Search:

„Tough As You”-Initiative: Hier sprechen Produzentin Nora Medín und Rapper Serious Klein über Musikproduzentinnen und ihren Workshop

Wie steht es um die Positionen und Präsenz von Musikproduzentinnen? Welche Skills und Tipps benötigen aufstrebende Talente, um sich durchzusetzen? Im Rahmen der Initiative „Tough as You” von Dr. Martens beantworten Rapper Serious Klein und Producer Nora Medín diese Fragen in einem Workshop. Welche Erfahrungen sie daraus mitnehmen und wie sie auf Producer*innen der Zukunft blicken, verraten uns die Beiden im Gespräch.

Was haben Missy Elliott, Ariana Grande und Rosalía gemeinsam? Klar, sie sind alle mehr als talentierte Performerinnen, Songwriterinnen, Musikerinnen. War euch aber bewusst, dass sie bei der Produktion ihrer Songs auch einen festen Platz hinter dem Mischpult haben? Dass bekannte weibliche und weiblich gelesene Popstars ihre Songs auch selbst produzieren, sei nur den wenigsten klar, sagt Nora Medín. Sie selbst arbeitet seit Jahren als Künstlerin, Komponistin, DJ, Songwriterin und Producer in der Musikbranche. Es sind aber nicht nur prominente Frauen, deren Skills wir noch viel zu wenig wahrnehmen: Musikproduktion ist nach wie vor eine von cis Männern besetzte Branche, in der wenige Frauen oder marginalisierte Gruppen vergleichbare Positionen einnehmen. Dass das aber längst überfällig ist, ist klar. Um für schnellstmöglichen Fortschritt zu sorgen, organisiert Dr. Martens das Mentor*innennprogramm „Tough As You”. Damit will die Schuhmarke progressive Communities und kreative Talente unterstützen. So auch vor einigen Wochen in Berlin: Bei einem Workshop, organisiert von Mentor und Rapper Serious Klein, kamen Mentee Nora und sieben aufstrebende Producerinnen zusammen, um an Beats zu arbeiten und sich über Skills, Vermarktung, Copyright oder Financing auszutauschen.

Gegen die Unsicherheit hinter den Kulissen

„Der Workshop hat mir die Augen geöffnet. Producerinnen, die gleichzeitig auch Künstlerinnen sind, gibt es immer mehr und das ist gut mit anzusehen”, sagt Serious Klein im Interview. Er sei am Workshop-Tag für Beratung und den emotionalen Support zuständig gewesen, während Nora technische Tipps gab. Sie stellte auch Ton-Samples zur Verfügung, die die Teilnehmerinnen zu neuen Beats zusammenbauen konnten. Das Ergebnis: Spannende Mixes, aber noch viel Unsicherheit hinter den Kulissen. „Wenn sie ihre Arbeiten abgespielt haben, war das immer mit der Aussage verbunden: ,Ist noch nicht fertig…’”, erinnert sich Serious. „Dabei waren die Tracks echt cool. Für mich hat das symbolisiert, was überall stattfindet: Es gibt noch viel Unsicherheit, weil Frauen kleingehalten werden.” „Diese Unsicherheit fällt mir andauernd auch bei männlichen Producern auf”, fügt allerdings Nora hinzu. Trotzdem ist bekannt, dass die Musikbranche vielschichtige Sexismus-Probleme hat und Frauen und marginalisierte Gruppen nach wie vor ausschließt. 

Initiativen wie „Tough As You” sollen deshalb den Status Quo und die diskriminierende Infrastruktur verändern. Mit Bezug auf die Musikindustrie heißt das: Mehr aufstrebende Talente fördern und auf Hürden aufmerksam machen, mit denen Anfänger*innen konfrontiert sind – vor und hinter den Kulissen. Auf internationaler Ebene sind auch andere high-profile Musiker*innen wie UK-Star Mahalia in die Initiative involviert und stehen neuen Talenten mit Insights und Tipps zur Seite.

