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Backstreets Back

Ein Tribut an die Backstreet Boys und den Fake-Softie

„Backstreet’s Back“ wird 20 Jahre alt. Wie der Fake-Softie entstand und wie andere männliche Popstars auf den Spuren der Backstreet Boys wandeln.

Text: Anne T. Donahue

Backstreets Back

Die Ankündigung erfolgte am 11. August 1997 in Form eines Albumtitels: „Backstreet’s Back“. Und die Veröffentlichung dieses zweiten Albums der Backstreet Boys förderte auch eine neue Spezies Mann zutage: die des Fake-Softies. Was eine Meisterleistung war, denn seit dem Abtreten der New Kids on the Block und der schwindenden Auftritte der Boyz II Men füllten die Backstreet Boys eine Leere in der Pop-Welt, die zuvor von Grunge und Rock definiert wurde. Ihre Musik war emotional und eingängig. Jedes Mitglied tanzte und machte sich bestimmte Rollen zu eigen. Sie riefen ihren Zuhörern zu: „Get down!“ und versprachen, niemals deren Herz zu brechen. In den folgenden Jahren sollten sich viele männliche Pop-Stars bei der Ausrichtung ihrer Karrieren ein Beispiel an den „Fab Five“ nehmen.

Es ist nicht so, dass BSB Einzelgänger waren. Sie hatten nur eine etwas offensichtlichere Fähigkeit für Nonsense als ihre Vorgänger. Boy-Bands und ihre hingebungsvollen Strophen existieren seit den 1950er Jahren (Spoiler: Die Beatles sind definitiv eine Boy-Band). Doch als NKotB sich endgültig aus den Top 40 verabschiedeten, wurde Pop immer mehr von Acts wie Nirvana, Pearl Jam, Alice in Chains, Smashing Pumpkins und schließlich den Foo Fighters definiert. Was bedeutet: Als Lou Pearlman mit Nick Carter, Brian Littrell, Kevin Richardson, A.J. McLean und Howie Dorough die Backstreet Boys gründete, waren die Jungs relativ einzigartig. Wie Boyz II Men konnten sie Balladen harmonisieren und abliefern („I’ll Never Break Your Heart“). Aber im Gegensatz zur Band aus Philadelphia waren die Backstreet Boys keine profitable R&B-Gruppe, die seit 1985 erfolgreich war. Mit ihren expliziten Texten („Get Down“) traten sie in die Fußstapfen der New Kids on the Block, aber sie waren nicht so offenkundig rebellisch. Und wie Marky Mark stellten sie ihre befeuchteten Bauchmuskeln zur Schau, gaben sich ansonsten aber zugeknöpft, um eine Grenze zwischen sich und ihre Fangemeinde aufrechtzuerhalten. Und so wurde der Fake-Softie (und / oder Fuckboy) geboren.

Als „Backstreet’s Back“ 1997 erschien, war der Auftrag der Gruppe klar: Sie liebten Frauen – es sei denn, sie wollten mit ihnen Sex haben. Songs wie „As Long As You Love Me“ priesen die Bedeutung bedingungsloser Hingabe („I don’t care who you are, where you’re from, what you did, as long as you love me“), während „That’s The Way You Like It“ von einer unverhohlenen Anziehung zu einer Fremden handelte („Oh mystery lady, you’ve got somethin’ I like, you’re dangerous, oh baby, could you do me right?“). „Like A Child“ stellte ihre Angebetete auf einen göttinnengleichen Sockel („Girl, don’t stop the sun from shining down on me, ’cause I can’t face another day without your smile“). Und „Backstreet’s Back“ war einfach ein „Thriller“-Abklatsch, um ihrer Fähigkeit Ausdruck zu verleihen, es zu tun („Am I sexual? Yeah!“). Abgesehen davon: Es ergab auch überhaupt keinen Sinn.

