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Halten Online-Workouts, was sie versprechen?

Ich habe mir geschworen, dieses Jahr mehr Sport zu machen.

Text: Irina Grechko // Bilder via NYLON.com

Und dieses Mal war es mehr als nur mein üblicher Vorsatz, mindestens dreimal in der Woche ins Fitnessstudio zu gehen. Dies war ein feierliches Gelübde, mich jeden Tag in irgendeiner Weise sportlich zu betätigen – seien es fünf Minuten Bauchmuskeltraining, ein 30-minütiger Fußmarsch von der Arbeit nach Hause oder ein 60-minütiger Barre-Kurs. Nach mehreren Jahren, in denen ich meinen Fitness-Vorsatz bereits bis Mitte Januar wieder aufgegeben hatte, habe ich erkannt, dass Zeitmangel mein größtes Problem ist. Während ich so darüber nachdachte und durch Instagram scrollte – etwas, was ich immer tue, wenn ich über die wichtigen Dilemmas des Lebens sinniere – stieß ich auf den Account einer Freundin, die ein Post-Workout-Selfie nach dem anderen und Ausschnitte aus Fitnessvideos postete, alle versehen mit den Hashtags #tiuteam und #tiecheckin. Seit 2014 ist sie ein überzeugter Fan des „Tone It Up“-Programms. Und ihre Motivation und Konsequenz, praktisch täglich zu trainieren – trotz eines der stressigsten Jobs, die ich kenne! – waren inspirierend.

Als jemand, der Online-Workouts immer mit Jane Fonda im Spandex-Body verbunden und stets besser in einer Gruppe trainiert hatte, war ich skeptisch. Und doch war hier der Beweis, dass es funktionierte. Ich fragte mich: Könnten Online-Trainings die Lösung für mein Zeitproblem sein?

Ich war mit meinen Gedanken nicht allein. Ende letzten Jahres gab es einen regelrechten Boom in Sachen Online-Workouts und virtuellen Trainern, und dieser Trend dürfte nach Meinung vieler Experten wohl noch länger andauern. Nicht sonderlich überraschend: Da fast jeder, den ich in meiner Stadt kenne, zu beschäftigt ist, um regelmäßig ins Fitnessstudio zu gehen, ist es nur sinnvoll, dass die Leute flexible Workouts favorisieren, die überall und jederzeit gestreamt werden können. Und Fitnessstudios fangen jetzt ebenfalls an, ihre Kurse durch virtuelle zu ergänzen.

Wenn es nach mir ginge (und nicht nach meinem Geldbeutel / meiner Vernunft), würde meine gesamte Trainingsroutine aus regelmäßigen Barre-Kursen sowie sanften, figurformenden und kraftaufbauenden Trainingseinheiten in Boutique-Fitnessstudios bestehen. Denn das sind die Kurse, die ich tatsächlich gerne besuche. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, die Online-Workouts von ModelFIT und The Bar Method zu testen. Während ich die „Bar Method“-Kurse [eine amerikanische Fitnesskette] schon öfter besucht hatte, kannte ich ModelFit und seinen Kultstatus unter Fitness-Fans in New York und L.A. bislang nur vom Hörensagen.

Mental hatte ich mich schon auf das ganze Equipment eingestellt, das ich mir wohl würde anschaffen müssen. Daher war ich angenehm überrascht, dass man für „The Bar Method“ lediglich eine Matte und einen Stuhl braucht. Klar, Hanteln sind eine nette Ergänzung, aber wenn ihr nicht gerade zufällig welche herumfliegen habt, ist euer eigenes Körpergewicht vollkommen ausreichend. Mit mehr als 70 (yeah!) Videos bietet „Bar Method“ alles an: von Full-Body-Barre-Kursen (vergleichbar mit denen, die ihr in einem Studio absolvieren würdet) bis hin zu spezialisierten 20-minütigen Ausschnitten, die sich auf bestimmte Körperteile fokussieren. Zunächst hatte ich Bedenken, mich nicht die gesamten 45 bis 60 Minuten auf die Online-Barre-Videos konzentrieren zu können – vor allem während der strapaziösen Oberschenkel-Session, mit der ich sogar dann zu kämpfen habe, wenn ich von einem Dutzend inspirierend durchtrainierter Frauen umgeben bin. Doch die Trainer, die durch die Videos führen, sind genauso energiegeladen und motivierend wie alle, die ich bereits im Studio erlebt hatte – wovon ich mich überzeugen konnte, als ich ein paar Wochen nach Start des Online-Workouts mal wieder einen richtigen Kurs besuchte. Auch unter den Leuten, die an den Video-Kursen teilnehmen, gibt es immer das Gefühl, dass man gegen einander antritt, selbst wenn man allein zu Hause ist. Heißt: Am Ende der Sitzung bist du fix und fertig.

Die Übungen ähneln denen eines „Bar Method“-Studios. Aber das Online-Training hat nicht nur den Vorteil, dass ihr jederzeit und überall Barre machen könnt, sondern dass ihr auch nur kurze Sessions mit einem Fokus auf Bauchmuskeln oder äußeren Gesäßmuskeln absolvieren könnt. Perfekt bei zu wenig Zeit – etwa wenn ihr nach einem langen Arbeitstag erst um 22 Uhr zum Sport machen kommt. An alle Anfänger unter euch: Wenn ihr Barre-Training ausprobieren wollt, besucht erst ein paar richtige Kurse im Fitnessstudio, damit ihr die richtige Körperhaltung lernt. Selbst nach vielen Jahren Barre-Training können die hilfreichen Tipps der virtuellen Trainer nicht eine „echte“ Hand ersetzen, die meine Füße oder den Rücken leicht korrigiert – und sei es nur, damit es sich besser anfühlt.

