Whippin‘ Dirty: Sängerin Kiiara im Interview
Kiiara jobbte einst im Baumarkt und wird nun als „die Zukunft des Pop“ gehandelt. Ihr Smashhit „Gold“ ging nicht nur auf Youtube ab wie eine Rakete. Jetzt kommt das neue Video zur Single „Whippin“. Wir sehen: Millenial pinke Haare, eine ziemlich beeindruckende Flammen-Jacke, derbe Karren, ordentlich Marihuana, Seifenblasen, Grillz und eine Knarre… Diesen krassen Gangsta Auftritt haben wir zum Anlass genommen, die 21-jährige Amerikanerin zum Interview zu treffen, denn wer würde das nicht tun?
Interview: Thomas Clausen
Kiiara, wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?
Schon als kleines Mädchen bekam ich ein paar Jahre lang Klavierstunden. Ich habe insgesamt sieben verschiedene Musiklehrer verschlissen, weil sie alle völlig genervt von mir waren. Ich habe mich standhaft geweigert, Noten zu lernen und stattdessen nur so getan, als würde ich auf die Blätter schauen, während ich eigentlich nur nach Gehör spielte. Irgendwann hat auch der letzte das Handtuch geschmissen.
Was gab den Ausschlag, deine eigene Musikkarriere zu beginnen?
Alles hat sich ganz langsam entwickelt. Anfänglich war die Musik eine Art, mit meinen Panikattacken umzugehen. Ich habe meine Gefühle und Erlebnisse in Texten verarbeitet. Mein erster richtiger Song war „Gold“. Einen großen Einfluss hatte auch Eminem. Mit 7 habe ich zum ersten Mal seine Musik gehört und war sofort fasziniert von dem, was er in seinen Lyrics ausdrückte. Meine Mutter war regelmäßig sauer, weil ich seine Platten in einer wahnsinnigen Lautstärke in meinem Zimmer laufen ließ.
Wen würdest du noch als Einfluss auf deinen Sound nennen?
Eminem hat definitiv seine Spuren hinterlassen, was sein einzigartiges Storytelling angeht. Er ist ein unglaublicher Geschichtenerzähler, der einen mit seinen Texten und seinen großartigen Rhymz fesselt. Außerdem haben mich noch Skylar Grey und natürlich Rihanna beeinflusst. Sie hat diese besondere „I don`t care-“Einstellung und schert sich null darum, ob irgendwem gefällt, was sie tut. Hauptsache, sie ist mit dem zufrieden, was sie abliefert. Das finde ich bewundernswert. Und natürlich Linkin Park. Ich war schon mit 5 ein riesiger Linkin Park-Fan!
Wie kam die Zusammenarbeit für deren aktuelle Single „Heavy“ zustande?
Ich erwähnte im Radiointerview mit Moderator Zane Lowe, dass ich ein großer Fan wäre. Zane stellte mir dann ihren Rapper Mike Shinoda vor, der mich sofort ins Studio einlud. Nach ein paar Sessions spielte er mir das neue Linkin Park-Album vor und fragte, ob ich nicht Lust hätte, auf einem Track mitzuwirken. Ich konnte mir tatsächlich einen Song aussuchen, auf dem ich singen wollte und entschied mich für „Heavy“. Ich war komplett aus dem Häuschen, als sie mich anriefen und mir mitteilten, dass sie unser Duett so gut fänden, dass es die nächste Single werden würde.
Was inspiriert dich zu deinen Texten?
Im Grunde versuche ich jeden Tag, dieses ständige Ideen-Trommelfeuer in meinem Hirn unter Kontrolle zu bekommen. In jedem Augenblick habe ich zehn verschiedene Einfälle; das ist nicht immer ganz leicht zu verarbeiten. Wenn ich anfange, mich mit jemandem über etwas zu unterhalten, bin ich schon nach wenigen Sekunden beim nächsten Thema. Andauernd! Vielleicht habe ich eine Aufmerksamkeitsstörung; die Symptome sind definitiv vorhanden… Wenn ich dann im Studio am Mikro stehe, singe ich einfach, was mir gerade durch den Kopf geht.
So eine Art Blick in dein Unterbewusstsein, durch den du lernst, was dich gerade bewegt?
Richtig! Ich knipse dann mein bewußtes Denken aus und lasse alle Gefühle völlig ungefiltert fließen. Wobei es nicht immer ganz einfach ist, mich anderen Menschen auf diese Weise zu öffnen. Ich kann nichts erzwingen. Es ist auch schon vorgekommen, dass ich eine Aufnahme abbrechen musste, weil die Erinnerungen an die Inspiration zu diesem bestimmten Text mich so fertig gemacht hat. Aber grundsätzlich bin ich froh, über gewisse Dinge sprechen zu können und so mit ihnen abzuschließen. Ich glaube, für große Kunst muss man immer bereit sein, auch ein wenig zu leiden.
Wobei du in deinen Lyrics größtenteils negative Erfahrungen verarbeitest.
Ich finde es super schwer, einen Text über Glück zu schreiben oder darüber, völlig happy zu sein. Ich mag Widersprüche in meinen Liedern. Sehr oft stelle ich einen nach vorne gehenden Partybeat einem eher bittersüßen Text entgegen. Ich kann nicht so genau sagen, warum das so ist. Vielleicht will ich die guten Zeiten lieber genießen, statt sie mit meinem Publikum zu teilen. Vielleicht gibt es aber auch gar keine guten Zeiten, über die ich singen könnte. Aber mal im Ernst: Es war für mich schon immer leichter, über das zu schreiben, was mich nervt oder belastet. Ich habe aber schon einmal einen Text komponiert, der zumindest halb-glücklich war. Vielleicht schreibe ich eines Tages ja einen komplett glücklichen!
Außerdem hast du diese markante Singstimme…
Als ich klein war, habe ich eine Menge geschrien. Als Baby war ich sehr still; wenn ich später als kleines Mädchen über irgendwas sauer war, habe ich mich auf die Balustrade unseres Hauses gestellt und aus voller Lunge die ganze Nachbarschaft zusammen gebrüllt. Vielleicht hat das irgendwie zur Entwicklung meiner Stimme beigetragen.
Jetzt hast du deine neue Single „Whippin`“ als Vorboten auf deine kommende EP veröffentlicht. Was kannst du schon verraten?
Die EP trägt den Titel „Lil yung powerful“. Ich arbeite auf den neuen Songs mit vielen tollen Leuten zusammen. Ich mag Kollaborationen, die den eigenen Horizont erweitern, neue Impulse geben und einen voran bringen. Die meisten Tracks wurden nachts in L.A. aufgenommen. Ich bin ein absoluter Nachtmensch und kann nach Einbruch der Dunkelheit am besten arbeiten. Vor 4 Uhr nachmittags braucht man gar nicht versuchen, sich mit mir zu unterhalten. Mein Hirn arbeitet dann noch nicht; genauso gut könnte man mit einer Wand reden (lacht). Ich durfte mir zum ersten Mal all diese berühmten Aufnahmestudios ansehen und viel davon sogar ausprobieren. Eine tolle Erfahrung! Wenn ich mir heute die Tracklist anschaue, ist das wie eine lange Liste von schönen Studioerinnerungen.