Drei Expert*innen sprechen mit uns und Dr. Martens darüber, wie sicher Räume in der Clubkultur sind
Die Partygänger*innen strömen seit Anfang des Jahres wieder in die Clubs, denn viele bilden sichere Community-Spaces. Die letzten Monate zeigen allerdings, dass sie es nicht immer sind. Unsere drei Protagonist*innen aus der Club-Szene berichten von ihren Erfahrungen und was getan werden kann und muss, damit wir uns in den Räumen wieder sicherer fühlen.
Vor einem Jahr haben wir gemeinsam mit Dr. Martens mit vier Expert*innen aus der Kulturszene über den Status Quo des Nachtlebens gesprochen. Durch die Pandemie waren Partygänger*innen wegen unregelmäßiger Öffnungen und wechselnde Auflagen deutlich eingeschränkter – nicht nur was den Zugang zu guter Musik, sondern auch „Safer Spaces” anging. Obwohl die Pandemie nicht vorüber ist, sind die meisten Clubs und Bars heute wieder wie gewohnt offen und wollen verschiedensten Communitys einen sicheren Raum bieten. Doch selbst in Umgebungen, in denen wir uns eigentlich geschützt fühlen sollen und wollen, ist es nicht immer sicher. Das zeigen der Angriff auf den queeren „Club Q” in Colorado Springs im November, bei dem fünf Menschen getötet wurden und die „Needle Spiking”-Vorfälle, die Anfang des Jahres vermehrt in Großbritannien auftraten und mittlerweile auch in Deutschland gemeldet wurden. Zusammen mit Dr. Martens und den Szene-Expert*innen Licht- und Soundkünstlerin Ves, Musiker Marshall und Drag-Artist Isu haben wir über das Konzept von „Safer Spaces” innerhalb der Clubkultur gesprochen und versucht Ansätze zu formulieren, wie diese Räume in Zukunft sicherer gestalten werden können.
Ves, Marshall und Isu in der Sameheads Tanzbar in Berlin
Rae Tilly fotografiert die drei Szene-Expert*innen in der „WinterWair”-Kollektion von Dr. Martens
Obwohl wir am Tag des Shootings mit Fotografin Rae Tilly viel über die Ereignisse im Berghain sprechen – „Linea Aspera” Sängerin Zoè Zanias berichtete im Mai über ihre mutmaßliche Erfahrung mit „Needle Spiking” in dem Club – liegt trotzdem viel Zuneigung und Wertschätzung für die Berliner Clubkultur in den Worten von Ves, Isu, und Marshall. Besonders der Winter ist für viele die perfekte Zeit für Clubbesuche, schliesslich wärmt man sich am besten durchs tanzen auf. Allerdings sind die Schlangen vor den Locations oft lang und Partygänger*innen müssen in der Kälte warten. „Dann werden die Dr. Martens ausgepackt”, erklärt Marshall lachend. „Die Leute haben sie schon seit 6, 7, 8 Jahren. Und sie sehen super aus. Man kann mit ihnen auf dem Boden stampfen, aber auch durch den Schnee laufen.” Für alle, die auch im Winter ihren liebsten Clubs treu bleiben, hat Dr. Martens die „WinterWair”-Kollektion designt. Neben Klassikern wie dem „Jadon Boot” in Metalic-Optik und Faux-Fur-Futter und der geupdateten Version des „2976” Chelsea Boots mit rutschfester WinterGrip-Sole und resistentem Blizzard-Leder, ist der „Trinity” der ultimative All-Rounder-Winterschuh. Inspiriert von der „Original 1460”-Silhouette bringt der wasserfeste Boot nicht nur unsere drei Protagonist*innen Ves, Isu und Marshall bei jedem Wetter sicher und warm ans Ziel.
Veslemøy Rustad Holseter (she/her)
DJ, Sound- und Lichtkünstlerin Ves aka Grinderteeth wohnt seit zehn Jahren in Berlin und war in dieser Zeit bereits Teil vieler Kollektive und Events innerhalb der Clubszene. Besonders am Herzen liegt ihr ihre Partyreihe „Dykonic”, die sie einmal im Monat für FLINTA-Personen veranstaltet. Für Ves sind es unter anderem diese Nächte, die die Clubkultur definieren: „Es geht dabei um Community und Freude. Aber es ist auch politisch. Besonders in der queeren Clubkultur und in queeren Clubräumen fühlt man sich anders. Man befindet sich die meiste Zeit in einem Space, wo man eine gewisse Art von Freiheit spürt, die man im Alltag nicht hat.” Mit ihren Events und Gigs möchte Ves dem Gefühl von Gemeinschaft weiteren Raum geben. Sie sieht sich selbst als eine Art Space-Providerin, wie sie erzählt. „Ich versuche, einen Raum zu schaffen, in dem die Menschen die Schwere des Alltags ablegen und in eine alternative Wirklichkeit eintauchen können, in der die Dinge so sind, wie man sie haben möchte.”
