allgegenwart des Styles auf Social Media eine solche Vertrautheit hervorbringt, dass wir uns bald nicht mehr an eine Zeit erinnern werden, bevor Madewell und Co. sogar einen „Mules“-Reiter auf seiner Seite hatten.
All das heißt, dass es vielleicht an der Zeit ist, zum Beispiel ein Baby-Fuß-Peeling auszuprobieren, von dem wir schon genau der Zeit gehört haben, als der Gucci Provincetown zum ersten Mal auf den Füßen der Trendsetter auftauchte. Schwer zu sagen, es sei denn, man glaubt wie ich, dass es im Kapitalismus der Mode keine wirklichen Zufälle gibt.