Wie Liebe aussieht, wenn man asexuell ist
Sex ist kompliziert. Sex ist schön, schmutzig, manchmal wie ein Erbeben, und Sex sells. Sex ist natürlich, politisch und überall. Für manche aber ist Sex nichts.
Text: Hayden Manders
Für diejenigen, die sich als asexuell bezeichnen, steht Sex an letzter Stelle, wenn es um Romantik und gegenseitige Anziehung geht. Laut Definition sind dies Personen, die keine sexuelle Anziehungskraft empfinden – nicht zu verwechseln mit dem Zölibat, was selbstauferlegt ist. Etwa 1 Prozent der Weltbevölkerung gilt als asexuell. „In der modernen Verkörperung der Sexlosigkeit sind die Asexuellen eine Gruppe mit mehr und mehr Coming-outs, die für Gleichberechtigung kämpft“, schreibt der selbsternannte Asexualität-Experte Anthony Bogaert im Independent. Trotzdem ist es immer noch die am wenigsten sichtbarste Gruppe in der LGBTQIA-Gemeinschaft – Asexualität wird häufig einfach vergessen oder missverstanden.
Für viele, mich selbst eingeschlossen, die sich die Frage nach ihrer sexuellen Identität stellen, wenn sie merken, dass ihre Libido irgendwie nicht dem Status quo entspricht, kann dies Jahre der Unsicherheit und Hemmnis zur Folge haben. Die Verwirrung, die es bei anderen Leuten hervorruft, wenn man kein körperliches Interesse an irgendwem hat, ist sehr einschüchternd. „Die Leute glauben oft, dass ich schwul sei, da ich kein Interesse am anderen Geschlecht zeige“, erzählt Elliot* und sagt auch, dass er jetzt in der Lage ist, das richtig zu stellen, aber es vor einem Jahr noch nicht war. „Viele meinen, dass ich einfach den oder die Richtige noch nicht gefunden habe oder aber, dass ich mich schäme, meine Homosexualität offen zuzugeben“, fügt er hinzu, was natürlich nicht nur ignorant Elliot gegenüber, sondern auch queerer Sexualität im Allgemeinen ist.
Es stimmt zwar, dass viele Asexuelle überhaupt kein Interesse an jedweder Art von romantischer oder körperlicher Beziehung haben, aber Asexualität und Intimität schließen sich nicht zwangsweise gegenseitig aus. Es gibt Asexuelle, die masturbieren und Asexuelle, die körperlichen Sex haben – das Spektrum ist breit, aber wichtig anzuerkennen, um zu einem größeren Verständnis menschlicher Sexualität im Allgemeinen zu gelangen.
„Sex mit jemand anderem zu haben interessiert mich überhaupt nicht“, sagt der asexuelle Transgender-Mann Hunter Crosby. „Meine engste Beziehung führe ich mit einer Frau, die mir auf emotionaler Ebene sehr wichtig ist – keiner von uns will Sex haben, aber ich fühle mich enger mit ihr verbunden als mit irgendwem, mit dem ich nur der körperlichen Intimität wegen Sex hatte.“ Asexuelle Romantik spielt sich also rein auf Gefühlsebene ab. Manche finden, der sexuelle Akt an sich habe etwas Spirituelles – für andere sind emotionale Schwingungen spiritueller. Für Crosby sind „tiefgehende Gespräche über das Leben, kleine Gesten wie Essenseinladungen und Blumengrüße, oder einfach für den Partner da zu sein, wenn er einen braucht, bedeutsamer als Sex.“
Die Idee einer romantischen, aber asexuellen Beziehung mag verwirrend klingen, aber, wie Crosby sagt, ist „Liebe nicht automatisch gleich Sex, und Sex muss nicht zwangsweise Teil einer liebevollen Beziehung sein.“ Auch Elliot glaubt nicht, dass sich Romantik und Asexualität ausschließen müssen: „Wir sind alle anders gestrickt, und natürlich ist so etwas möglich“. Asexualität ist zunächst einmal Realität. Wie alles andere ist auch Asexualität kompliziert und wird in den unterschiedlichsten Ausprägungen gelebt. Durch ihre Zurückweisung der binären Geschlechtlichkeit werden Asexuelle noch mehr zu Outsidern eines ohnehin schon ausgegrenzten Teils der Bevölkerung. Aber Liebe bleibt Liebe, und genauso wie Sex ist sie nicht einfach zu verstehen. Zelebriert alle Formen der Liebe, so werdet ihr zu guten Verbündeten der Unterrepräsentierten und schafft zwischen euch und ihnen einen sicheren, vorurteilsfreien und optimistischen Raum – ganz wie in einer echten Liebesbeziehung.
*Einige Namen wurden aus Rücksicht auf die Beteiligten geändert.