Obwohl die Events, die die Künstlerin besucht oder selbst veranstaltet, für Menschen gerade aus der queeren Community für kurze Zeit eine Parallelwelt bieten, ist die Realität nach den letzten „Needle Spiking”-Vorfällen trotzdem präsent. Auf einmal werden Räume, in denen sich Menschen sicher fühlen sollten, zu Orten, wo stets darauf geachtet werden muss, wer einen zufällig berührt. Ves ärgert es, dass die Verantwortung, was Sicherheit angeht, oft bei den potenziellen Opfern liegt, wie sie selbst erfahren hat: „An meiner Universität haben sie pH-Streifen verteilten, die man in seine Getränke tun konnte. So konnte man sicher gehen, dass man nicht gespiked wurde.”
Die größere Verantwortung sollte allerdings bei den Veranstalter*innen bzw. Clubbesitzer*innen liegen. Ves wünscht sich auch mehr Awareness-Teams – das sind Menschen, die besondere Schulungen in Bereichen wie der De-Eskalation, dem Umgang mit Drogen und sexuellen Übergriffen haben. „Ich möchte auch, dass mehr Hetero-Männer über die Art und Weise nachdenken, wie sie Raum einnehmen. Wir hatten die Spiking-Vorfälle im Berghain, bei denen ein Typ Leute berührte und ihnen mit einer Nadel etwas spritzte. Ich bin viel im Club. Wenn ich nicht gerade selbst Licht mache, stehe ich oft allein herum und schaue mir die Arbeit meiner Kolleg*innen an, um mich inspirieren zu lassen. Es gibt all diese Typen, die an mir vorbeigehen und immer ihre Hände auf meinen Körper legen. Es war sehr stressig in der Zeit der Spiking-Vorfälle damit umzugehen.”
Ves trägt den 1460 Lace to Toe Trinity Waterproof
Isu Mignon Mignonne (it/its)
Isus Kunst soll Fragen aufwerfen, ohne diese unbedingt zu beantworten. Bei unserem Interview wird deutlich, dass Isu eine Person ist, die auch persönlich vieles hinterfragt – unter anderem die eigene Definition von Clubkultur: „Zwei Jahre, nachdem ich mit Drag angefangen habe und professionell auf Partys unterwegs war, fing ich an darüber nachzudenken, dass die ,keine Grenzen haben‘ oder ,alles andere ist egal‘-Einstellung nicht immer das ist, was uns Freiheit bringt. Ich fing bewusst an, nicht mehr über meine Grenzen hinauszugehen und stellte mir immer wieder die Frage: Was schätzen wir im Leben?” Clubs sind nicht nur durch Isus Performances Orte, die es öfter besucht. Auch mit Freund*innen ist Isu dort unterwegs, die ein Grund dafür sind, warum es sich bis jetzt immer sicher gefühlt hat, wie Isu erzählt. „Sie sorgen sich um meine Sicherheit. Wenn ich auf einer Party bin, fragen sie mich manchmal: ,Bist du sicher, dass du mit diesem Typen gehen willst? Der sieht sketchy aus.‘ Ich habe mich also immer sicher gefühlt.”
Obowohl Isu nach eigenen Aussagen „bis jetzt” noch nichts passiert sei, weiß es, dass es auch anders sein kann. Vor zwei Jahren fing Isu mit der Hormonersatztherapie an und es stellt in der letzten Zeit vermehrt fest, dass es auf der Straße, aber auch in Clubs anders behandelt würde. Isu vermutet, dass es daran liegen könnte, dass viele Menschen es als Frau lesen würden. „Leute lächeln mich mehr an oder sind netter zu mir. Gleichzeitig bedeutet es aber auch ein größeres Risiko, denn Frauen sind im Allgemeinen stärker von sexueller Gewalt betroffen. Schwule Männer sind auch oft Opfer. Ich bekomme also mehr Aufmerksamkeit und manchmal fühlt sie sich nicht gut an, gerade bei Männern in Clubs.”
