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Molly Soda’s Body Talk

Künstlerin Molly Soda überlegt, ihren Rasierer in die Tonne zu werfen und dem Patriarchat den Kampf anzusagen, mit einem ungenierten Selfie nach dem anderen.

Fotos: Arvida Byström

Ich erinnere mich noch, wie ich mir das erste Mal wirklich meiner Körperbehaarung bewusst wurde: Ich war 11 und saß mit ein paar Freundinnen draußen auf der Wiese vor unserer Schule. Es war ein warmer Tag und ich trug Shorts. Eine Freundin von mir blickte auf meine nackten Beine und rief: „Du rasierst dich nicht?“. Ich war verwirrt – mich zu rasieren war mir wirklich noch nie in den Sinn gekommen. Alle Mädchen, die um mich herumsaßen, stimmten mit ein und erzählten mir, wie sie schon vor Ewigkeiten angefangen hatten, sich zu rasieren. Plötzlich fühlte ich mich uncool und wollte unbedingt Teil dieses gefühlten geheimen, super-exklusiven Clubs sein, der den Weg zum Frausein bereitete. Nicht viel später griff ich mir einen der Rasierer meiner Mutter und begann, heimlich meine Beine zu rasieren, dann meine Achselhöhlen, meinen Bauch, meine Oberlippe – alles musste weg. Irgendwann fand meine Mutter es heraus. Sie war enttäuscht, aber ihre einzige richtige Antwort war: „Na ja, jetzt wirst du dich immer weiter rasieren müssen, weil alles nur dunkler und dicker nachwachsen wird.“

Was als sehnlicher Wunsch dazuzugehören begann, wurde schnell eine Routine. Erst als ich ins College kam, legte ich eine Pause ein. Was war es, dass mich nach all diesen Jahren des Rasierens dazu brachte, aufzuhören? Zu erkennen, dass sich nicht zu rasieren, überhaupt eine Option war. Als ich das erste Mal ein Mädchen in meinem Alter sah, das sich nicht rasierte, war ich so auf ihre Körperhaare fixiert. Ich war beeindruckt davon, dass es sie nicht zu stören schien, sie keine Aufmerksamkeit darauf zog und sie sich deshalb nicht schämte. Sie tat gar nichts und doch schien meine Welt deshalb zusammenzubrechen. Es erschütterte mich und langsam begann ich mich zu fragen, warum ich bei der Ansicht von Körperbehaarung so stark reagierte. Was ist so schockierend daran, Haare an einer weiblichen Person zu sehen? Warum hatte ich mich all die Jahre rasiert, ohne einmal darüber nachzudenken, warum ich es tat?

Rasur ist in der westlichen Kultur so normalisiert und Körperbehaarung tief verbunden mit Scham. Als Frauen wurde uns gelehrt, dass wir uns wegen unserer behaarten Körper schämen sollen – und dass wir sie mit anderen vergleichen sollen. Es ist so verwurzelt und man lernt es in einem so jungen Alter, dass es manchmal unmöglich scheint, sich davon frei zu machen. Mir wurde bewusst, dass ich meinen Körper immer nur unter dem Blickwinkel, was andere Leute – besonders Männer – attraktiv nennen, gesehen hatte. Als ich mich das erste Mal traute und aufhörte, mich zu rasieren, war meine größte Angst, dass Männer mich nicht mehr attraktiv finden würden und dass der Anblick meiner Körperbehaarung sie abstoßen und abschrecken würde. Dieser Gedankengang ist schädlich. Er lehrt uns, dass wir unseren Wert und den Wert unseres Körpers davon abhängig machen, ob wir dem männlichen Blick gefallen. Aus Erfahrung weiß ich, dass bislang keiner meiner Partner ein Problem mit meiner Körperbehaarung hatte. Eher war es ein Weg, die Typen auszusortieren, die meine Zeit nicht wert waren. Jeder, der unsere Körper nicht akzeptiert – oder wie wir unsere Körper präsentieren – ist niemand, mit dem man zu tun haben möchte.

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Während Körperhaare langsam normaler werden, dank der Tatsache, dass Frauen über Social Media mehr Kontrolle über ihre eigenen Körperbilder haben, werden sie von den Medien auch verzerrt und als Trend deklariert. Auf eine Weise fühlt sich das erstmal gut an, weil ich die Entscheidung, Körperhaare zu haben, vergleichbar zur Entscheidung, sich die Nägel zu lackieren oder einen bestimmen Haarschnitt zu tragen, ansehe. Aber meist zeigen uns die Medien nur leicht konsumierbare oder verträgliche Darstellungen von Körperbehaarung. Wir sehen ein kleines bisschen Achselhaare, vielleicht ein paar blonde Haare an den Beinen. Es gibt keine öffentliche Diskussion über Rückenbehaarung, Schamhaare, Gesichtsbehaarung, Haare auf dem Bauch oder an den Brüsten, die so viele von uns haben. Zum Beispiel habe ich im Alter von 19 aufgehört, meine Beine und Achselhaare zu rasieren, aber habe die Haare auf meinem Bauch weiterhin wegrasiert und die Haare über meiner Oberlippe hell gefärbt – bis vor ein oder zwei Jahren. Es gab also immer noch Haare auf meinem Körper, für die selbst ich mich geschämt habe. Während Achselhaare ein cooler, edgy Look sind, fühlen wir uns immer noch verpflichtet, unseren Bikinibereich zu rasieren, weil wir genau wissen, dass niemand Schamhaare hat, die perfekt hinter dem Slip verschwinden. Jeder Körper ist anders und jede Körperbehaarung wächst anders – aber nur bestimmte Körper werden angepriesen, während der Rest der Bevölkerung sich fragen darf, warum ihre eigenen Haare nicht so „süß“ wie diese sind.

Du bist kein Fehler. Körperhaare machen dich nicht weniger feminin oder weniger attraktiv. Die Entscheidung, dich zu rasieren, bedeutet nicht, dass du unsicher bist. Das stärkste Statement, das du machen kannst, ist es, die Kontrolle über deinen Körper zu übernehmen und dich auf genau die Art zu präsentieren, mit der du dich wohl fühlst. Rasier dir ein Bein und rasier das andere nicht. Rasier dich manchmal, rasier dich nie … es ist nicht wichtig. Was wichtig ist, ist, dass du dich gut fühlst in deinem Körper. Das ist das gewagteste und mutigste, das du tun kannst.

Turid Reinicke
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