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Diese Filme sollten dieses Jahr einen Oscar gewinnen – und werden es nicht

Wird es wieder Zeit für Oscar-Snubs? Hier kommt alles, was dieses Jahr einen Oscar verdient hätte, aber vermutlich leer ausgehen wird.

Text: Noah Jackson // Bilder via NYLON.com

Es wäre nicht die Oscar-Saison ohne einen Schuss Nominierungs-Streit, aber die diesjährige Debatte ist recht verhalten verlaufen. Ja, die Kategorien Bester Film und Regisseur werden immer noch von (hauptsächlich weißen) Männern dominiert, und einige Kritiker haben Three Billboards Outside Ebbing, Missouri’s sieben Nominierungen in Anbetracht seiner heiklen Rassenpolitik infrage gestellt, aber es gab nichts so umstrittenes wie die letztjährigen „Bester Film“- Snubs für Jackie und Silence oder Jacob Tremblays Fehlen auf der Liste der besten Nebendarsteller 2016. Allerdings liegt die Academy nie ganz richtig, und ein extrastarkes Kandidatenfeld hat in diesem Jahr für eine Fülle von exzellenten Filmen und Schauspielern hinterlassen, die von den großen Kategorien ausgeschlossen sind. In einer idealen Welt hätte es diese alternative Auswahl geschafft.

Bester Film: The Killing Of A Sacred Deer

Der griechische Auteur Yorgos Lanthimos hat zweifellos einen eigenen Geschmack, der das Fehlen von The Killing of a Sacred Deer aus der diesjährigen Oscar-Liste erklären kann. Alles an seiner Arbeit ist auf Unruhe zugeschnitten, von seinem wiederholten, künstlichen Dialog bis hin zu den extrem weiten Aufnahmen, die seine Darsteller eher wie Miniaturmarionetten in einem Puppentheater wirken lassen als Menschen vor Ort. Aber während 2015’s The Lobster (nominiert für das beste Drehbuch bei den letztjährigen Awards) Lanthimos‘ scheinbare Muse, Colin Farrell, in einer dystopischen Welt der Menschenjagden und Tiertransformationen platzierte, findet Killing in einer Welt statt, die, abgesehen von einem deutlich Detail, völlig naturalistisch ist und damit die Spannung und Nachfühlbarkeit ihres schrecklichen Szenarios erhöht. Während starke Leistungen für Farrell und Nicole Kidman, die beide ihre späten Karriere-Renaissancen mit Begeisterung aufnehmen, durchaus üblich sind, stehlen die Nebendarsteller ebenso die Show. Barry Keoghan, frisch aus dem Bester-Film-nominierten Dunkirk, spielt fesselnd den psychopathisch rachsüchtigen Teenager Martin, während Raffey Cassidy und Sunny Suljic (als Farrell und Kidman’s Kinder) mit der Aussicht rechnen, sich dem Tod mit einer fein-tragischen Sensibilität zu nähern. Vielleicht war diese trostlose, postmoderne Einstellung zum Märchenschrecken einfach zu beängstigend für die Academy.