Was uns zum Aushängeschild des heutigen Fake-Softies führt, wie wir ihn kennen. Als die Karriere der Backstreet Boys fortschritt, positionierten sich Singles wie „I Want It That Way“ als aufrichtige Bekenntnisse der Verwundbarkeit, die im Nachhinein aber ebenfalls absolut sinnbefreit waren („But we are two worlds apart, can’t reach to your heart when you say, I want it that way“ #WTF). Währenddessen war „The Call“ ein Lied darüber, wie das Gespräch mit einer Frau eine Partynacht mit den Jungs ruinierte. Letztlich war es „Hotline Bling“ ohne ganz so viel öffentliche Bloßstellung. Aber Mitte bis Ende der 1990er Jahre stellten wir noch keinen Zusammenhang zwischen Künstlern wie den Backstreet Boys und dem wahren Leben her. Ohne soziale Medien und einen genaueren Einblick in ihre sorgfältig konstruierten Rollen, konnten sich BSB (und andere Boy-Bands) wirklich als Männer hinstellen, die sich kümmerten und sorgten – es sei denn, man war jemand, mit dem sie nur schlafen wollten oder der ernsthaft erwartete, mehr als nur ein anbetungswürdiges Wesen zu sein. Wir verstanden noch nicht, wie ihre einzelnen Rollen (der Bad Boy, die sensible Seele, das Baby usw.) einzelne Aspekte einer ganzen Person reflektierten. Und wir hinterfragten nicht, weshalb eine Gruppe in einem Song behauptete, ihre Liebe sei „alles, was sie zu geben hätte“, während sie gleichzeitig angab, guter Sex wäre nur mit einem Bad Boy möglich. („If You Want It To Be Good, Girl (Get Yourself a Bad Boy.)“)

Und diese Mythen legten den Grundstein für Popstars, die wir seitdem anhimmeln. Justin Bieber baute sich ein Imperium auf, indem er in einem Song ein Mädchen anbettelte, seine Freundin zu sein („Girlfriend“), während er im nächsten ihre Fehler infolge einer Trennung auflistete („Love Yourself“). Drakes Karriere hängt stark davon ab, über verlorene Lieben zu klagen, bevor er einen Wutanfall über ihre Streitereien in der Cheesecake Factory hinlegt. Justin Timberlake blamierte Britney Spears in „Cry Me A River“, nachdem er „Like I Love You“ nutzte, um „Good-Girl“-Rhetorik von sich zu geben („You’re a good girl and that makes me trust ya“). Und sogar One Direction besang die Vorzüge einer „natürlichen“ Frau, die kein Make-up braucht, ehe sie in „Perfect“ geradeheraus zugaben, nicht mehr als eine Affäre im Sinn zu haben. Also auch wenn eine Gruppe verschiedene Mitglieder hat, repräsentiert das Kollektiv doch immer zwei eindeutige Gesichter: ein Typ, der euch für immer lieben wird – vorausgesetzt ihr spielt nach den Regeln, die er für euch festgelegt hat.

Das heißt nicht, dass die Backstreet Boys schlecht sind oder „Backstreet’s Back“ ein schlechtes Album ist. Ganz im Gegenteil: BSB hat über zwei Jahrzehnte den Weg für profitable Pop-Musik freigemacht, und „Backstreet’s Back“ ist eine Jam-Session. Doch ihr Fuckboy-Erbe ist ebenso weit verbreitet wie ihre Fähigkeit, Hits zu veröffentlichen – und das sollte bei so einflussreichen Pop-Stars beachtet werden. Vor allem, weil so viele männliche Popstars weiterhin in Sachen Liebesinteresse zwischen Göttinnen und Feindinnen unterscheiden.

Und es ist interessant, dass ebendiese männlichen Popstars zwar komplexe Choreographien und Social-Media-Auftritte hinlegen, aber doch immer noch ziemlich eindimensional über Frauen schreiben. Als ob „gute Mädchen“ nicht auch mal richtig zur Sache kommen könnten.

Nylon
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