„Es muss klar werden, dass viele Frauen schon lange heftige Sachen produzieren, nicht nur Producerinnen, sondern auch Music Engineers oder Songwriterinnen. Dieses Wissen vermisse ich im Status Quo.” – Nora Medín

Die Genies sind schon längst da

So weit behind the scenes geht der Blick bei der Kooperation von Modemarken und Musik-Artists eher selten. Auch in der Musikbranche selbst ist noch Luft nach oben, wenn es um vergleichbare Projekte geht. Zwar ändern sich Dinge, jedoch in  schleppendem Tempo, da sind sich Nora und Serious einig. Nora findet falsch, dass Musikproduzentinnen noch wie neue Phänomene oder eine Trenderscheinung behandelt werden: „Es muss klar werden, dass viele Frauen schon lange heftige Sachen produzieren, nicht nur Producerinnen, sondern auch Music Engineers oder Songwriterinnen. Dieses Wissen vermisse ich im Status Quo: Dass es Koryphäen und Genies gibt, die all das schon längst machen. Ich wünsche mir, dass deutlicher wird, inwiefern wir schon weiter sind, als wir denken.”

Safer Spaces, Kategorien und Preise

Nora selbst hat in diesem Jahr den „Female Producer Prize Germany” gewonnen. Wenn wir aber schon so viel weiter sind, inwiefern braucht es noch solche binären Kategorisierungen? Die Frage könnte grob vergleichbar sein mit anderen gesellschaftspolitischen Diskussionen: Geht es darum, Diskriminierungen und ungleiche Teilhabe hervorzuheben oder werden Talente durch eigens geschaffene Kategorien exotisiert und erst recht ausgegrenzt? Wo braucht es Safer Spaces, in denen diskriminierte Gruppen frei und sicher existieren und zusammenarbeiten können, und wie geht das einher mit einem Platz am großen Tisch? Sollten Menschen nach jenem Platz am großen Tisch streben oder eigene Tische eröffnen?

„Wenn man [Frauen]. sagt: Hier habt ihr eure Sparte, ihr bekommt euren Tisch, müsst aber dann auch in eurer Ecke bleiben‘ – Ist das wirkliche Veränderung oder Anpassung, in der man uns glauben lässt, dass sich tatsächlich etwas tut?“ – Serious Klein

„Ich mag es nicht, wenn man mich ,female Producer‘ nennt, ich bin Producer und das ist mein Job, fertig”, erklärt Nora.  In ihrer eigenen Arbeit habe sie das Geschlecht weitestgehend ignoriert, das Business und die Kunst an erste Stelle gestellt, sagt sie. Mentor Serious denkt ähnlich: „Auch das gehört dazu, weiterhin Menschen kleinzuhalten, wenn man sagt: ,Hier habt ihr eure Sparte. Ihr bekommt euren Tisch, müsst aber dann auch in eurer Ecke bleiben‘. Ist das wirkliche Veränderung oder Anpassung, in der man uns glauben lässt, dass sich tatsächlich etwas tut?“ Es geht um den schmalen Grat, gleichzeitig Diskriminierungen, Gefahren und fehlende Gleichstellung sichtbar zu machen und Betroffene nicht darauf zu reduzieren oder als Einzelfälle darzustellen. Der Status Quo könnte ein langsamer, aber realistischer Zwischenstand sein, in dem der Fokus auf weiblich gelesene Branchenmitglieder gelegt wird, das Endziel aber wahre Gleichstellung ist.

Wer Produzent*in ist, ist meist Künstler*in und selbstständig. Wir sind darauf angewiesen, etwas aus eigener Kraft zu stemmen, sehr viele Connections zu machen, auf Leute zuzugehen.” – Nora Medín

Für mehr Kooperation und Community

Trotz der Kritik an Kategorisierungen sieht Nora Zwischenstände wie den Preis positiv. Für sie sind diese Entwicklungen ein Zeichen, dank dem auch Hörer*innen außerhalb der Musikbranche verstehen, dass Frauen Musik produzieren. Eine weitere, wichtige Lösung liegt für sie im Networking: „Wer Produzent*in ist, ist meist Künstler*in und selbstständig. Wir sind darauf angewiesen, etwas aus eigener Kraft zu stemmen, sehr viele Connections zu machen, auf Leute zuzugehen und manchmal auch frech zu sein. Als ich angefangen habe, habe ich wild Leute und Firmen angerufen, irgendwelche Audio-Supervisor von Gaming-Firmen, stundenlang auf LinkedIn recherchiert und versucht, diese Menschen zu erreichen, weil ich dachte: Irgendwie muss es ja anfangen.” Für sie gehört neben Networking deshalb die Kollaboration zu den wichtigsten Kräften, um die patriarchalen Strukturen der Musikbranche endgültig aufzulösen.

