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Alles über „Shape of Water“ und seine fantastischen Heldinnen

Regisseur Guillermo del Toro meldet sich mit dem zauberhaften Fantasy-Märchen „Shape of Water“ zurück. Und das zelebriert – wie schon seine Filme zuvor – die unerschütterliche Stärke der Frauen.

Text: Erica Russell // Foto: The Shape of Water

In seinem neuesten Werk, dem zauberhaften Fantasy-Film „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“, ergänzt Guillermo del Toro seine Reihe fantastischer weiblicher Charaktere um eine weitere vielschichtige, mächtige Heldin. Elisa Esposito (Sally Hawkins), eine Reinigungskraft, die nachts in einer hauptsächlich von männlichen Anzugträgern geführten Regierungseinrichtung arbeitet, fordert alle Erwartungen der Zuschauer heraus. Stumm seit ihrer Kindheit, ist Elisa doch die lauteste Figur des ganzen Films: eine unerschrockene, neugierige, mitfühlende Frau, die sich gegen System und Gesetz stellt und sich in eine intelligente Amphibienkreatur verliebt, die in einem geheimen Labor versteckt gehalten wird.

Sämtliche Makel und Tabus sexueller weiblicher Autonomie werden in den ersten fünf Minuten des Films zum Einsturz gebracht, als Elisa in ihrer Badewanne masturbiert. Die Szene kommt so natürlich daher, dass es absurd erscheint, weshalb so viele andere Filmemacher vor dem Thema weiblicher Selbstbefriedigung prüde zurückschrecken. Mit Elisa, die in ihren Vierzigern kein naives Mädchen mehr ist und im Grunde die „Schöne“ in ihrer eigenen „Die Schöne und das Biest“-Geschichte verkörpert, kann sich jede durchschnittliche Frau identifizieren. Das heißt natürlich nicht, dass sie nicht schön oder sexuell ist. Sie widersetzt sich einfach unserer überholten Vorstellung dessen, wie eine romantische weibliche Hauptrolle auf dem Bildschirm sein oder aussehen sollte. Sie ist „außergewöhnlich und leuchtend“, so der Regisseur, aber auch „eine Frau, die man leicht im Bus neben sich sitzen haben kann.“ Und das ist erfrischend.

„Ich wollte, dass das Publikum versteht, dass [Elisa] keine Disney-Prinzessin ist“, erklärt del Toro. „Sie frühstückt, poliert ihre Schuhe und masturbiert in den ersten drei Minuten des Films. Das ist keine Nummer über Reinheit oder Hoffnungen. Sie lebt ihr eigenes Leben und ist die treibende Kraft des Films… Die meisten wesentlichen Entscheidungen liegen von Anfang an in ihren Händen.“

Im krassen Gegensatz zu Elisa und ihrem Selbstwertgefühl steht ihr frauenfeindlicher, protokollbesessener Boss Strickland, für den sie aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Arbeit unterlegen und ihre Behinderung eine Schwäche ist. Seine veralteten Ansichten stellen ihm jedoch bald selbst ein Bein, als Elisa und ihre Kollegen – allesamt Außenseiter während des Kalten Krieges – die Kreatur in Sicherheit bringen. Strickland traut Elisa solch eine Meisterleistung natürlich nicht zu und bleibt unfähig und ratlos zurück, als Elisa ihn in einem besonders triumphierenden Moment in Gebärdensprache verflucht.

Natürlich ist „Shape of Water“ ein Märchen. Aber während del Toros Filme stets feministische Ideale und Konzepte mit magischen Settings verbinden, sind seine Heldinnen immer fest in unserer realen, fehlerhaften Welt verwurzelt. In seiner Geistergeschichte „The Devil’s Backbone“ ist die überzeugendste Figur des ganzen Films wohl Carmen (Marisa Paredes), die Leiterin eines Waisenhauses im vom Bürgerkrieg zerrütteten Spanien. Als verworrene, tragische Figur ist Carmen vieles gleichzeitig: verhärtet, todunglücklich, sexuell, einsam, verletzlich, stark. Und sie ist eine Kämpferin. Genau wie Mercedes – die Haushälterin aus „Pans Labyrinth“, die zur Revolutionärin wird und über Hauptmann Vidal triumphiert, den brutalen faschistischen Schurken des Films.