Beste Regie: Ben und Josh Safdie, Good Time

So viele Blockbuster-Filme spielen in New York, aber, wie jeder New Yorker euch sagen wird,  stellen die wenigsten das Leben in den fünf Bezirken genau dar. Good Time, beleuchtet von Bodega-Neon und flackernden Straßenlaternen, ist ein Erfrischung vom idealisierten New York der Hollywood-Rom-Coms und Superhelden-Filme. Von der ersten Banküberfall-Sequenz in Flushing’s New World Mall bis hin zur Verfolgungsjagd durch Long Islands heruntergekommenen Adventureland-Vergnügungspark schaffen die Safdie Brothers ein natürliches Gefühl für den Ort, indem sie ihren blutig-lockeren Style mit einer atemberaubenden visuellen Darstellung des „echten“ New Yorker Lebens auffüllen. Das Duo entlockt dem oft hölzernen Robert Pattinson, dessen Möchtegern-Bankräuber Connie vor lauter Energie vibriert, die an einen Vintage Al Pacino erinnert, eine fesselnde Performance und bietet dem früheren Collab-Partner Buddy Duress, ein wohlverdientes Ventil für sein nervöses, ausgetüfteltes Temperament. Unterstützende Rollen von Taliah Webster als kratzbürstiger Teenager Crystal und Horrorcore Rapper Necro als einer von Duress‘ kriminellen Kontakten unterstützen die surreale Post-Feierabend Welt, die die Safdies erschaffen. Am beeindruckendsten ist jedoch Ben Safdies doppelte Aufgabe als Regisseur und Star, indem er Connie’s geistig eingeschränkten Bruder (und verwirrten Mitverschwörer) Nick spielt. Einen Film so visuell komplex wie Good Time hinter der Kamera abzuziehen, ist eine Sache, aber einen behinderten Charakter mit Sensibilität und Pathos zu porträtieren, ist wirklich etwas anderes.

Beste Schaupielerin: Brooklyn Price, The Florida Project

Wir wollen ja nicht Tatum O’Neill, die mit 11 Jahren die jüngste Oscar-Gewinnerin aller Zeiten wurde, diskreditieren, aber die siebenjährige Brooklynn Prince hat es mehr als verdient, ihre Krone zu übernehmen. Obwohl sie in der diesjährigen Kategorie „Beste Schauspielerin“ gegen harte Konkurrenz antreten würde – einschließlich Saoirse Ronans karrieredefinierendem Wendemoment in Lady Bird – Prince hält sich mehr als sicher. Als Moonee, ein kühnes und mutiges Kind, das sich mit unbändiger Freude und Abenteuerlust durch eine Welt der Benachteiligung navigiert, trifft sie den süßen Punkt der schlichten Authentizität, den viele Kinderstars niemals erreichen. Man sieht selten glaubwürdige, sympathische Kinder auf dem Bildschirm, und Prince’s Debüt-Performance fängt die Mischung aus Unschuld, Überschwänglichkeit und raffinierter Wahrnehmungsfähigkeit, die von Vorfahren wie Jacob Tremblay und Quvenzhané Wallis perfektioniert wurde, gekonnt ein. Es ist verwirrend zu sehen, wie Willem Dafoe eine Nominierung als Bester Nebendarsteller erhält, wenn Prince ihn in jeder Szene in den Schatten stellt. Sein schroffer, aber gutherziger Motelmanager ist ein gut eingespielter Archetyp, aber trotzdem ein Archetyp, während Prince mit ihrer komplexen Darstellung einer von Armut und Kompromissen geprägten Kindheit sich von der Masse abhebt.

Bester Schauspieler: Colin Farrell, The Killing Of A Sacred Deer

Colin Farrells erwähnte Renaissance ist eine der erfreulichsten filmischen Geschichten der letzten Jahre. Nach seiner Golden Globe-gewinnenden Leistung in Martin McDonagh’s Brügge sehen, und sterben (2008), schlängelte sich Farrell durch einen fruchtlosen Sumpf von Big-Budget-Genrefilmen (Winter’s Tale, Fright Night), moralische Dramen (Saving Mr. Banks,Miss Julie), und unvergessliche Action-Filme (Dead Man Down, Total Recall). Aber nach seiner anfänglichen Partnerschaft mit Lanthimos in The Lobster, hat Farrell eine Reihe von nuancierten Performances durchlaufen, mit K.O.-Auftritten im  letztjährigen Roman J. Israel und The Beguiled. Es ist jedoch seine zweite Zusammenarbeit mit Lanthimos, die sein Comeback wirklich festigt. Als Steven, ein Herzchirurg, der mit der unmöglichen Wahl konfrontiert ist, eines seiner Familienmitglieder zu töten, erhält Farrell seinen typischen sarkastischen Biss zurück und entscheidet sich stattdessen für einen Zustand der tauben Verwirrung, der von Momenten glühender Wut unterbrochen wird. Unter weniger geschickten Händen mag Lanthimos‘ sich wiederholenderDialog vielleicht komisch erscheinen, aber Farrells leere, fast rituelle Überlieferung verleiht seinen Zeilen ein Gefühl von Würde und Dringlichkeit. Trotz der fantastischen Elemente der Erzählung des Films, macht die Kontrolle und Sensibilität, mit der Farrell an die Rolle herangeht, sie überragend glaubwürdig und mit Sicherheit Oscar-würdig.