Genau wie Ves findet Isu, dass die Clubs bzw. die Besitzer*innen dafür verantwortlich seien „Safer Spaces” zu schaffen und somit den Partygänger*innen einen Raum zu bieten, in dem sie sich sicher fühlen. Aber Isu macht auch deutlich, dass selbst durch Maßnahmen der Venues nie von 100%iger Sicherheit gesprochen werden kann. Jedes Individuum solle auch in sich gehen und schauen, womit es selbst einen Ort sicherer machen könnte. „Wir sollten alle versuchen, unsere Augen offenzuhalten und auf andere zu achten. Und auch in uns selbst hineinschauen. Ich denke, jede*r kann potenziell gefährlich sein oder Spaces für andere unsicherer machen – auch ich. Jede*r trägt das in sich, denn so sind wir Menschen. Wir sind alle gut und schlecht. Und es liegt in unserer Verantwortung, die gute Seite in uns zum Vorschein zu bringen.”
Isu in den 2976 Quad Fur Lined Boots von Dr. Martens
Marshall Vincent (he/they)
Seine Musik beschreibt Marshall als emphatisch. Ihm sei es wichtig, dass seine Arbeit auch bei anderen Personen etwas auslöst. Obwohl er in seinen Songs – wie in seinem neusten Release ETI – persönliche Erfahrungen und Unterhaltungen mit Freund*innen verarbeite, seien diese Dinge etwas, was auch andere Menschen erlebt haben können. Marshall geht es um die Verbindung zu anderen Personen, aber auch den individuellen Ausdruck. Ähnliches verbindet er mit der Clubkultur, wie er erzählt: „In der Clubkultur ist ,Connection‘ eine der treibenden Kräfte. Das ist der Grund, warum ich sie so sehr liebe und warum ich Musik mache. Diese Idee, einen Raum zu betreten, dort mit Freund*innen und mit Fremden zu sein, die zu Freund*innen werden. […] Viele Menschen können sich auf eine Art und Weise ausdrücken, wie sie es im Alltag nicht können.”
Marshall bemerkt allerdings – wie Ves und Isu auch –, dass sich die Clubs nicht mehr so sicher anfühlen, wie sie es sollten. „Die Clubkultur hat immer noch ihre Schattenseiten. Es gibt immer noch so viele Dinge, die nicht in Ordnung sind, wenn es darum geht, wie Menschen behandelt werden und wie unberechenbar manche Interaktionen sein können. Ich würde es nicht Safe Space nennen, aber es ist trotzdem etwas Schönes, mit den guten und schlechten Seiten.” Als wir mit Marshall über „Needle Spiking” sprechen, verschwindet das Lächeln, das er während des Interviews auf den Lippen hatte. Denn nicht nur der Vorfall im Berghain lässt gewisse Räume unsicher anfühlen, sondern auch der Angriff auf den „Club Q” in Colorado Springs im November. „Diese Dinge passieren immer wieder“, sagt Marshall. „Es ist beängstigend und hart. Alle haben viel durchgemacht. Es gab eine Menge Tote. Das lässt einen darüber nachdenken, was wir alle erlebt haben und dass diese Angriffe unentschuldbar sind.”
Nachdem über das „Needle Spiking” im Berghain berichtet wurde, fand Marshall Rückhalt bei seinen Freund*innen, die darüber sprachen, versuchten zu helfen und den Vorfall über ihre Social Media Accounts teilten. Heute gehen sie zwar wieder in Clubs und auf Veranstaltungen, aber nicht ohne Sorgen: „Das lässt einen manchmal überlegen, ob man an bestimmte Orte geht und bestimmte Dinge tut.” Marshall sieht in dem vermehrten „Spiking”-Auftreten die Pandemie als einen möglichen Auslöser. Viele Menschen waren alleine und ließen „Dämonen” in sich wachsen, die sie bis heute nicht verarbeitet hätten. „Was unentschuldbar ist”, wie Marshall hinzufügt. Am Ende fragen wir den Musiker, ob er eine Idee hätte, wie man die Clubkultur sicherer gestalten könnte. Darauf hat Marshall eine simple Antwort: „Versteht und respektiert einander einfach.”
Marshall trägt die 2976 Bex Fur Lined
Art Direction, Fotografie, Licht, Produktion: Rae (Mee-Jin)Tilly
Produktion: Laura Bachmann at Dr. Martens
Foto und Licht Assistant: Sarah Tasha
Styling, Set Design: Joan Ling-Li Nesbit-Chang
Styling und Set Design Assistant: Gia Söeder
Haare und Make-up: Gianluca Venerdini
Talents: Veslemøy Rustad Holseter, Marshall Vincent, Isu Mignon Mignonne
Isu trägt ein Top & Mantel von Don Arentino
Bezahlte Partnerschaft mit Dr. Martens
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