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Newcomerin Naaz: „Um Menschen zu verstehen, muss man die Perspektive wechseln”

Seit ihrer Single Words haben wir Naaz auf unserem Radar und ihren Song im Ohr. Beim Reeperbahn Festival in Hamburg lernten wir den Newcomer aus den Niederlanden endlich auch live kennen.


Foto: Turid Reinicke

Die zierliche Sängerin mit den braunen Reh­augen und tollen Locken zieht den Häkken Club auf der Reeperbahn mit den ersten glas­klaren Klängen ihrer Stimme in den Bann. Lange performt sie noch nicht vor Publikum und trotzdem leitet sie ihre Songs immer wieder durch einen zuckersüß lockeren Dialog mit diesem ein, bis ihr auch der letzte Besucher ver­fallen ist. Ihre positive Art steckt selbst das reservierte Hamburg an. Naaz selbst ist Kurdin. Die Mutter ist im Iran aufgewachsen, der Vater im Nord­irak. Als Popstar auf der Bühne zu stehen ist für ein junges Mädchen mit diesem kulturellen Background nicht selbstverständlich. Trotzdem gab es für die 19-Jährige keine andere Option und sie setzte sich durch: Heute ist sie bei Universal unter Vertrag und wird als vielversprechender Rohdiamant gehandelt. Das erste Album erscheint Anfang 2018.

Du hast dieses megacoole Video zu deinem Song Words gemacht. Wer sind die Leute, die darin auftauchen?
Da sind Menschen mit wundervollen Geschichten dabei. Zum Beispiel die Transgender-Zwillinge, die alle möglichen Wörter auf ihre Körper tätowiert haben. Wir haben die Leute mit dem Regisseur Folkert Verdoorn zusammen gecastet.

Wenn Menschen einen Tag im Leben eines anderen Menschen verbringen könnten, gäbe es so viel weniger Rassismus und Diskriminierung.

Der Song behandelt das Thema Diversity. Findest du das wichtig?
Auf jeden Fall. Egal ob man das ignorieren will oder nicht, aber es gibt so viel Rassismus und Diskriminierung auf unserer Welt. Das liegt daran, dass viele Menschen mit Scheuklappen rumlaufen, die negative Emotionen noch verstärken. Es geht mir dabei nicht darum, keine negativen Gefühle zu haben. Das ist total menschlich und jeder hat sie. Aber wenn man nicht offen ist und nicht bereit, die Welt aus den Augen anderer zu sehen, dann wird man nie verstehen, wie sich Menschen fühlen, sondern sie einfach diskriminieren. Um Menschen zu verstehen, muss man die Perspektive wechseln. Deshalb heißt es in den Lyrics von „Words“ auch: „Will you show me the world? Through your eyes“. Man sollte mehr Augen benutzen wollen als nur die eigenen, um das Leben zu ver­stehen. Wenn Menschen einen Tag im Leben eines anderen Menschen verbringen könnten, gäbe es so viel weniger Rassismus und Diskriminierung, Intoleranz wäre Geschichte.

Du hast kurdische Wurzeln und lebst in Rot­ter­dam. Glaubst du, zwischen zwei Kulturen aufgewachsen zu sein?
Definitiv. Manchmal weiß ich nicht mal genau, welcher Kultur ich zugehörig bin. Dann fühle ich mich sehr als Holländerin, im nächsten Mo­­ment wieder als Kurdin. Ich glaube, das ist für alle, die so aufwachsen, ein Thema. Das macht etwas mit einem. Mein Manager hat auch kurdische Wurzeln und ist ebenfalls in den Nie­derlanden aufgewachsen. Er kann mich in dieser Hinsicht also gut verstehen. Wir können uns weder mit Kurden identifizieren, die in Kurdistan auf­wach­sen, noch mit gebürtigen Nie­derländern.

Im Mittleren Osten braucht man einen guten, seriösen Job. Mu­si­ker zu sein klingt dort eher wie ein schlechter Scherz.

Wie haben deine Eltern reagiert, als du ihnen erzählt hast, dass du hauptberufliche Musikerin werden willst?
Meine Eltern waren nie begeistert, wenn ich gesagt habe, dass ich gerne Sängerin werden möchte. In meiner Kultur wird erwartet, dass man Anwalt oder Arzt wird, aber nicht auf der Bühne zu stehen. Im Mittleren Osten braucht man einen guten, seriösen Job. Mu­si­ker zu sein klingt dort eher wie ein schlechter Scherz. Für Mädchen wird es be­sonders schwierig, wenn es darum geht, für Aufnahmen ins Stu­dio zu gehen, wo man allein unter Männern wäre, oder allein zu rei­sen. Also waren meine Eltern nie große Fans dieser Idee. Aber ich habe immer wei­ter Musik gemacht: Ich bekam ein Midi-Keyboard von meinen Brüdern, mit dem ich erstmals meine eigenen Songs produzieren konnte. Ich habe einfach die Ergebnisse bei YouTube hochgeladen. Dann hat sich Universal bei mir gemeldet. Heute sagen meine Eltern selbst, ich solle bloß nicht mehr zurück an eine Uni. Sie sehen, dass die Musik zu mir passt und mich glücklich macht. Mittlerweile sind sie zu meinen größten Fans geworden, hören meine Lieder die ganze Zeit und singen mit. Meine Mutter kennt alle Lyrics auswendig und erzählt jedem von mir. Es ist verrückt, wie sehr sich das gewandelt hat. 

Wie hast du das Problem mit dem Reisen gelöst?
Mein Bruder begleitet mich auf Tour und ins Studio. Aber mittlerweile darf ich auch mal ohne ihn reisen. Das liegt auch daran, dass meine Eltern meinen Bandkollegen und meinem Manager total vertrauen. Das ist gut. Allgemein freue ich mich aber immer, wenn mein Bruder dabei ist. Er ist ein ganz toller Mensch.

Turid Reinicke
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