Bester Fremdsprachiger Film: Korea, On the Beach At Night Alone

Im Zuge der #TimesUp-Bewegung könnte Hong Sang-soos 19. Spielfilm nicht relevanter sein. In einer Reihe von verträumten, spielerischen Rahmen zeichnet On the Beach... die Kurve von Young-hee (Kim Min-hee), einer Schauspielerin, die nach einem selbst auferlegten Exil nach Korea zurückkehrt, nachdem sie sich einer öffentliche und möglicherweise karrierebeendenden Affäre verfolgt hat. Kims Darstellung von Young-hee ist verlockend und beinahe unerträglich, da sie ihre Wut und Desillusionierung in eine Reihe schmerzhaft unbequemer Situationen mit Freunden, Kollegen und schließlich mit ihrem früheren Geliebten trägt. Der Film behandelt außerdem das Gespenst des „männlichen Privilegs“: So wie Harvey Weinstein und andere Hollywood-Missbraucher Rückwirkungen vermieden haben, während die Karrieren ihrer weiblichen Opfer implodierten, gilt das gleiche für ihren Ex-Geliebter, ein Regisseur, der professionell unversehrt aus der Affäre herauskam. Hong’s langsam zündende Darstellung von Young-hee, die sich auflöst, bringt diese systematische Ungerechtigkeit zum Leben – eine Erinnerung, die nie die Geschichten von Überlebenden zu unterschätzen vermag.

Bester Soundtrack: Oneohtrix Point Never, Good Time

Good Time ist ein Film, der entworfen scheint, um Angst zu produzieren, während der von Robert Pattinson gespielte Connie von einer scheinbar unausweichlichen Situation zur nächsten stolpert. Ein Großteil der stressareichen Atmosphäre des Films wird durch seinen Soundtrack erzeugt, eine elektronische Höllenlandschaft, die vom Brooklyn-Produzenten Daniel Lopatin, besser bekannt als Oneohtrix Point Never, geschaffen wurde. Lopatins Synthies, surrende Drum Machines und Ambient-Soundscapes halten den Betrachter immer wieder auf Trab und unterstreichen die visuelle Gewalt des Films mit einem gut abgestimmten klanglichen Gegenstück. Lopatins dröhnende Synthiearbeit bezieht sich auf die zeitgenössische dekonstruierte Clubszene und die Soundtracks im Harold Faltermeyer-Stil, die den Sound zutiefst fremdartig und doch seltsam vertraut machen. Pulsierende Tracks wie „The Acid Hits“ wären im berüchtigten Techno-Hafen Berghain nicht fehl am Platz, während sich das ozeanische Ambiente von „Ray Wakes Up“ wie ein Crashkurs im experimentellen Sounddesign anfühlt. Am spannendsten ist es jedoch, wenn Lopatin die Schichten der elektronischen Differenzen auf „The Pure and the Damned“ zurückzieht, einer bewegenden Klavierballade, die das tragische Ende des Films vertont. Außerdem: Iggy Pops schwankender Bariton durchdringt die Szene mit einem dumpfen Pathos und gibt dem Zuschauer Raum, die letzten 90 Minuten kriegerischer Action zu verarbeiten.

Robin Micha
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