„Tough As You”: Privilegien für Plattform nutzen

„Wir müssen das Privileg erkennen und für Veränderung und die Betroffenen nutzen. Das war’s, und dann hält man auch einfach mal den Mund”, sagt Serious über Zusammenarbeit und das Verhalten von männlichen Producern. Offen zugängliche Song-Dateien im Netz, Beats, die von Künstler*innen frei zur Verfügung gestellt werden, sodass jeder Mensch mit einem Computer damit arbeiten kann – seit Jahren schreitet die Demokratisierung von Musikproduktion im Netz langsam in diese Richtung. Labels werden abhängiger von Künstler*innen, sitzen weniger am langen Hebel und sind ständig auf der Suche nach dem nächsten viralen Hit-Wunder. Deswegen ginge es unter Künstler*innen vor allem um gegenseitigen Support, hebt auch Serious noch einmal hervor. Er selbst sei musikalisch und karrieretechnisch vielleicht noch nicht an seinem Ziel angekommen, dennoch ist es ihm wichtig, kleineren Künstler*innen auf Social Media einen Shoutout zu geben und sie zu promoten.

„Wir wollten den Teilnehmerinnen eine Plattform zu geben, die wir selbst so früher nicht hatten. Vieles ist von einem Momentum, einem Hype abhängig, und es gibt Menschen in der Industrie, die einem helfen können, es aber eben nicht machen.” – Serious Klein

An genau diesen Gedanken orientierte sich auch der „Tough As You”Workshop mit Dr. Martens: „Wir wollten den Teilnehmerinnen eine Plattform zu geben, die wir selbst so früher nicht hatten”, erklärt Serious. „Vieles ist von einem Momentum, einem Hype abhängig, und es gibt Menschen in der Industrie, die einem helfen können, es aber eben nicht machen. Diese Denkweise wollten wir beseitigen.“ Und das hat scheinbar funktioniert: „An die Zusammenarbeit muss man sich gewöhnen”, erinnert sich Nora an den Workshop-Tag. „Zuvor hatten alle Teilnehmerinnen für sich gearbeitet und das ist auch vollkommen okay, aber am Ende des Tages war jede stolz auf ihre Arbeit, hat sie präsentiert und war happy – trotz Unsicherheiten am Anfang.”

Kein Nachgeben, kein Abwarten

Darüber, dass diese Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung intersektional stattfinden muss und nicht bei der Gleichstellung von (weißen) cis Frauen und Männern aufhören darf, sind sich Mentor*innen und Teilnehmerinnen vermutlich einig. Das Ziel ist eine umstrukturierte und gemeinschaftliche Branche. An diesem Punkt gehen Nora, Serious und die Producerinnen aber schon einmal mit bestärkten Gefühlen aus dem „Tough As You”-Workshop. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass Frauen nicht gehört werden, sagt Serious, denn: „Alles trägt dazu bei, dass Männer keine andere Wahl haben, als den Weg frei zu machen.” „Es muss mehr kollaboriert und miteinander gesprochen werden, diese Zusammenarbeit ist extrem wichtig und vital”, fasst Nora abschließend noch einmal zusammen. Und in einer Erkenntnis wären sich vermutlich Mentor*innen und Teilnehmer*innen nach ihrer Zusammenarbeit erneut einig: Niemand muss darauf warten, von einer Branche akzeptiert zu werden. 

Fotos: Dr. Martens

In Kooperation mit Dr. Martens.

Seht ihr euch auch schon hinterm Mischpult? Dann könnte euch das hier interessieren:

Traumjob Musikproduzentin: Diese 7 Producerinnen solltet ihr kennen

Diese 12 Songs von Künstlerin und Musikerin SOPHIE haben die Musikwelt verändert

Robin Micha
No Comments

Sorry, the comment form is closed at this time.

Carly Rae Jepsen erzählt, warum sie selbst der rote Faden ihres neuen Albums ist Previous Post
Das We(e)sentliche – Sängerin Zoe Wees im Interview über ihre Musik als Tagebuch, Go-To-Sweatpants und ihre „Styled by Kollektion” Next Post

Follow us

Username field is empty.