„Mercedes verachtet [Vidal], weil er sie nicht sehen kann, da für ihn Frauen unsichtbar sind“, erklärt del Toro. „Sie kann ihn ausspionieren, weil er sie nicht auf dem Schirm hat.“ Aber Mercedes ist nicht die einzige starke Frau in „Pans Labyrinth“: Ofelia, Vidals präpubertäre Stieftochter und zentrale Figur des Films, ist die ultimative Heldin dieses Märchens. Sie erlangt ihre Freiheit – obwohl in ihrem Fall tragisch – erst, nachdem sie sich als selbstverwirklichte junge Frau widersetzt hat – sowohl den Befehlen ihres patriarchalischen Unterdrückers (der wiederum eine Neuinterpretation der bösen Stiefmutter ist) als auch gegenüber dem Pan, der im Laufe des Films immer wieder ihren Gehorsam verlangt.

Auch der Fantasy-Horrorfilm „Don’t be Afraid of the Dark“ (2010), den del Toro mitproduzierte, konzentriert sich auf die Stärke und aufkeimende Freundschaft seiner beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen: der jungen, scharfsinnigen Sally (Bailee Madison) und Kim (Katie Holmes), der Freundin ihres Vaters. Während der männliche Protagonist seine Ängste verleugnet und beiseite schiebt – eine brandaktuelle Thematik, die zu den diesjährigen Enthüllungen unzähliger Frauen passt – knüpfen die beiden Frauen ein vielschichtiges, undurchdringliches Band inmitten all der Schrecken um sie herum.

Doch del Toro baut mehr als nur multiplexe Beziehungen zwischen seinen verschiedenen fiktionalen Frauen auf. Es gibt eine feste persönliche Regel, die er stets in seiner Filmographie durchsetzt: „Ich bin daran interessiert, weibliche Charaktere so komplex wie möglich zu machen“, gibt er zu. „Ich habe zum Beispiel versucht, Mako aus ‚Pacific Rim’ oder den Charakteren aus ‚Crimson Peak’, die viele Schwächen und Eigenschaften haben, die nicht ideal sind, Raum zum Atmen zu geben und sie so multidimensional wie möglich erscheinen zu lassen.“

„Ich begrüße feministische Werte voll und ganz, ohne sie als meine eigenen zu beanspruchen. Und ich denke, dass es wichtig ist, wenn man einen Helden erschafft, dass man diesen Helden nicht auf ein Podest stellt“, fügt der Filmemacher hinzu. „Ich glaube, es gibt zwei Dinge, die sehr zerstörerisch für eine weibliche Figur sein können: Erstens, sie Schönheitsidealen anzupassen, genau wie die Gesellschaft an bestimmten Stereotypen festhält. Und zweitens sie zu dämonisieren. Diese beiden Extreme… nehmen den Charakteren die Luft zum Atmen.“

Während die Darstellung der vielschichtigen Elisa aus „Shape of Water“ zweifelsohne einen Höhepunkt markiert, vor allem im Märchen-Genre, ist del Toros Gelöbnis, interessante, fortschrittliche Frauenfiguren zu entwerfen, nichts Neues. Schon bei der Arbeit an seinem ersten Film „Cronos“ (1993) legte der Regisseur den Grundstein für wunderbar markante Heldinnen.

In „Cronos“ rettet Aurora, ein ruhiges, unerschrockenes kleines Mädchen, das Leben ihres Großvaters mehr als einmal. Ob sie den Vampir in ihrer Spielzeugtruhe versteckt, um ihn vor dem tödlichen Tageslicht zu schützen oder seinen Angreifer mit einem Stock außer Gefecht setzt: Aurora verbringt den gesamten Film damit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, mal besser, mal schlechter danach zu handeln und die Erzählung auf unerwartete Weise voranzutreiben – ähnlich wie Elisa in „Shape of Water“.

Ganz zufällig sind auch del Toro die Parallelen nicht entgangen. „Wenn Sie die durchgehende Linie vom Mädchen in „Cronos“ verfolgen – von dem ich denke, dass es der stärkste Charakter des Films ist und der mit der unerschütterlichsten Stärke und dem unerschütterlichsten Glauben – bis hin zu Sally Hawkins Charakter in ‚Shape of Water’, ist da eine wichtige Verbindung.“

Für die langjährigen Fans von del Toro repräsentiert diese durchgehende Linie jedoch nichts anderes als das fortwährende Vermächtnis, einige der interessantesten, vielschichtigsten und wundervollsten Frauen des Films zu schaffen.

Robin Micha
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