Da ich zuvor noch nie ModelFit gemacht hatte, wusste ich nicht, was mich erwarten würde. Was ich wusste, war, dass ich am ersten Tag meines Online-Kurses tierisch müde war, nachdem ich nach einem Fußmarsch durch den Schneesturm spät zu Hause angekommen war. Ich überzeugte mich selbst damit, nur eines der kürzeren Videos zu absolvieren, von denen es mehrere gibt (es gibt sogar einen speziellen Bereich, wenn man nur zehn Minuten Zeit hat). Also machte ich die „Plank Series“ an – ein fünfminütiges Tutorial, das sich ausschließlich mit Planking beschäftigt – was, Spoiler Alarm, das beste Video aller Zeiten und jetzt mein Favorit für ein schnelles Bauchmuskeltraining ist. Als ich fertig war, fühlte ich mich plötzlich richtig gut und absolvierte die gesamte Anfängerserie, zu der Arme, Beine und Bauchmuskeln gehören. Mehr als das: Es hat mir gefallen und ich habe überhaupt nicht gemerkt, dass schon 45 Minuten vergangen waren. Am nächsten Tag freute ich mich richtig darauf, nach Hause zu kommen und die anderen Sessions auszuprobieren.

Als ich eine Woche später alle Workouts durchlaufen hatte, die kein Equipment benötigten, beschloss ich, mein Smartphone und meine Kopfhörer mit ins Fitnessstudio zu nehmen und die Übungen dort zu machen. Dort passierte das Erstaunlichste: Ich fing an, das Fitnessstudio zu genießen. Normalerweise bleibe ich immer nur auf dem Laufband oder Stepper (wovon ich jede Minute hasse) und drücke mich vor allen anderen Übungen aus Angst, dämlich auszusehen. Aber jetzt fühlte ich mich selbstbewusster und weniger gehemmt, während ich mein Ganzkörpertraining vor dem Spiegel absolvierte und Gewichte hob.

Plötzlich hatte ich Lust auf Ausflüge ins Fitnessstudios, wo ich die Videos streamen und gleichzeitig die Knöchelgewichte oder Pilates-Ringe benutzen konnte, die ich nicht zu Hause habe. Oder auch einfach nur, um auf extra-weichen Matten zu planken. Nach dem fünfminütigen Planking, wollte ich noch das Bauchmuskeltraining machen, das schließlich in einem weiteren Bauchmuskeltraining, Armtraining und einem Fünf-Kilometer-Lauf auf dem Laufband endete – was meinen Freund dazu brachte, mir während des Trainings zu texten, ob alles okay sei, weil ich seit zwei Stunden im Fitnessstudio war. Auch wenn die Serie nicht aus vielen Videos besteht, so gibt es doch genug Abwechslung, um sich jedes Mal ein komplett anderes maßgeschneidertes Programm zusammenzustellen – ein weiterer Vorteil, den ich liebe. Und mit Videos zwischen fünf und 30 Minuten Länge, habe ich genug gefunden, um mein tägliches Pensum zu schaffen.

Die zweite Überraschung kam, als ich mal wieder an einem persönlichen Kurs teilnahm. Nachdem ich mehrere Wochen lang online ModelFIT gemacht hatte, erwartete ich das gleiche Maß an Aufmerksamkeit, das ich von Cheftrainer Javi Perez und Gründerin Vanessa Packer virtuell gewöhnt war. Als erstes fiel mir auf, wie voll der Kurs war. Verwöhnt von dem vielen Platz in meinem Wohnzimmer, war ich überwältigt von den vielen Menschen, die um einen Platz kämpften, als ob wir bei einer Neuverfilmung von den „Hunger Games“ wären. Ernsthaft: Ich bekam böse Blicke und Sprüche, als ich einer Person zu nahe kam und angeblich jemandem den Platz wegnahm und wurde mit einer eingeschränkten Sicht auf den Trainer an das äußerste Ende des Raumes verbannt. Nachdem ich viel online trainiert hatte, konnte ich die meiste Zeit mithalten. Aber es gab ein paar Momente, in denen ich hoffte, dass meine Nachbarin wusste, was sie tat oder in denen ich jemanden vor mir nachmachte. Und während mir der Kurs zwar Spaß machte, wurde mir klar, dass ich ihn lieber online machen würde, wo ich in der ersten Reihe sehe, was vor sich geht. Ganz zu schweigen davon, dass die Online-Workouts im Vergleich zu echten Kursen günstiger sind.

Nachdem ich praktisch den ganzen Monat online trainiert habe, kann ich sagen, dass es langfristig Disziplin erfordert. Ich musste mich manchmal richtig dazu aufraffen, nur fünf Minuten irgendetwas zu tun. Aber ich weiß, dass ich mit diesen Trainingseinheiten meinen Vorsatz halten konnte, jeden Tag Sport zu machen und öfter ins Fitnessstudio zu gehen als jemals zuvor in meinem Leben. Was vor allem toll für meine neue Bauchmuskeln ist, die – und das ist die größte Überraschung –sichtbarer sind als je zuvor.

Ich bin ein Fan.

Robin Micha
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